Collectio canonum des Deusdedit – Wikipedia

Die Collectio canonum des Deusdedit ist eine kanonische Sammlung, die dieser Kardinal im Jahr 1087 fertigstellte. Er widmete sie Papst Viktor III. und dem „ganzen Klerus der römischen Kirche“, d. h. den Kardinaldiakonen und -presbytern.

Quellen, Fassungen, Inhalt

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die Sammlung enthält etwa 1500 Kanones, die auf vier Bücher verteilt sind. Vier Inhaltsverzeichnisse, die nicht exakt den vier Büchern der Sammlung entsprechen, verweisen für eine große Zahl von Überschriften auf jeweils einen oder auch mehrere Kanones. In der Sammlung selbst werden die Überschriften ungewöhnlicherweise nicht wiederholt.

Die Texte stammen aus sehr unterschiedlichen Rechtsquellen. Die meisten Kanones sind Auszüge aus Dekretalen (einschließlich Pseudoisidor). Auffällig viele Texte sind in keiner älteren Sammlung zu finden. Deusdedit hatte Zugriff auf die Archive des Lateran und suchte dort offenbar gezielt nach Rechtstexten und Urkunden. Seine Sammlung enthält viele sonst sehr seltene Kanones, oft in sehr guter Qualität. Für einige Briefe Gelasius’ I., das Vierte Konzil von Konstantinopel (879/880) und mehrere Urkunden zum Besitz der römischen Kirche ist die Sammlung jeweils die früheste und teilweise die einzige Überlieferung. Zu den erstmals bei Deusdedit überlieferten Texten gehört auch Dagome Iudex, eine vieldiskutierte Quelle zur frühen polnischen Staatlichkeit.[1] Für bestimmte Papstbriefe, insbesondere die von Gregor VII., konnte er offensichtlich das (erhaltene) Register mit heute verlorenen Originalen vergleichen.[2] Außerdem zitiert Deusdedit den Liber diurnus in einer sonst unbekannten Fassung. Deusdedit stand im Austausch mit Anselm II. von Lucca und Bonizo von Sutri, deren Sammlungen teilweise die gleichen Quellen nutzten wie er selbst.[3]

Ein besonderes Interesse Deusdedits galt allen Fragen rund um die Rechte und den Besitz der römischen Kirche, der Kardinäle und des Papsttums. Auffällig sind auch die vielen Eidesformeln, die er in seine Sammlung einfügte, z. B. für den Eid, den der päpstliche Elekt vor seiner Weihe ablegen musste. Auch sonst enthält Deusdedits Sammlung viel Material zur Papstwahl. Er lehnte das Papstwahldekret von 1059 scharf ab und fügte stattdessen ältere Bestimmungen zur Papstwahl in seine Sammlung ein, z. B. die Kanones der römischen Synode von 499 und der Lateransynode von 769. Mit seiner Ablehnung des Dekrets von 1059 sprach er vermutlich für viele Kardinalpriester und -diakone.

Hingegen enthält die Sammlung sehr wenig Material zu jenen Rechtsgebieten, die in der Praxis des geistlichen Gerichts besonders wichtig waren, insbesondere das Eherecht; anders als andere kanonische Sammlungen enthält die Collectio canonum auch kein Bußbuch.

Deusdedits Sammlung ist nur in einer mittelalterlichen Handschrift, die nicht der Autograph sein kann, vollständig erhalten (Vat. lat. 3833). Dennoch muss die Sammlung einige Verbreitung gehabt haben, wie Fragmente von Abschriften und vor allem der Einfluss auf spätere Werke aus Italien und weit darüber hinaus zeigen. Mehrere in Italien und im westlichen Mittelmeerraum entstandene und verbreitete kanonische Sammlungen verwendeten Material aus Deusdedits Sammlung. Über die vor 1095 fertiggestellte Collectio Britannica hatte Deusdedits Sammlung indirekt Einfluss auch auf die weit verbreiteten Sammlungen aus dem Umfeld von Ivo von Chartres (Tripartita, Decretum Ivos). In Rom nutzte der Kämmerer Cencius (der spätere Honorius III.) Deusdedits Sammlung für seinen Liber censuum.

Viktor Wolf von Glanvell legte 1905, unmittelbar vor seinem Tod, den ersten Band seiner kritischen Edition vor; der angekündigte zweite Band (zu den Quellen und Vorlagen) ist nie erschienen. Die Ausgabe ist aber bis heute maßgeblich, Deusdedits Sammlung wird nach ihr zitiert. Da Wolf von Glanvell allerdings eine in den Handschriften nicht belegte Kapitelzählung einführte und die handschriftliche nur in Klammern nennt, zitiert man üblicherweise nach Buch, Kapitel (laut Edition) und im Klammern dem Kapitel (laut Handschriften), also z. B. „Deusdedit 1.109 (90) (ed. Wolf von Glanvell 83)“ für das in der Edition als 109., in den Handschriften aber als 90. gezähltes Kapitel des ersten Buchs, das auf Seite 83 der Edition zu finden ist (nämlich JK †320).

  • Pio Martinucci: Deusdedit Presbyteri Cardinalis tituli Apostolorum in Eudoxia Collectio Canonum e codice Vaticano edita. Venedig 1869 (Erster vollständiger Druck, aber unkritisch und fehlerhaft. Digitalisat.)
  • Victor Wolf von Glanvell (Hrsg.): Die Kanonessammlung des Kardinals Deusdedit, I. Die Kanonessammlung selbst. Schöningh, Paderborn 1905. Nachdruck Aalen 1967 (Kritische, bis heute maßgebliche Edition. Digitalisat.)

Übersetzung (des Vorworts)

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
  • Uta-Renate Blumenthal: Reflections on the Influence of the Collectio canonum of Cardinal Deusdedit. In: Bernard d’Alteroche, Florence Demoulin-Auzary, Olivier Descamps, Breandán Ó Buachalla, Franck Roumy (Hrsg.): Mélanges en l’honneur d’Anne Lefebvre-Teillard. Paris 2009, ISBN 978-2-913397-86-6, S. 135–148.
  • Harald ZimmermannDeusdedit. In: Massimiliano Pavan (Hrsg.): Dizionario Biografico degli Italiani (DBI). Band 39: Deodato–DiFalco. Istituto della Enciclopedia Italiana, Rom 1991.
  • Linda Fowler-Magerl: Clavis Canonum: Selected Canon Law Collections Before 1140: Access with Data Processing (= MGH. Hilfsmittel). Hahn, Hannover 2005, ISBN 978-3-7752-1128-4, S. 160–163.
  • Lotte Kéry: Canonical Collections of the Early Middle Ages (ca. 400–1140): A Bibliographical Guide to the Manuscripts and Literature (= History of Medieval Canon Law). Catholic University of America Press, Washington, D.C. 1999, ISBN 0-8132-0918-8, S. 228–233 (google.de [abgerufen am 11. März 2023]).

Einzelnachweise

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
  1. Przemysław Nowak: Recent work on the Dagome iudex in the Collectio Canonum of Cardinal Deusdedit. In: Pavel Otmar Krafl (Hrsg.): Sacri canones editandi. Studies on Medieval Canon Law in Memory of Jiří Kejř (= Ius canonicum medii aevi. Band 1), 2. Auflage Brno 2020, S. 25–39. (academia.edu).
  2. Siehe die Erwähnungen in der kritischen Edition: Das Register Gregors VII., ed. Erich Caspar, 2 Bde. (= MGH. Epp. sel. 2), Weidmann, Berlin 1920. Digitalisat (Bd. 1) Digitalisat (Bd. 2).
  3. Christof Rolker: Bonizo von Sutri, die 'Sammlung in zwei Büchern/acht Teilen' und das Gespenst der gregorianischen Zwischensammlung. In: Bulletin of medieval canon law. Band 35, 2019, S. 55–106doi:10.1353/bmc.2019.0003.