Blumfeld (Rockband) – Wikipedia

Blumfeld

Sänger Jochen Distelmeyer während eines Blumfeld-Konzerts 2007
Allgemeine Informationen
Herkunft Hamburg, Deutschland
Genre(s) Indie-Rock
Gründung 1990
Auflösung 2007
Website www.blumfeld.de
Gründungsmitglieder
Jochen Distelmeyer
André Rattay
Eike Bohlken (bis 1996)
Letzte Besetzung
Gesang, Gitarre
Jochen Distelmeyer
Schlagzeug, Vibraphon
André Rattay
Bass
Lars Precht (ab 2005)
Vredeber Albrecht (ab 2003)
Ehemalige Mitglieder
Bass
Peter Thiessen (1996–2002)
Keyboard, Vibraphon, Bass
Michael Mühlhaus (1998–2005)

Blumfeld war eine deutschsprachige Hamburger Rockband. Sie zählte von 1990 bis zu ihrer Auflösung 2007 zu den wichtigsten Vertretern der Stilrichtung Hamburger Schule und gilt als eine der einflussreichsten und erfolgreichsten Bands der deutschen Indie-Szene.

Blumfeld wurde im Frühjahr 1990 von Mitgliedern der aufgelösten Bands „Der Schwarze Kanal“[1] (Rattay, Bohlken, der Name spielt auf eine DDR-Fernsehsendung an) und Die Bienenjäger[2] (Distelmeyer) gegründet. Die Band Blumfeld ist nach der Hauptfigur einer Kurzgeschichte von Franz Kafka benannt (Blumfeld, ein älterer Junggeselle). Laut Distelmeyer sollte der Name ein Familienname (ähnlich den Ramones) sein.[3] Mehrere Alben wurden von Chris von Rautenkranz produziert.

Im Januar 2007 gaben Blumfeld bekannt, Sänger Jochen Distelmeyer habe in Absprache mit den anderen Mitgliedern beschlossen, die Band aufzulösen. Vor ihrer Auflösung ging die Band im April und Mai 2007 auf Abschiedstournee. Ihr letztes Konzert fand am 25. Mai 2007 in ihrer Heimatstadt Hamburg statt.[4] Distelmeyer kündigte im Juli 2009 den Start einer Solokarriere an, sein Solodebüt Heavy erschien am 25. September 2009.[5] Zum 20-jährigen Jubiläum der Platte L’état et Moi gingen Blumfeld im August/September 2014 in Originalbesetzung auf Tour.[6]

Im Rahmen des Lieblingsplatte-Festivals traten Blumfeld in Originalbesetzung und zusätzlich mit Tobias Levin an der zweiten Gitarre und Daniel Florey am Keyboard und dritter Gitarre am 16. Dezember 2017 in Düsseldorf auf.[7] Am 15. Februar 2018 verkündete die Band, dass Jochen Distelmeyer mit Eike Bohlken, Andre Rattay und Tobias Levin als Gast-Gitarrist 2018 auf eine „Love Riots Revue Tour“ geht.[8] Ob die Band noch einmal neues Material veröffentlicht, wurde nicht bestätigt.[9]

Ihr ursprünglich stark von Gitarrenfeedback geprägter Sound wandelte sich nach einer Umbesetzung der Band Mitte der 1990er Jahre zu einem eher poporientierten Sound. Als musikalischen Einfluss der Anfangsphase gibt Distelmeyer Hip-Hop der 1980er und 1990er an.[10] Später wandte er sich stärker dem Blues zu.[3]

Wichtigstes Merkmal sind die verschachtelten, von Sänger Distelmeyer teilweise in Sprechgesang vorgetragenen deutschen Texte, die in bildhafter Sprache eigene Gefühlswelten mit Gesellschaftskritik verknüpfen. Nicht zuletzt wegen ihrer ausgefeilten Texte wurde Blumfeld lange Zeit als Intellektuellen-Band gesehen, die erst auf den letzten Veröffentlichungen einfachere Botschaften einem breiteren Publikum zugänglich machte.

Die Texte Blumfelds sind geprägt von einer Auseinandersetzung mit der gesellschaftlichen Umwelt. Im Fokus der Texte stehen oft Schwierigkeiten von Paarbeziehungen und der Mensch als Teil einer Konsumgesellschaft. Ängste, Depressionen, Unsicherheit, Orientierungslosigkeit sowie Widerstand und Protest gegen die Gesellschaft und immer wieder die Liebe als zentrales Motiv sind wichtige Begriffe in Distelmeyers Texten. Die häufig düster-melancholische Färbung ihrer Musik ließ Hörer zuweilen eine pessimistische Grundhaltung vermuten.

Zwar war es für Distelmeyer nie eine Frage, die expressiven Texte der Band in einer anderen Sprache als Deutsch zu schreiben. Einem als Vereinnahmung empfundenen Engagement für Projekte wie Quoten für deutschsprachige Musik im Radio oder die gezielte Stärkung eines „neuen deutschen Selbstbewusstseins“ durch deutschsprachige Musik hat sich die Band aber verweigert.[11]

Nach der Auflösung erschien eine Reihe von Würdigungen.[12] So stellte Christof Meueler in der Jungen Welt Blumfeld in eine Reihe der „großen bundesdeutschen Protestbands“ mit Ton Steine Scherben und den Fehlfarben.[13] Die Welt würdigt Blumfeld als „eine der einflussreichsten deutschen Popbands der vergangenen Jahre“, die mit „ihrer kantigen, energischen Musik und den eigensinnigen und politischen Texten“ schnell erfolgreich wurde, sich aber auch nicht in „Schubladen […] pressen lassen“ wollte. Distelmeyer „habe mit Titeln wie „Graue Wolken“, „Diktatur der Angepassten“ oder „Krankheit als Weg“ nach Ansicht vieler Kritiker Kunstwerke [geschaffen], die weit über schnell konsumierte Popsongs hinausgehen.“[14] Ingar Solty bezeichnet Blumfeld im Freitag als die „Linksintellektuellen der Rockmusik in Deutschland“ und bescheinigt Distelmeyer „eine expressionistisch-dichterische Sprache, die in der Popkultur auf Dauer unerreicht bleiben wird“. Die „seichteren Klänge“ auf den Alben Old Nobody und Testament der Angst und die Hinwendung zu einem breiteren Publikum interpretiert Solty so, dass Blumfeld damit „die Verantwortung öffentlichen Denkens“ übernahm und „sich der dialogischen Pädagogik organischer Intellektueller im Sinne Gramscis“ stellten.[15] Bertrand Klimmek meint dazu in der Jungle World, dass Blumfeld eine Ausnahmestellung innehat, weil keine andere Band noch „ernst genommen worden“ wäre, wenn sie „sich auf einmal erlaubt [hätte], Schlager zu spielen“.[16]

Cover des Albums Verbotene Früchte (2006), Kolorierter Kupferstich von Maria Sibylla Merian aus Metamorphosis insectorum Surinamensium (Bildtafel XIII, 1705) zeigt Rote Mombinpflaumen.
Jahr Titel Höchstplatzierung, Gesamtwochen, AuszeichnungChartplatzierungenChartplatzierungen[17]
(Jahr, Titel, Plat­zie­rungen, Wo­chen, Aus­zeich­nungen, Anmer­kungen)
Anmerkungen
 DE  AT  CH
1992 Ich-Maschine
Erstveröffentlichung: Januar 1992
1994 L’état et moi DE98
(3 Wo.)DE
Erstveröffentlichung: August 1994
1999 Old Nobody DE17
(8 Wo.)DE
Erstveröffentlichung: Januar 1999
2001 Testament der Angst DE6
(5 Wo.)DE
AT20
(5 Wo.)AT
Erstveröffentlichung: Mai 2001
2003 Jenseits von Jedem DE7
(6 Wo.)DE
AT18
(4 Wo.)AT
CH80
(1 Wo.)CH
Erstveröffentlichung: August 2003
2006 Verbotene Früchte DE21
(3 Wo.)DE
AT43
(2 Wo.)AT
Erstveröffentlichung: April 2006
  • 2002: Die Welt ist schön (Wiederveröffentlichung der Singles aus den Jahren 1991 und 1992)
  • 2007: Ein Lied mehr – The Anthology Archives Vol. 1 (5 CD-Box, Wiederveröffentlichung plus Bonusmaterial)
Jahr Titel
Album
Höchstplatzierung, Gesamtwochen, AuszeichnungChartplatzierungenChartplatzierungen[17]
(Jahr, Titel, Album, Plat­zie­rungen, Wo­chen, Aus­zeich­nungen, Anmer­kungen)
Anmerkungen
 DE  AT  CH
1999 Tausend Tränen Tief
Old Nobody
DE93
(3 Wo.)DE
Erstveröffentlichung: Februar 1999
2001 Graue Wolken
Testament der Angst
DE59
(8 Wo.)DE
Erstveröffentlichung: April 2001
2003 Wir Sind Frei
Jenseits von Jedem
DE59
(4 Wo.)DE
Erstveröffentlichung: August 2003
2006 Tics
Verbotene Früchte
DE89
(2 Wo.)DE
Erstveröffentlichung: April 2006

Weitere Singles

  • 1991: Ghettowelt
  • 1992: Zeitlupe
  • 1992: Traum:2
  • 1994: Draußen auf Kaution
  • 1995: Verstärker
  • 1999: Status: Quo Vadis
  • 2001: Die Diktatur der Angepassten
  • 2001: Wellen der Liebe
  • 2003: Neuer Morgen
  • 2007: Nackter als Nackt/Live in Berlin. – Konzertfilm, aufgenommen bei einem der Abschiedskonzerte im Berliner Postbahnhof
  • Jörg Metelmann: „Blumfeld. Ein Dispositiv, in Musik gebadet“. In: figurationen 1/2002, S. 29–46. PDF
  • Till Huber: Blumfeld und die Hamburger Schule. Sekundarität – Intertextualität – Diskurspop. V&R unipress, Göttingen 2016. ISBN 978-3-8471-0594-7.
Commons: Blumfeld (band) – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

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  1. Der Schwarze Kanal - Der Endgültige Abschluß Des Erdgasröhrengeschäftes! Abgerufen am 23. Oktober 2020.
  2. Various - Fast Weltweit Präsentiert:. Abgerufen am 23. Oktober 2020.
  3. a b #32 Jochen Distelmeyer und der Flow von Joseph Roth – Das Lesen der Anderen. Abgerufen am 16. Juli 2022 (deutsch).
  4. (bir): Tausend Tränen Tschüs. Die Hamburger Band Blumfeld verabschiedete sich mit zwei Konzerten. In: Hamburger Abendblatt. 26. Mai 2007 (abgerufen am 1. Juli 2007)
  5. www.jochendistelmeyer.de (Memento vom 6. Juni 2012 im Internet Archive) (abgerufen am 1. Juni 2011)
  6. Aurelia Kanetzky: Tourauftakt Blumfeld: Setlist und Videos aus der Kölner Live Music Hall. Rolling Stone, 28. August 2014, abgerufen am 5. Dezember 2014.
  7. Konzertbesuch des Lieblingsplatte-Konzerts am 16. Dezember 2017
  8. Offizielle Website von Blumfeld (Memento des Originals vom 9. Februar 2005 im Internet Archive)  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.blumfeld.de (abgerufen am 15. Februar 2018)
  9. Beitrag im Rollingstone (abgerufen am 15. Februar 2018)
  10. Jochen Distelmeyer: „Manche Leute genießen es, das Falsche zu tun“. Abgerufen am 2. Juli 2022.
  11. Blumfeld: Keine Deutschland-Duselei. In: Musicline.de. Phononet GmbH, archiviert vom Original (nicht mehr online verfügbar) am 16. Juli 2015; abgerufen am 22. Juni 2014.
  12. z. B. folgende drei Würdigungen:
    Edo Reents: Glosse zur Auflösung von Blumfeld. In: FAZ. 25. Januar 2007
    Joachim Frisch: blumfeld löst sich auf und wird zum neuroelektrischen impuls. In: taz. 31. Januar 2007, S. 20
    Ingar Solty: Pasolini-Rolle rückwärts. Ein Nachruf auf Blumfeld. In: Sozialismus. 34. Jahrgang, Heft 3/2007, S. 58f.
  13. Christof Meueler: Sterbefall des Tages: Blumfeld. In: junge Welt. 24. Januar 2007 (abgerufen am 12. April 2007)
  14. Frank Schmiechen, Klaus-Peter Thiemann: Tausend Tränen tief. Blumfeld löst sich auf. In: Die Welt. 24. Januar 2007 (abgerufen am 12. April 2007)
  15. Ingar Solty: Gegen das Behagen in der Unkultur. Blumfeld, die Linksintellektuellen der Rockmusik in Deutschland, haben sich aufgelöst. Ein Nachruf. In: Freitag. 5/2007, 2. Februar 2007 (abgerufen am 12. April 2007)
  16. Bertrand W. Klimmek: Ich-Maschine, Büffel, Gnu. Blumfeld gibt es nicht mehr (Memento vom 6. September 2012 im Webarchiv archive.today). In: Jungle World. 9/2007, 28. Februar 2007 (abgerufen am 12. April 2007)
  17. a b Chartquellen: DE AT CH