Aufzeichnungen eines Jägers – Wikipedia

Aufzeichnungen eines Jägers (russisch Записки охотника) ist der Titel eines Zyklus von Erzählungen des russischen Schriftstellers Iwan Sergejewitsch Turgenjew. Die Sammlung erschien 1852 in Buchform und verhalf dem Autor zu erster Berühmtheit.

Entstehungsgeschichte

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

1847 erschien in der Zeitschrift Sowremennik (Der Zeitgenosse) Turgenjews Erzählung Chor und Kalinytsch. Nach diesem ersten Erfolg schrieb Turgenjew weitere zwanzig Skizzen und Erzählungen, die ebenfalls im Sowremennik veröffentlicht wurden und 1852 unter dem Titel Aufzeichnungen eines Jägers in Buchform erschienen. 1854 erschien das Werk in deutscher und französischer Übersetzung. In den 1870er Jahren wurde der Zyklus auf 25 Erzählungen erweitert (unter anderem Die lebende Reliquie, 1874).[1]

Die Titelfigur ist ein auf der Jagd herumstreifender adeliger Gutsbesitzer. Aus der Sicht dieses Ich-Erzählers schildert Turgenjew das russische Land- und Provinzleben. Er verbindet dabei lyrische Naturschilderungen mit der realistischen Darstellung des russischen Landadels und der leibeigenen Bauern. Obwohl vom Standpunkt eines neutralen Beobachters geschrieben, sind die Erzählungen eine Anklage gegen die Leibeigenschaft, gegen die Unterdrückung der Bauern und die Ausbeutung durch Gutsbesitzer und eigennützige Verwalter.

Iwan Turgenjew war zeit seines Lebens selbst ein leidenschaftlicher Jäger. Er kannte auch die brutale Wirklichkeit des bäuerlichen Alltags von Kindheit an aus persönlicher Anschauung, denn er stammte aus adeliger Familie, und das elterliche Gut Spasskoje mit tausenden Leibeigenen wurde von seiner Mutter mit großer Härte verwaltet. Turgenjew erinnerte sich: „Ich wurde geboren und wuchs auf in einer Atmosphäre, wo Faustschläge, Tritte, Prügel, Ohrfeigen und ähnliches an der Tagesordnung waren. Auch ich wurde für jede Kleinigkeit fast täglich verprügelt.“[2]

Das Erscheinen der Aufzeichnungen eines Jägers wurde vermutlich nur durch ein Versehen der Zensurbehörden möglich. Der Erfolg des Buches und die solcherart auf Missstände gelenkte Aufmerksamkeit veranlassten die zaristischen Behörden, gegen den Autor vorzugehen. Noch im Jahr 1852 wurde Turgenjew aufgrund seines Nachrufs auf den Tod Gogols, der ohne Zustimmung der Zensur erschienen war, verhaftet und für eineinhalb Jahre auf sein Gut verbannt.

1861 wurde die Leibeigenschaft in Russland unter Zar Alexander II. aufgehoben.

„...der Mit- und Nachwelt berichtet zu haben, was Leibeigenschaft ist..“ Julian Schmidt[3]

„...poetische Anklagerede gegen die Leibeigenschaft...“ Alexander Herzen[4]

„...Querschnitt durch die Leidensgeduld des russischen Bauerntums; ausgenutzt in allem, auch in der Liebe...“ Hermann Pongs[5]

Die Aufzeichnungen eines Jägers beinhalten im Einzelnen folgende Skizzen und Erzählungen:

  • Chor und Kalinytsch
  • Jermolaj und die Müllerin
  • Der Himbeerquell
  • Der Kreisarzt
  • Mein Nachbar Radilow
  • Der Hofbesitzer Owsjanikow
  • Ljgow
  • Die Beschinwiese
  • Kasjan von der Schönen Aussicht
  • Der Bürgermeister
  • Das Kontor
  • Birjuk
  • Zwei Gutsbesitzer
  • Lebedjan
  • Tatjana Borisowna und ihr Neffe
  • Der Tod
  • Die Sänger
  • Pjotr Petrowitsch Karatajew
  • Das Stelldichein
  • Der Hamlet des Kreises Schtschigry
  • Tschertopchanow und Nedopjuskin
  • Tschertopchanows Ende
  • Die lebende Reliquie
  • Es rattert!
  • Wald und Steppe
  • Iwan S. Turgenjew: Aufzeichnungen eines Jägers. 1. Auflage. Insel Verlag, Frankfurt am Main und Leipzig 2001.
  • Ivan Turgenev: Aufzeichnungen eines Jägers. Aus dem Russ. von Peter Urban. Mit einem Nachwort von Peter Urban, Manesse Verlag, Zürich 2004.
  • Iwan Turgenjew: Aufzeichnungen eines Jägers. 1. Auflage. Antigonos Verlag, Paderborn, 2012. ISBN 978-3-95472-088-0
  • Iwan Turgenjew: Aufzeichnungen eines Jägers. 1. Auflage. Neu übersetzt und mit einem Nachwort von Vera Bischitzky, Hanser Verlag, München, 2018. ISBN 978-3-446-26018-4

Die Erzählung Birjuk wurde 1978 unter dem gleichen Titel (deutsch: Der Waldhüter bzw. Isegrim) von dem sowjetisch-ukrainischen Regisseur Roman Balajan verfilmt.

Einzelnachweise

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
  1. Klaus Dornacher (Hrsg.): Turgenjew für unsere Zeit. Aufbau-Verlag, Berlin und Weimar 1989, S. XIV–XV.
  2. Klaus Dornacher (Hrsg.): Turgenjew für unsere Zeit. Aufbau-Verlag, Berlin und Weimar 1989, S. XXIV.
  3. Klaus Dornacher (Hrsg.): Turgenjew für unsere Zeit. Aufbau-Verlag, Berlin und Weimar 1989, S. XXVII.
  4. Klaus Dornacher (Hrsg.): Turgenjew für unsere Zeit. Aufbau-Verlag, Berlin und Weimar 1989, S. XXX.
  5. Hermann Pongs: Lexikon der Weltliteratur. Englisch Verlag, Wiesbaden 1984, S. 919.