Alter Wall – Wikipedia
Der Alte Wall ist eine Straße in der Hamburger Altstadt. Er verläuft parallel zum Alsterfleet vom Rathausmarkt bis zum Rödingsmarkt und ist überwiegend mit repräsentativen Geschäftshäusern aus der Zeit um 1900 bebaut. Der östliche Teil zwischen Rathausmarkt und Adolphsplatz ist seit der letzten Umgestaltung eine Fußgängerzone, der westliche Teil eine Einbahnstraße.
Geschichte
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Der Alte Wall war ursprünglich Teil der mittelalterlichen Hamburger Stadtbefestigung und wurde ab 1480 errichtet.[1] Das heutige Alsterfleet bildete damals den äußeren Wallgraben. Der Wall wurde im Volksmund auch „Dreckwall“ genannt, wobei unklar ist, ob die Bezeichnung auf die schlechte Bodenbeschaffenheit in der Alsterniederung Bezug nahm oder auf den zum Bau des Walls verwendeten „Gassenkummer“ (Straßenabfall).[2] Anderen Quellen zufolge wurde der Wall erst nach dem Bau des Neuen Walls (mit Bleichenfleet und Herrengrabenfleet als neuem Wallgraben) um 1560 zeitweise als Müllkippe genutzt (ähnlich wie der Meßberg am anderen Ende der Stadt) und die volkstümliche Bezeichnung anschließend auf die hier angelegte Straße übertragen.[3] Sicher ist, dass der Alte Wall bald nach dem Bau des Neuen Walls eingeebnet, parzelliert und schrittweise bebaut wurde.[4] Ende des 17. Jahrhunderts kam hierfür der Name „Wallstraße“ in Gebrauch, ab 1788 Alte Wallstraße, ab 1843 schließlich Alter Wall.[5]
Als sich ab 1580 sephardische Juden besonders aus Portugal in Hamburg niederließen, siedelten sich viele von ihnen am Alten Wall an. Hier entstand 1612 auch der erste jüdische Betsaal (der Bau von öffentlich sichtbaren Synagogen war Juden in Hamburg damals noch nicht erlaubt) der sephardischen Gemeinde Newe Schalom am Alten Wall 48/49.[6] Der Saal wurde bis 1835 durch die Sepharden genutzt und dann an die deutsch-israelitische Gemeinde verkauft, die dort neu baute. Im 18. Jahrhundert befanden sich am Alten Wall auch die Beträume der Altonaer und Wandsbeker Gemeinden.[7]
Beim Großen Brand 1842 wurde die Bebauung am Alten Wall fast vollständig zerstört, lediglich das erst 1841 eröffnete neue Börsengebäude am Adolphsplatz überstand das Feuer weitgehend unversehrt. Heinrich Heine beklagte:
- Und der Dreckwall, wo ist der Dreckwall hin?
- Ich kann ihn vergeblich suchen!
- Wo ist der Pavillon, wo ich
- Gegessen so manchen Kuchen?[8]
Gebäude
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Die heutige Bebauung stammt überwiegend aus der Zeit der Citybildung von etwa 1880 bis zum Ersten Weltkrieg. Damals siedelten sich rund um die Börse am Adolphsplatz zahlreiche Banken und Versicherungen an und machten den Alten Wall so zum Finanzdistrikt Hamburgs:
- Direkt am Rathausmarkt (Alter Wall 2) befindet sich das Gebäude der ehemaligen Reichsbank-Hauptstelle. Es wurde von 1914 bis 1919 von der Bauverwaltung der Reichsbank nach einem Entwurf von Julius Habicht und Philipp Nitze im Stil des Neoklassizismus erbaut und steht seit 1983 unter Denkmalschutz. Die Gebäudefassade ist mit Relieffriesen, die die zwölf Sternzeichen und verschiedene Gewerbe als allegorische Figuren darstellen, verziert. Zudem befindet sich am Eingangsportal eine Skulptur des Mercurius, der die Wirtschaftsmacht mit einem Putto und Schwert verkörpert.[9] Von 2002 bis 2019 wurde das Gebäude vom Bucerius Kunst Forum (heute im Haus Alter Wall 12) für Ausstellungszwecke genutzt.
- Die Kontorhäuser Alter Wall 10 und 12 wurden 1908–1910 von Emil Schaudt mit Walther Puritz und Emil Janda für die Norddeutsche Versicherungsgesellschaft (später Hamburg-Mannheimer, heute Ergo Group) gebaut.
- Alter Wall 20–22 wurde 1900–1902 das ehemalige Bankgebäude für die Vereinsbank in Hamburg von Haller & Geißler und 1947–1952 von Elingius & Schramm gebaut.[10]
- Das Kontorhaus Alter Wall 32 von 1894–1895 wurde 1928 als Bankgebäude für die Deutsche Bank umgebaut.
- Am Adolphsplatz 1/Alter Wall 11 befindet sich die Börse, heute Sitz der Handelskammer Hamburg.
Das Ensemble Alter Wall 2, 8–12, 20, 22, 32, Rathausmarkt 2 steht seit dem 1. Mai 2013 unter Denkmalschutz,[11] das Gebäude Alter Wall 2 bereits seit dem 7. September 1982, die Börse seit dem 16. Februar 1942.[12]
Seit September 2020 stehen die beiden Skulpturen Gesellschaftsspiegel von Ólafur Elíasson vor dem Rathaus bzw. der Börse.
- Nr. 2: Bucerius Kunst Forum am ehemaligen Standort
- Nr. 10
- Nr. 12
- Nr. 20–22
- Nr. 32
Literatur
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- Gert Kähler (Hrsg.): Alter Wall – Neue Stadt. Dölling & Galitz Verlag, Hamburg 2022, ISBN 978-3-86218-152-0.
Weblinks
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Einzelnachweise
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- ↑ Reinhold Pabel: Alte Hamburger Straßennamen, Bremen 2001, ISBN 3-86108-769-3, S. 23 f. Christian Hanke (Hamburgs Straßennamen erzählen Geschichte, 4. Aufl. Hamburg 2006, ISBN 3-929229-41-2, S. 32) nennt hier abweichend das Jahr 1246, allerdings ohne Beleg.
- ↑ Letzteres berichtet Pabel unter Berufung auf Wilhelm Louis Meeder: Geschichte von Hamburg vom Entstehen der Stadt bis auf die neueste Zeit, Hamburg 1838, S. 410 f.
- ↑ So z. B. bei Hanke und Horst Beckershaus: Die Hamburger Straßennamen. Woher sie kommen und was sie bedeuten, Hamburg 2011, S. 17.
- ↑ Alter Wall, in: Hamburg-Lexikon, Hamburg 2010, S. 35.
- ↑ Horst Beckershaus: Die Hamburger Straßennamen. Woher sie kommen und was sie bedeuten, Hamburg 2011, S. 17.
- ↑ Jorun Poettering: Handel, Nation und Religion. Kaufleute zwischen Hamburg und Portugal im 17. Jahrhundert. Göttingen 2013, ISBN 978-3-525-31022-9, (online), S. 170, 302
- ↑ Karte: Jüdische Stätten in Hamburg. hrsg. Institut für die Geschichte der deutschen Juden und der Landeszentrale für politische Bildung. Hamburg 1995.
- ↑ Heinrich Heine: Deutschland. Ein Wintermärchen. Caput XXI. In: Neue Gedichte. Hoffman und Campe, Hamburg 1844, S. 378. (Wikisource). Mit dem erwähnten Pavillon ist vermutlich der Alsterpavillon gemeint, der nicht am Alten Wall, sondern am Jungfernstieg liegt.
- ↑ Portal mit Allegorien. Kunst@SH – Schleswig-Holstein & Hamburg, 11. Juni 2021, abgerufen am 15. Dezember 2021.
- ↑ Ralf Lange: Architekturführer Hamburg. Edition Axel Menges, Stuttgart 1995, S. 16–17, ISBN 3-930698-58-7. (online)
- ↑ Denkmalliste nach § 6 Absatz 1 Hamburgisches Denkmalschutzgesetz vom 5. April 2013, Hamburg-Mitte, Stand:12. Juni 2023 (pdf; 2,1 MB). Online auf hamburg.de.
- ↑ Denkmalliste Hamburg 2012 ( vom 27. Juni 2011 im Internet Archive) (PDF; 915 kB)
Koordinaten: 53° 32′ 59″ N, 9° 59′ 22″ O