Carolin Würfel – Wikipedia

Carolin Würfel (* 18. Mai 1986 in Leipzig), geb. Grundmann, ist eine deutsche Autorin und Journalistin.

Carolin Würfel wuchs in Leipzig auf. Sie ist die Tochter der Leipziger Juristin Constanze Würfel und des Bankangestellten Bernhard Würfel. Ihr leiblicher Vater ist der Jurist und Kunstsammler Stefan Haupt. Ihre Großmutter ist die ehemalige DDR-Journalistin und Auslandskorrespondentin Maxi Haupt.[1]

Nach ihrem Abitur 2005 am Leipziger Robert-Schumann-Gymnasium studierte sie an der Freien Universität Berlin und der Sabancı-Universität in Istanbul Geschichte und Publizistik- und Kommunikationswissenschaft. In ihrer Bachelorarbeit beschäftigte sie sich mit dem Thema Die Grenzen der Kunst in der DDR (1949–1969). Zensur und Selbstzensur in der Literatur.[2] Anschließend studierte sie an der FU Berlin Public History.[3] Das Studium schloss sie im Jahr 2012 mit einem Master of Arts ab.[4]

Seit 2012 ist Würfel als Journalistin tätig. Ihre Texte erschienen unter anderem in Vogue.de, Die Zeit, Zeit Online, Frankfurter Allgemeine Zeitung, Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung, Der Tagesspiegel und Monopol. Seit 2016 arbeitet sie vor allem für die Wochenzeitung Die Zeit und Zeit Online. Ihre journalistischen Schwerpunkte sind Feminismus und Ostdeutschland.[5] Im Januar 2019 veröffentlichte Hanser Berlin Würfels erstes Buch Ingrid Wiener und die Kunst der Befreiung. Wien 1968. Berlin 1972.[6][7] 2020 war sie als Dozentin an der Freien Universität Berlin tätig und unterrichtete journalistisches Schreiben für junge Historiker.[8] 2021 schrieb sie an den Drehbüchern für die Serie Sam – Ein Sachse (Ausstrahlung: 26. April 2023 auf Disney+) mit.[9] Die Serie basiert auf der wahren Geschichte von Samuel Meffire, Ostdeutschlands erstem schwarzen Polizisten. Im September 2022 erschien ihr zweites erzählerisches Sachbuch mit dem Titel Drei Frauen träumten vom Sozialismus.[10]

Würfel lebt in Berlin[11] und ist mit dem Galeristen Alfons Klosterfelde verheiratet, von dem sie in Trennung lebt.[12]

Einem breiteren Publikum wurde Carolin Würfel im November 2017 durch ihren Text Wir wissen es[13] auf Zeit Online bekannt. In dem offenen Brief beschuldigte sie die „Berliner Kulturelite“, sexuelle Belästigung und strukturellen Machtmissbrauch in den eigenen Reihen zu tolerieren. Alex Rühle schrieb in der Süddeutschen Zeitung, ihr Text sei eine Abrechnung. „Aber nicht mit einzelnen Personen, sondern mit einer Kultur der Niedertracht. Und einer Kultur des kollektiven Schweigens. Von Seiten der Männer wie der Frauen.“[14] Jakob Augstein stellte in seiner Spiegel-Kolumne mit dem Titel Rache ist Blutwurst fest: „Würfels Text war auch nicht normal. Er war ein Ruf zu den Waffen. Denn wir brauchen in der Tat eine Revolution. Eine neue sexuelle Revolution. Wie jede Revolution wird auch diese hier nicht ohne Opfer abgehen. Das ist eine Feststellung, keine Rechtfertigung.“[15] Sabine Rückert, die stellvertretende Chefredakteurin der Zeit, äußerte sich ebenfalls und veröffentlichte eine Replik auf Zeit Online, in der sie Würfel vorwarf, Aktivismus statt Journalismus zu betreiben.[16] Der Brief und die darauffolgenden Diskussionen und Reaktionen trugen entscheidend dazu bei, dass die MeToo-Debatte auch die deutsche Kulturszene erreichte.[17][18]

Im September 2018 berichtete Carolin Würfel ausführlich über die Demonstrationen[19] und heftigen Ausschreitungen[20] in Chemnitz und Köthen und ging der Frage nach, wie tief der Rechtsextremismus in den ostdeutschen Bundesländern verwurzelt ist.[21]

Im Dezember 2018 führte sie, im Rahmen der Auseinandersetzungen mit Sexismusvorwürfen[22] an der Stiftung Gedenkstätte Berlin-Hohenschönhausen, exklusiv mit einer der betroffenen Frauen ein Interview.[23]

Im August 2022 veröffentlichte Würfel mit zwei weiteren Autorinnen einen Zeit-Artikel über die ab 2019 gegen den Berliner Galeristen Johann König erhobenen Vorwürfe der sexuellen Belästigung und des Machtmissbrauchs.[24] Königs Anwalt Christian Schertz erwirkte vor dem Landgericht Hamburg eine einstweilige Verfügung (Az. 324 O 397/22) wegen falscher Tatsachenbehauptungen und unzulässiger Verdachtsberichterstattung. Mit dem Urteil des Gerichts wurden Teile der Berichterstattung untersagt[25], die Berichterstattung jedoch grundsätzlich für rechtens erklärt.[26] Die Zeit entfernte und veränderte Passagen des Artikels, der weiterhin online ist.[27] Verschiedene Künstler verließen nach den Vorwürfen Königs Galerie.[28] Sören Kittel warf Würfel in der Berliner Zeitung einen Interessenkonflikt vor, da sie mit einem Konkurrenten Königs verheiratet sei.[29] Bekannt wurde außerdem, dass Würfel vor dem Artikel das Exposé zu einer Fernsehserie geschrieben hatte, die an König angelehnt sein könnte: Sie sollte von einem Galeristen namens Alexander Fürst und einer Kulturjournalistin namens Maxi Rosenthal handeln, die zu dessen angeblichen sexuellen Übergriffen recherchiert.[30] Im Juni 2023 gab die Staatsanwaltschaft Hamburg bekannt, gegen Würfel ein Ermittlungsverfahren wegen des Verdachtes der üblen Nachrede zu führen.[31] Außerdem wandte sich Johann König an den Beschwerdeausschuss des Deutschen Presserats, um die Zeit-Recherche, an der Würfel beteiligt war, aus publizistischer Sicht anzugreifen. Die Beschwerde wurde im März 2024 einstimmig und in allen von König beanstandeten Punkten als unbegründet zurückgewiesen.[32] Es gebe ein berechtigtes öffentliches Interesse an der Information über die gegen König erhobenen Vorwürfe.[33]

  • Ingrid Wiener und die Kunst der Befreiung. Wien 1968. Berlin 1972. Hanser Berlin, Berlin 2019, ISBN 978-3-446-25861-7.
  • Drei Frauen träumten vom Sozialismus. Maxie Wander – Brigitte Reimann – Christa Wolf. Hanser Berlin, Berlin 2022, ISBN 978-3-446-27384-9.

Einzelnachweise

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
  1. Carolin Würfel: Fernsehstars der DDR: Wie du diese Zeit vermisst. In: Die Zeit. 21. Mai 2018, abgerufen am 28. Februar 2021.
  2. Abgeschlossene BA-Arbeiten. (PDF) Ehemals im Original (nicht mehr online verfügbar); abgerufen am 28. Februar 2021.@1@2Vorlage:Toter Link/www.geschkult.fu-berlin.de (Seite nicht mehr abrufbar. Suche in Webarchiven)
  3. Public History Master. 8. April 2009, abgerufen am 28. Februar 2021.
  4. Abschlussarbeiten. 4. Januar 2018, abgerufen am 28. Februar 2021.
  5. Carolin Würfel – Freie Autorin. In: Die Zeit, abgerufen am 28. Februar 2021.
  6. Carolin Würfel. In: Perlentaucher. Abgerufen am 28. Februar 2021.
  7. Ingrid Wiener und die Kunst der Befreiung. Hanser Literaturverlage, abgerufen am 28. Februar 2021.
  8. Vorlesungsverzeichnis. Abgerufen am 4. Juni 2021.
  9. Sara Seemann: Sam – ein Sachse: Weltpremiere in Berlin begeistert Zuschauer:innen. In: UFA. 19. April 2023, abgerufen am 29. Juni 2023.
  10. Drei Frauen träumten vom Sozialismus. In: hanser-literaturverlage.de. 28. September 2023, abgerufen am 29. Juni 2023.
  11. At Home: Alfons Klosterfelde and Carolin Würfel. Abgerufen am 9. Dezember 2022 (amerikanisches Englisch).
  12. Vorwürfe gegen Johann König: Was vom „Zeit“-Artikel übrig bleibt - WELT. Abgerufen am 27. Januar 2023.
  13. Carolin Würfel: Sexismus in der Kulturszene: Wir wissen es. In: Die Zeit. 16. November 2017, abgerufen am 28. Februar 2021.
  14. Alex Rühle: Nein, es wurde noch nicht genug geredet. Abgerufen am 28. Februar 2021.
  15. Jakob Augstein: Debatte um sexuelle Gewalt und Sexismus: Rache ist Blutwurst. In: Der Spiegel. Abgerufen am 28. Februar 2021.
  16. Sabine Rückert: Sexuelle Belästigung: Soll das Journalismus sein? In: Die Zeit. 18. November 2017, abgerufen am 28. Februar 2021.
  17. Süddeutsche Zeitung: Wie sich die „MeToo“-Debatte entwickelt hat. Abgerufen am 28. Februar 2021.
  18. Sexismus in Berlin – Redet endlich darüber! In: Deutsche Welle. 26. November 2017, abgerufen am 28. Februar 2021.
  19. Carolin Würfel: Chemnitz: Jung gegen Alt, Alt gegen Jung. In: Die Zeit. 8. September 2018, abgerufen am 28. Februar 2021.
  20. Carolin Würfel: Köthen: Eine Stadt duckt sich weg. In: Die Zeit. 17. September 2018, abgerufen am 28. Februar 2021.
  21. Carolin Würfel: #wirsindmehr: Hip-Hop gegen die Verzweiflung. In: Die Zeit. 3. September 2018, abgerufen am 28. Februar 2021.
  22. Stasi-Gedenkstätte Hohenschönhausen: Belästigungsvorwürfe gegen Vize-Direktor. In: Der Spiegel. Abgerufen am 28. Februar 2021.
  23. Carolin Würfel: Sexuelle Belästigung: Wie sich die Frauen von Hohenschönhausen gewehrt haben. In: Die Zeit. 18. Dezember 2018, abgerufen am 28. Februar 2021.
  24. Luisa Hommerich, Anne Kunze, Carolin Würfel: Berliner Galerist Johann König: „Ich habe ihn angeschrien und beschimpft, damit er weggeht“. In: Die Zeit. 31. August 2022, abgerufen am 3. September 2022.
  25. Christian Gehrke: Die Zeit verliert vor Gericht gegen Berliner Galeristen Johann König. In: berliner-zeitung.de. 4. November 2022, abgerufen am 30. Juni 2023.
  26. Anton Rainer: Schlappe vor dem Presserat: Galerist Johann König scheitert mit Beschwerde gegen »Zeit«-Recherche. In: Der Spiegel. 15. April 2024, ISSN 2195-1349 (spiegel.de [abgerufen am 16. April 2024]).
  27. Michael Hanfeld: Trotz einstweiliger Verfügung: „Zeit“ bleibt bei MeToo-Vorwürfen gegen den Galeristen Johann König. In: FAZ.NET. ISSN 0174-4909 (faz.net [abgerufen am 6. November 2022]).
  28. Weitere Künstlerinnen und Künstler verlassen König Galerie. In: monopol-magazin.de. Abgerufen am 30. Juni 2023.
  29. Sören Kittel: Der Fall Johann König: Die Zeit hätte diesen Text nicht drucken dürfen. In: berliner-zeitung.de. 25. November 2022, abgerufen am 30. Juni 2023.
  30. Michael Hanfeld: Angebliche sexuelle Übergriffe: Gericht reduziert „Zeit“-Vorwürfe gegen Johann König. In: FAZ.NET. ISSN 0174-4909 (faz.net [abgerufen am 20. Dezember 2022]).
  31. Sören Kittel: Galerist Johann König: Ermittlungen gegen Zeit-Autorin Carolin Würfel wegen übler Nachrede. In: berliner-zeitung.de. 16. Juni 2023, abgerufen am 17. Juni 2023.
  32. Anton Rainer: Schlappe vor dem Presserat: Galerist Johann König scheitert mit Beschwerde gegen »Zeit«-Recherche. In: Der Spiegel. 15. April 2024, ISSN 2195-1349 (spiegel.de [abgerufen am 16. April 2024]).
  33. „Von Bedeutung für die Öffentlichkeit“. In: sueddeutsche.de. 16. April 2024, abgerufen am 16. April 2024.