Aussprache des Tamil – Wikipedia

Die Aussprache des Tamil unterscheidet sich recht stark vom Schriftbild, lässt sich aber nach bestimmten Regeln aus diesem ableiten. Die Tamil-Schrift ist weitgehend phonematisch, d. h., ein Graphem (Buchstabe) repräsentiert ein Phonem. Diese Phoneme haben aber zahlreiche positionsbedingte Allophone, d. h., sie werden abhängig von ihrer Stellung im Wort als unterschiedliche Laute realisiert. Daher erfordert die korrekte Aussprache eines geschriebenen Textes die Kenntnis der Phonologie des Tamil. Da Lehnwörter nicht den phonologischen Regeln des Tamil unterliegen, lässt sich ihre Aussprache nicht ohne weiteres aus dem Schriftbild schließen.

Die Aussprache des Tamil unterliegt regionalen Variationen. So beherrschen viele Sprecher nicht die prestigeträchtige Standardlautung des ழ் als [ɻ], sondern sprechen es als [j] (im Norden) oder als [ɭ] (im Süden) aus. Auch unterbleibt etwa in Sri Lanka die Jotierung von /e/ und /eː/ am Wortanfang.

Die genaue Aussprache des Tamil wird in der Fachliteratur teils unterschiedlich beschrieben. Beispielsweise wird die Aussprache des ழ் teils als Approximant [ɻ], teils als Frikativ [ʐ] angegeben. Die nachfolgenden Angaben beruhen im Wesentlichen auf Anton 1976. Kursiv ist die wissenschaftliche Transliteration, in eckigen Klammern die IPA-Lautschrift angegeben.

Die Allophonie bei den Vokalen ist weniger stark ausgeprägt als bei den Konsonanten. Die Phoneme /a/ und /u/ werden in unbetonter Position reduziert ausgesprochen. Die Phoneme /i/ und /e/ sowie ihre langen Entsprechungen /iː/ und /eː/ werden durch einen nachfolgenden retroflexen Konsonanten zentralisiert. Am Wortanfang erhalten /e/ und /eː/ einen [j]-Vorschlag (sogenannte Jotierung), in ähnlicher Weise geht manchen mit /ɔ/ anlautenden Wörtern ein [ʋ] voran.

Zeichen Aussprache Beispiel
a [a] im Anlaut und in der ersten Silbe wie dt. kurzes a அம்மா ammā [ˈamːaː] „Mutter“
[ʌ] in der zweiten Silbe, sofern diese geschlossen ist, sowie in der Endung -am wie in engl. but மரம் maram [ˈmaɾʌm] „Baum“
[ə] in Endsilben und vor Morphemgrenzen als reduzierter „Murmelvokal“ ähnlich wie e in dt. bitte அவன் avaṉ [ˈaʋən] „er“
ā [] langes a ஆம் ām [m] „ja“
i [i] kurzes geschlossenes i இந்த inta [ˈin̪d̪ə] „dieser“
[ɨ] vor retroflexen Konsonanten kurzes „dumpfes“ i கிணறு kiṇaṟu [ˈkɨɳərɯ] „Brunnen“
ī [] langes geschlossenes i ī [] „Fliege“
[ɨː] vor retroflexen Konsonanten langes „dumpfes“ i வீடு vīṭu [ˈʋɨːɖɯ] „Haus“
u [u] im An- und Inlaut kurzes geschlossenes u உரம் uram [ˈuɾʌm] „Stärke“
[ɯ] im Auslaut reduziert und überkurz நாடு nāṭu [ˈnaːɖɯ] „Land“
ū [] langes geschlossenes u ஊர் ūr [ɾ] „Ort“
e [e] kurzes e மெல் mel [mel] „weich“
[je] im Anlaut mit j-Vorschlag என் eṉ [jen] „mein“
[ɘ] vor Retroflexen als kurzer „dumpfer“ e-Laut பெண் peṇ [pɘɳ] „Mädchen“
ē [] langes e மேல் mēl [ml] „auf“
[j] im Anlaut mit j-Vorschlag ஏன் ēṉ [jeːn] „warum“
[ɘː] vor Retroflexen als langer „dumpfer“ e-Laut கேள் kēḷ [kɘːɭ] „fragen“
ai [a] ähnlich wie dt. Ei ஐந்து aintu [ˈai̯n̪d̪ɯ] „fünf“
[ɛ] im Auslaut mehrsilbiger Wörter wie in engl. pay சிலுவை ciluvai [ˈsiluʋɛi̯] „Kreuz“
o [ɔ] kurzes offenes o ஒரு oru [ˈɔɾɯ] „ein“
[ʋɔ] im Anlaut teils mit w-artigem Vorschlag ஒன்று oṉṟu [ˈʋɔndrɯ] „eins“
ō [] langes geschlossenes o ஓரம் ōram [ˈɾʌm] „Rand“
au [a] ähnlich wie in dt. blau ஔடதம் auṭatam [ˈau̯ɖʌðʌm] „Medizin“

Bei den Konsonanten haben die Plosive (Verschlusslaute) eine große Zahl an Allophonen. Generell werden sie am Wortanfang und in Verdopplung stimmlos und nach Nasal und zwischen Vokalen stimmhaft gesprochen. Zwischen Vokalen tendieren sie außerdem dazu, als Frikative (Reibelaute) gesprochen zu werden.

Die Laute ந் /n̪/ und ன் /n/ kommen in komplementärer Verteilung vor und können deshalb als Allophone desselben Phonems angesehen werden. In der Aussprache wird zwischen ihnen ebenso wie zwischen ர் /ɾ/ und ற் /r/, die bei genauer Aussprache kontrastieren können, oft nicht unterschieden. Es ist aber zu beachten, dass der alveolare Laut ற் /r/ in Verdopplung als [r] und nach Nasal als [dr] gesprochen wird. Der aus dem Alt-Tamil stammende Laut ஃ /h/ (āytam) ist in der modernen Sprache sehr selten.

Zeichen Aussprache Beispiel
க் k [k] im Anlaut und in Verdopplung stimmlos wie dt. k கால் kāl [kaːl] „Fuß“, பக்கம் pakkam [ˈpaʌm] „Seite“
[ɡ] nach Nasalen stimmhaft wie dt. g நாங்கள் nāṅkaḷ [ˈn̪aːŋɡəɭ] „wir“
[x] zwischen Vokalen in Umgebung von Mittel- und Hintervokalen wie ch in dt. ach போகும் pōkum [ˈpoːxum] „es wird gehen“
[ɣ] zwischen Vokalen in Umgebung von Vordervokalen als stimmhafter Reibelaut செய்கிறேன் ceykiṟēṉ [ˈsejɣireːn] „ich mache“
ங் [ŋ] wie ng in dt. eng இங்கே iṅkē [ˈiŋɡeː] „hier“
ச் c [s] am Anlaut und zwischen Vokalen stimmloses s சோறு cōṟu [ˈsoːrɯ] „gekochter Reis“, பசி paci [ˈpasi] „Hunger“
[ʧ] in Verdopplung wie dt. tsch பேச்சு pēccu [ˈpeːʧɯ] „Rede“
[ʒ] nach Nasal wie j in Journalist கொஞ்சம் koñcam [ˈkɔɲʒʌm] „ein bisschen“
ஞ் ñ [ɲ] wie gn in Champagner பஞ்சு pañcu [ˈpaɲʒɯ] „Baumwolle“, ஞாபகம் ñāpakam [ˈɲaːbəxʌm] „Erinnerung“
ட் [ʈ] im Anlaut (nur bei Lehnwörtern) und in Verdopplung als stimmloses retroflexes (mit zurückgebogener Zungenspitze gesprochenes) t டீ ṭī [ʈ] „Tee“, கட்டு kaṭṭu [ˈkaʈːɯ] „binden“
[ɖ] nach Nasal und zwischen Vokalen als stimmhaftes retroflexes (mit zurückgebogener Zungenspitze gesprochenes) d ஆண்டு āṇṭu [ˈaːɳɖɯ] „Jahr“, படம் paṭam [ˈpaɖʌm] „Bild“
ண் [ɳ] retroflexes (mit zurückgebogener Zungenspitze gesprochenes) n பணம் paṇam [ˈpaɳʌm] „Geld“
த் t [] im Anlaut und in Verdopplung als stimmloses dentales (mit der Zunge an den Zähnen gesprochenes) t தாய் tāy [aːj] „Mutter“, சத்தம் cattam [ˈsat̪ːʌm] „Krach“
[] nach Nasal als stimmhaftes dentales (mit der Zunge an den Zähnen gesprochenes) d அந்த anta [ˈan̪ə] „jener“
[ð] zwischen Vokalen ähnlich th in engl. the மாதம் mātam [ˈmaːðʌm] „Monat“
ந் n [] dentales (mit der Zunge an den Zähnen gesprochenes) n நான் nāṉ [aːn] „ich“
ப் p [p] im Anlaut und in Verdopplung stimmlos wie dt. p பல் pal [pal] „Zahn“, உப்பு uppu [ˈuɯ] „Salz“
[b] nach Nasal stimmhaft wie dt. b பாம்பு pāmpu [paːmbɯ] „Schlange“
[β] zwischen Vokalen als stimmhafter Reibelaut தீபம் tīpam [ˈt̪iːβʌm] „Lampe“
ம் m [m] wie dt. m மீன் mīṉ [miːn] „Fisch“
ய் y [j] wie dt. j யார் yār [jaːɾ] „wer“
ர் r [ɾ] „gerolltes“ r mit einem Zungenschlag அரை arai [ˈaɾai̯] „Hälfte“
ல் l [l] wie dt. l காலம் kālam [ˈkaːlʌm] „Zeit“
வ் v [ʋ] ähnlich wie dt. w வானம் vānam [ˈʋaːnʌm] „Himmel“
ழ் [ɻ] ein retroflexer (mit zurückgebogener Zunge gesprochener) Nähelaut, lautlich etwa zwischen stimmhaftem sch, l und r வழி vaḻi [ˈʋaɻi] „Weg“
ள் [ɭ] retroflexes (mit zurückgebogener Zunge gesprochenes) l நீளம் nīḷam [ˈn̪ɨːɭʌm] „Länge“
ற் [r] zwischen Vokalen als „gerolltes“ r mit mehreren Zungenschlägen அறை aṟai [ˈarai̯] „Zimmer“
[r] in Verdopplung als Verbindung aus stimmlosem alveolarem (mit der Zunge am Zahndamm gesprochenem) t und r காற்று kāṟṟu [ˈkaːtːrɯ] „Wind“
[dr] nach Nasal als Verbindung aus stimmhaftem alveolarem (mit der Zunge am Zahndamm gesprochenem) d und r பன்றி paṉṟi [ˈpandri] „Schwein“
ன் [n] alveolares (mit der Zunge am Zahndamm gesprochenes) n பூனை pūṉai [ˈpuːnai̯] „Katze“
ஜ் j [ʤ] wie dsch in dt. Dschungel ஜாதி jāti [ˈʤaːði] „Kaste“
ஷ் [ʂ] retroflexes (mit zurückgebogener Zungenspitze gesprochenes) sch கஷ்டம் kaṣṭam [ˈkaʂʈʌm] „Schwierigkeit“
ஸ் s [s] stimmloses s புஸ்தகம் pustakam [ˈpustʌxʌm]
ஹ் h [ɦ] stimmhaftes h ஹஜி haji [ˈɦaʤi] „Mekka-Pilger“
[h] wie deutsches h, aber auch vor Konsonant deutlich ausgesprochen அஃறிணை aḵriṇai [ˈahrɨɳɛi̯] „(grammatikalische) Niederklasse, Neutrum

Das Tamil hat eine große Zahl von Lehnwörtern insbesondere aus dem Sanskrit und dem Englischen übernommen. Diese entsprechen oft nicht den Regeln der tamilischen Phonologie, so können in ihnen stimmhafte Plosive am Wortanfang (z. B. [bas] „Bus“, von englisch bus) oder Laute, die in echten Tamil-Wörtern nicht vorhanden sind, (z. B. [ˈkaːfi] „Kaffee“, von englisch coffee) vorkommen. Da für diese Laute keine Entsprechungen in der Tamil-Schrift vorhanden sind, wird பஸ் pas und காப்பி kāppi geschrieben. Zumindest gebildetere Sprecher bemühen sich aber, solche Lehnwörter möglichst nah an ihrer Lautung in der Ausgangssprache auszusprechen. In diesem Fall ist die Aussprache also nicht aus dem Schriftbild ersichtlich. Andererseits ersetzen manche Sprecher die fremden Laute durch die entsprechenden tamilischen Laute, so dass die Aussprache von Fremdwörtern keineswegs einheitlich ist.

  • Helga Anton: The Script and Pronunciation of Modern Tamil. Madras: Alamu Printing Works, 1976. S. 19–74.
  • A. H. Arden: A Progressive Grammar of the Tamil Language. Madras: Christian Literature Society, 1942 (Nachdruck 1969). S. 33–63.
  • Hermann Beythan: Praktische Grammatik der Tamilsprache. Wiesbaden: Harrassowitz, 1943. S. 17–37.
  • Elinor Keane: "Tamil". In: Journal of the International Phonetic Association 34,1 (2004). S. 111–116.