Arbelos – Wikipedia
Der Arbelos (griechisch Άρβυλος Arbylos für „Schustermesser“) oder die Sichel des Archimedes ist eine spezielle, von drei Halbkreisen begrenzte geometrische Figur. Der berühmte griechische Mathematiker Archimedes soll die Eigenschaften des Arbelos untersucht und in seinem Buch der Lemmata beschrieben haben.
Beschreibung und Eigenschaften
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Auf dem Durchmesser eines Halbkreises (siehe obiges Bild) wählt man einen Punkt und errichtet dann Halbkreise über und . Die sichelförmige Restfigur, die entsteht, wenn man die Halbkreise über und aus dem Halbkreis über entfernt, wird als Arbelos bezeichnet.
Errichtet man im Punkt eine Senkrechte zum Durchmesser , so schneidet diese den zugehörigen Halbkreis in . Zu den bekanntesten Aussagen über den Arbelos gehört nun, dass die Fläche des Kreises mit Durchmesser der Fläche des Arbelos entspricht. Dabei gilt:[1]
Beweise
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Anhand expliziter Flächenberechnungen
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Man zeichne das Hilfsdreieck . Nach dem Satz des Thales ist das Dreieck rechtwinklig und die Seite seine Hypotenuse, bestehend aus den Abschnitten und . Nach dem Höhensatz des Euklid ist das Quadrat über der Höhe des Dreiecks gleich dem Produkt der beiden Hypotenusen-Abschnitte:
Der Kreis, dessen Durchmesser durch und geht, habe den Radius . Die Höhe des Dreiecks ist also . Die Strecke ist der Durchmesser des großen Halbkreises. Nennt man den Radius des kleineren Halbkreises und denjenigen des kleinsten Halbkreises , so ist . Der Radius des großen Halbkreises ist demnach die Hälfte von , also .
Nach dem Höhensatz des Euklid gilt: , also .
Mit algebraischen Methoden (also abstraktem Ausrechnen – diese standen den Griechen noch nicht zur Verfügung) sieht man schnell, dass die Behauptung stimmt (man gewinnt jedoch keinerlei Einsichten, warum das so ist). Der Flächeninhalt des Arbelos ist gleich dem Flächeninhalt des großen Halbkreises minus dem Flächeninhalt der beiden kleinen Halbkreise:
Der Flächeninhalt des Kreises, der durch und geht, ist . Wie oben gezeigt, gilt nach dem zweiten Satz des Euklid . Es kann also in der Formel für den Flächeninhalt des Arbelos statt nunmehr eingesetzt werden, somit ergibt sich:
- .
Damit ist bewiesen, dass der Flächeninhalt des Arbelos gleich demjenigen des Kreises ist, der durch und geht.
Visueller Beweis der Flächengleichheit
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Der folgende besonders einfache Beweis der Flächengleichheit verwendet eine Verallgemeinerung des Satzes von Pythagoras auf ähnliche Figuren und benötigt keine Flächenformeln oder explizite Flächenberechnungen.[2]
Weitere Eigenschaften
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Die Länge des großen Bogens entspricht der Summe der Längen der beiden kleineren Bögen, also:[1]
Dementsprechend gilt auch, dass der Umfang des großen Halbkreises der Summe der Umfänge der beiden kleineren Halbkreise entspricht.
Der zum Arbelos flächengleiche Kreis mit Durchmesser schneidet den Halbkreis über in und den Halbkreis über in . Diese beiden Schnittpunkte haben eine Reihe besonderer Eigenschaften, so ist ihre Verbindungsstrecke ein weiterer Durchmesser des Kreises und das Sehnenviereck ist ein Rechteck, dessen Diagonalen die Strecken und sind. Außerdem liegt die Verbindungsstrecke auf der gemeinsamen (äußeren) Tangente der Halbkreise über und und der Punkt liegt auf der Strecke sowie der Punkt auf der Strecke .[3][1]
Teilt man den Arbelos entlang der Senkrechten , so lässt sich für beide Teile je ein einbeschriebener Kreis konstruieren, der jeweils die Senkrechte, den äußeren Halbkreis und den jeweiligen inneren Halbkreis berührt (Spezialfall des Apollonischen Problems). Diese beiden Kreise besitzen den gleichen Radius mit
und werden als Zwillingskreise des Archimedes bezeichnet.[3]
Das von dem Berührungspunkt der beiden inneren Halbkreise und den Mitten , , der drei Halbkreisbögen gebildete Viereck ist ein Rechteck und seine Fläche beträgt:[4]
Führt man mit den beiden inneren Halbkreisen eines Arbelos erneut eine Arbeloskonstruktion durch, die ähnlich zum Ausgangsarbelos ist, dann sind die beiden neuen inneren Halbkreise mit dem gemeinsamen Punkt flächengleich.[4]
Varianten und Verallgemeinerungen
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Andere Kurven anstatt Halbkreise
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Das Konstruktionsprinzip des Arbelos kann man auch mit anderen Kurven anstatt mit Halbkreisen durchführen. Ersetzt man die Halbkreise durch Parabelsegmente, so wird die entstehende Figur als Parbelos bezeichnet.[4]
Eine Verallgemeinerung, die sowohl den Arbelos als auch den Parbelos umfasst, ist der f-belos, der zur Konstruktion (ähnliche) Segmente differenzierbarer Funktionen verwendet.[5]
Verallgemeinerung des Arbelos und des Salinons
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Wolfgang Zeuge fand Mitte der 1980er Jahre den im Folgenden beschriebenen Satz. Wie er in seinem Buch anmerkt, konnte er diesen weder in der Literatur noch im Internet finden.
„Der verallgemeinerte Arbelos (oder Salinon) ist die von vier Halbkreisen, deren Mittelpunkte auf der Geraden AB liegen, begrenzte [grüne] Fläche [s. Abbildung]. Er ist flächengleich zu dem Kreis, dessen Durchmesser die maximale senkrechte Verbindung von den kleinen Halbkreisen zu dem großen Halbkreis ist.“
Konstruktion
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Es beginnt mit den Ziehen der Halbkreise mit den Radien und auf einer Halbgeraden aneinandergereiht ab dem Punkt um deren Mittelpunkte und . Für wählt man einfachheitshalber , dies ist aber keine Bedingung. Dabei ergibt sich der Durchmesser des großen Halbkreises. Es folgt die Halbierung von in mit dem Einzeichnen des Halbkreises mit Radius . Für den damit erzeugten Flächeninhalt des verallgemeinerten Arbelos (oder Salinon) gilt:[7]
Es geht weiter mit dem Bestimmen des Schnittpunktes auf dem Durchmesser für den darauf senkrecht stehenden Durchmesser . Wegen des gewählten Radius liegt zwischen den Mittelpunkten und . Wolfgang Zeuge beschreibt nicht explizit dessen Konstruktion mit Zirkel und Lineal. Der Punkt wird deshalb nach der elementaren Konstruktion eines Riemenantriebs (siehe Konstruktionsskizze) mithilfe des Satz des Thales erläutert.
Hierzu wird der Radius auf den Durchmesser ab übertragen und anschließend der Halbkreis um die Mittelpunkte mit Radius gezogen, bis er in schneidet. Es folgt die Halbierung der Strecke in und das Ziehen des Thaleskreises über mit Schnittpunkt . Eine Halbgerade ab durch bringt den Schnittpunkt , eine zweite Halbgerade ab erzeugt den Schnittpunkt . Nach dem Verbinden des Punktes mit wird die Strecke in halbiert. Das Errichten einer Senkrechten auf den Durchmesser durch liefert den Schnittpunkt sowie den Durchmesser des gesuchten Kreises. Der Flächeninhalt des Kreises (gelb, siehe Beweisskizze) ist gleich dem des Arbelos (oder Salinons) (grün).
Beweis
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Da der Punkt bereits konstruktiv ermittelt wurde und somit auch die Länge bekannt ist, sei hier nur hingewiesen auf die hergeleitete Formel der Länge :[8]
In der nebenstehenden Beweisskizze ist zu erkennen, dass die Radien und zueinander parallel verlaufen und damit die ähnlichen rechtwinkligen Dreiecke und bilden. Aus diesen beiden ähnlichen Dreiecken gewinnt man die zwei folgenden Gleichungen:[8]
und
Nach dem Einsetzen und Vereinfachen gilt für den Flächeninhalt des Kreises:[8]
womit der Satz bewiesen ist.
Siehe auch
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Literatur
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- Günter Aumann: Kreisgeometrie: Eine elementare Einführung. Springer, 2015, ISBN 978-3-662-45306-3, S. 193–200
- Wolfgang Zeuge: Nützliche und schöne Geometrie – Eine etwas andere Einführung in die Euklidische Geometrie. Zweite korrigierte und ergänzte Auflage, Springer Spektrum, Springer-Verlag GmbH, Berlin 2021, ISBN 978-3-662-63830-9, Kapitel 9 (8 Seiten)
- R. A. Johnson: Modern Geometry: An Elementary Treatise on the Geometry of the Triangle and the Circle. Houghton Mifflin, Boston 1929, S. 116–117.
- L. Raphael: The Shoemaker's Knife. In: The Mathematics Teacher, Band 66, Nr. 4 (APRIL 1973), S. 319–323 (JSTOR)
- Harold P. Boas: Reflections on the Arbelos. In: The American Mathematical Monthly, Band 113, Nr. 3 (März, 2006), S. 236–249 (JSTOR)
- Hiroshi Okumura: The arbelos in Wasan geometry, problems of Izumiya and Naitō. In: Journal of Classical Geometry, Band 4 (Digitalisate: Journal of Classical Geometry, Researchgate)
Weblinks
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- Eric W. Weisstein: Arbelos. In: MathWorld (englisch).
- Interaktives Diagramm, das zahlreiche Eigenschaften visualisiert (englisch)
- Arbelos auf mathematische-basteleien.de
Einzelnachweise
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- ↑ a b c R. A. Johnson: Modern Geometry: An Elementary Treatise on the Geometry of the Triangle and the Circle. Houghton Mifflin, Boston 1929, S. 116–117.
- ↑ Roger B. Nelsen: Proof without Words: The Area of an Arbelos. In: Mathematics Magazine, Band 75, Nr. 2 (Apr., 2002), S. 144
- ↑ a b Günter Aumann: Kreisgeometrie: Eine elementare Einführung. Springer, 2015, ISBN 978-3-662-45306-3, S. 193–200
- ↑ a b c Jonathan Sondow: The Parbelos, a Parabolic Analog of the Arbelos. In: The American Mathematical Monthly, Band 120, Nr. 10 (Dezember 2013), S. 929–935 (JSTOR)
- ↑ Antonio M. Oller-Marcen: The f-belos. In: Forum Geometricorum, Band 13 (2013), S. 103–111.
- ↑ Wolfgang Zeuge: Nützliche und schöne Geometrie - Eine etwas andere Einführung in die Euklidische Geometrie. Zweite korrigierte und ergänzte Auflage, Springer Spektrum, Springer-Verlag GmbH, Berlin 2021, ISBN 978-3-662-63830-9, S. 157–159
- ↑ Wolfgang Zeuge: Nützliche und schöne Geometrie - Eine etwas andere Einführung in die Euklidische Geometrie. Zweite korrigierte und ergänzte Auflage, Springer Spektrum, Springer-Verlag GmbH, Berlin 2021, ISBN 978-3-662-63830-9, S. 158
- ↑ a b c Wolfgang Zeuge: Nützliche und schöne Geometrie - Eine etwas andere Einführung in die Euklidische Geometrie. Zweite korrigierte und ergänzte Auflage, Springer Spektrum, Springer-Verlag GmbH, Berlin 2021, ISBN 978-3-662-63830-9, S. 159