Eigenbedarf (Mietrecht) – Wikipedia

Eigenbedarf ist ein Grund für die Kündigung eines Mietvertrags durch den Vermieter und liegt vor, wenn der Vermieter die (ganze) Mietwohnung für sich selbst oder für eine zu seinem Hausstand gehörende Person oder für einen Familienangehörigen zu Wohnzwecken benötigt.

Für Mietverhältnisse über Wohnraum ist die Kündigung wegen Eigenbedarfes in § 573 Abs. 2 Nr. 2 BGB geregelt, die Kündigungsfrist ergibt sich sodann aus § 573c BGB. Die Möglichkeit der Eigenbedarfskündigung wurde in der Bundesrepublik Deutschland erstmals im Dezember 1974 durch die Einfügung des § 564b BGB a. F. geschaffen.[1] Diese Gesetzesänderung mit dem Titel „Zweites Gesetz über den Kündigungsschutz für Mietverhältnisse über Wohnraum“ wurde mit den Stimmen der sozialliberalen Koalition aus SPD und FDP im Bundestag beschlossen und im Rahmen der Mietrechtsreform 2001 von Rot-Grün in den § 573 BGB verschoben.

Voraussetzungen

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Die Eigenbedarfskündigung kann nur wirksam ausgesprochen werden, wenn zum Zeitpunkt[2] der Kündigung auch ein Eigenbedarf besteht. Ein möglicher Eigenbedarf in der Zukunft (Vorratskündigung) genügt nicht.[3]

Eigenbedarf liegt vor, wenn der Vermieter die Mietwohnung für sich selbst, seine Familienangehörigen oder für eine zu seinem Hausstand gehörende Person, zum Beispiel eine Pflegekraft, oder für einen Familienangehörigen zu Wohnzwecken benötigt. Der Bundesgerichtshof hat in einem Grundsatzurteil vom 10. Juli 2024 klargestellt, dass Familienangehöriger nur ist, wer in Bezug auf die Person des Vermieters ein Zeugnisverweigerungsrecht aus persönlichen Gründen (§ 383 ZPO, § 52 StPO) geltend machen kann. Darunter fallen der (auch ehemalige) Ehegatte, der Verlobte, alle Verwandten in gerader Linie (Eltern, Großeltern, Kinder, Enkel), alle Verwandten in Seitenlinie bis zum dritten Grad (Geschwister, Onkel/Tanten, Nichten/Neffen), alle Verschwägerten in gerader Linie (Schwiegersöhne/töchter und Schwiegereltern) sowie alle Verschwägerten in Seitenlinie bis zum zweiten Grad (Schwager/Schwägerin). Alle weiter entfernten Verwandten sind keine Familienangehörigen im Sinne des Mietrechts.[4]

Eigenbedarf besteht nur, wenn eine der genannten Personen die Wohnung tatsächlich benötigt, um darin zu wohnen. Es können auch andere Interessen verfolgt werden, aber die Wohnnutzung muss im Vordergrund stehen.[5] Das kann auch bei einer Nutzung als Zweit-[6] oder Ferienwohnung[7] der Fall sein. Die Wohnung wird nur benötigt, wenn der ernsthafte Wunsch der Wohnnutzung auf vernünftige und nachvollziehbare Gründe gestützt wird.[8] Ein unbegründeter Wunsch genügt somit nicht, es ist aber auch keine akute Wohnungsnot notwendig. Außerdem muss der Wille zur Nutzung ernsthaft sein[9] und der Vermieter muss sich sicher sein, dass die geplante Wohnnutzung verwirklicht werden kann[10].

Eine Eigenbedarfskündigung ist auch nur wirksam, wenn diese nicht treuwidrig erfolgt. Anerkannte Fälle sind:

  • Die bereits bei Vertragsschluss vorhandene Absicht oder Erwägung wegen Eigenbedarfs zu kündigen, ohne vorher darüber aufzuklären[11]
  • Weit überhöhter Wohnbedarf[12] (z. B. 120 m² für Enkelin und Tochter des Vermieters[13])

Der Vermieter muss das Kündigungsschreiben schriftlich begründen (§ 573 Abs. 3 BGB). Entscheidend ist, dass der Kündigungsgrund identifiziert und von anderen Gründen unterschieden werden kann. Ohne eine solche Begründung ist die Kündigung unwirksam.[14] Welche Tatsachen in der Begründung genau dargelegt werden müssen, kann nicht abstrakt beantwortet werden und wird von den Gerichten unterschiedlich beurteilt.[15]

Kündigungssperrfrist

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Umgewandelte Wohnungen, also Wohnungen, die während der Mietzeit in Eigentumswohnungen umgewandelt wurden, können frühestens drei Jahre nach Erwerb wegen Eigenbedarfs gekündigt werden. Den Bundesländern ist es gemäß § 577a Abs. 2 BGB möglich, Verordnungen zu erlassen, in denen für bestimmte Gebiete diese Sperrfrist auf bis zu zehn Jahre verlängert wird. Erst nach Ablauf der Sperrfrist kann die Eigenbedarfskündigung mit allen Fristen etc. ausgesprochen werden.

In Nordrhein-Westfalen beträgt die Sperrfrist in Köln, Bonn und 16 weiteren Gemeinden fünf Jahre.[16]

In Bayern beträgt die Sperrfrist in den meisten Ballungsgebieten zehn Jahre nach dem Kaufdatum.[17]

In Baden-Württemberg beträgt die Sperrfrist für 89 Städte bzw. Gemeinden des Bundeslandes fünf Jahre laut Landesverordnung vom Juni 2020, unter anderem für Freiburg im Breisgau, Heidelberg, Heilbronn, Karlsruhe, Konstanz, Ludwigsburg, Mannheim, Neckarsulm, Offenburg, Reutlingen, Stuttgart, Tübingen und Ulm.[18]

In Braunschweig, Göttingen, Hannover, und 15 weiteren Gemeinden in Niedersachsen beträgt die Sperrfrist fünf Jahre.[19]

In zahlreichen Gemeinden Hessens existiert eine Sperrfrist von acht Jahren.[20]

In Berlin beträgt die Sperrfrist für das gesamte Stadtgebiet zehn Jahre nach dem Kaufdatum.[21]

In Hamburg beträgt die Sperrfrist zehn Jahre.[22]

Reaktionsmöglichkeiten des Mieters

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Der Mieter kann, sofern ihm eine Kündigung ausgesprochen wird, nach § 574 BGB Widerspruch erheben. Der Widerspruch bewirkt, dass das Mietverhältnis noch eine Zeit lang fortgesetzt wird, sofern die Kündigung eine Härte bedeuten würde, die auch unter Würdigung der berechtigten Interessen des Vermieters nicht zu rechtfertigen ist.

Fällt der Eigenbedarf nach der erklärten Kündigung aber vor Ablauf der Kündigungsfrist weg, muss der Vermieter den Mieter darüber informieren und die Wohnung zur weiteren Miete anbieten.[23] Verstößt der Vermieter gegen diese Pflicht, hat der Mieter einen Anspruch auf Schadensersatz.[24] Kann der Vermieter dem Mieter eine andere vergleichbare Wohnung vermieten, die sich im selben Haus oder in derselben Wohnanlage befindet, muss der Vermieter diese zur Miete anbieten (Anbietpflicht).[25] Auch diese Pflicht besteht bis zum Ablauf der Kündigungsfrist.[26] Die Verletzung dieser Pflicht lässt die Wirksamkeit der Kündigung unberührt und führt auch lediglich zu einem Anspruch auf Schadensersatz des Mieters.[27]

Ansprechpartner für Reaktionsmöglichkeiten des Mieters ist meist der Deutsche Mieterbund oder ein Rechtsanwalt in der jeweiligen Region.

Allgemein ist eine Kündigung wegen Eigenbedarfs in Österreich möglich, wenn eine Wohnung in den Anwendungsbereich des Mietrechtsgesetzes (MRG) fällt. Dann ist eine Kündigung nur aus bestimmten Gründen möglich, beispielsweise, wenn der Mieter den Mietzins nicht bezahlt oder eben auch, wenn der Vermieter selbst die Wohnung benötigt. Ein Vermieter darf gemäß § 30 Abs. 2 Nr. 12 MRG aus wichtigem Grund kündigen, wenn er den Mietgegenstand für sich selbst oder für nahe Angehörige dringend benötigt. Fällt die Wohnung nicht unter das MRG, können Vermieter generell und ohne Angabe von Gründen Mietverträge kündigen.

Ein Eigenbedarf liegt in der Schweiz dann vor, wenn der Vermieter das Mietobjekt für sich, nahe Verwandte oder Verschwägerte beansprucht möchte (Art. 261 Abs. 1 Buchstabe a OR).

Literatur (Auswahl)

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  • Hannes Palmen: Eigenbedarfsähnliche Kündigungsgründe und vermietende Gesellschaften. Ein Beitrag zur Systematik eigenbedarfsähnlicher Kündigungsgründe im Wohnraummietrecht unter besonderer Berücksichtigung von vermietenden Gesellschaften. In: Mannheimer Schriften zum Unternehmensrecht. Nr. 59. Nomos, Baden-Baden 2021, ISBN 978-3-7489-2361-9, doi:10.5771/9783748923619 (nomos-elibrary.de [abgerufen am 2. Juni 2021] Dissertation, Universität Mannheim, 2020).
  • Dominik Regelsberger: Die Eigenbedarfskündigung durch juristische Personen und Personengesellschaften. In: Studien zum Privatrecht. Nr. 73. Mohr Siebeck, Tübingen 2018, ISBN 978-3-16-155962-4, doi:10.1628/978-3-16-155962-4 (mohrsiebeck.com [abgerufen am 2. Juni 2021] Dissertation, Ludwig-Maximilians-Universität München, 2017).

Einzelnachweise

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  1. Bundesgesetzblatt Teil I, Nr. 139 vom 21.12.1974, S. 3603. Abgerufen am 14. Oktober 2019.
  2. Schmidt-Futterer/Börstinghaus, 16. Aufl. 2024, BGB § 573 Rn. 96.
  3. BGH, Urteil vom 23. September 2015, Az. VIII ZR 297/14, abrufbar bei openjur.de.
  4. BGH konkretisiert den Begriff der "Familie": Keine Eigenbedarfskündigung zugunsten eines Cousins - LTO.de
  5. Schmidt-Futterer/Börstinghaus, 16. Aufl. 2024, BGB § 573 Rn. 74.
  6. BGH, Beschluss vom 22. August 2017, Az. VIII ZR 19/17, abrufbar bei openjur.de.
  7. BGH, Beschluss vom 21. August 2018, Az. VIII ZR 186/17, abrufbar bei openjur.de.
  8. BGHZ 103, 91; BGH, Urteil vom 01. Juli 2015, Az. VIII ZR 14/15, abrufbar bei openjur.de.
  9. BGH, Urteil vom 16. Dezember 2009, Az. VIII ZR 313/08, abrufbar bei openjur.de.
  10. AG Berlin-Tempelhof-Kreuzberg, Urteil vom 07.07.2016.
  11. BGH, Urteil vom 04. Februar 2015, Az. VIII ZR 154/14, abrufbar bei openjur.de.
  12. BGH, Urteil vom 04. März 2015, Az. VIII ZR 166/14, abrufbar bei openjur.de.
  13. LG Berlin, Urteil vom 20. Januar 2021, Az. 64 S 50/20, abrufbar bei openjur.de.
  14. BGH, Beschluss vom 09. Februar 2021, Az. VIII ZR 346/19, abrufbar bei openjur.de.
  15. Schmidt-Futterer/Börstinghaus, 16. Aufl. 2024, BGB § 573 Rn. 251.
  16. In diesen Städten und Gemeinden gelten verlängerte Kündigungssperrfristen. Nordrhein-Westfalen. In: dgb.de. Deutscher Gewerkschaftsbund (DGB), 27. Mai 2020, abgerufen am 25. Juni 2022 (Stand: März 2020).
  17. MiSchuV: Verordnung zur Festlegung des Anwendungsbereichs bundesrechtlicher Mieterschutzvorschriften (Mieterschutzverordnung – MiSchuV) Vom 14. Dezember 2021 (GVBl. S. 674) BayRS 400-6-J (§§ 1–2) - Bürgerservice. Abgerufen am 25. Juni 2022.
  18. Landesrecht BW KSpVO BW | Landesnorm Baden-Württemberg | Gesamtausgabe | Verordnung der Landesregierung zur Bestimmung der Gebiete mit verlängerter Kündigungssperrfrist bei Wohnungsumwandlungen in Eigentumswohnungen (Kündigungssperrfristverordnung Baden-Württemberg - KSpVO BW) vom 16. Juni 2020 | gültig von: 01.07.2020 gültig bis: 30.06.2025. Abgerufen am 25. Juni 2022.
  19. Niedersächsische Mieterschutzverordnung. Niedersächsisches Ministerium für Wirtschaft, Verkehr, Bauen und Digitalisierung, abgerufen am 30. Juni 2024.
  20. In diesen Städten und Gemeinden gelten verlängerte Kündigungssperrfristen. Hessen. In: dgb.de. Deutscher Gewerkschaftsbund (DGB), 27. Mai 2020, abgerufen am 25. Juni 2022 (Stand: März 2020).
  21. Verordnung im Sinne des § 577a Absatz 2 Satz 2 des Bürgerlichen Gesetzbuchs über den verlängerten Kündigungsschutz bei Umwandlung einer Mietwohnung in eine Eigentumswohnung (Kündigungsschutzklausel-Verordnung) Vom 13. Juni 2023. In: Berliner Vorschriften- und Rechtsprechungsdatenbank. Abgerufen am 30. Juni 2024.
  22. Verordnung zur Verlängerung der Kündigungsschutzfrist für Wohnraum (Kündigungsschutzfristverordnung) Vom 12. November 2013. In: Landesrecht Hamburg. Abgerufen am 26. Juni 2022.
  23. BGH, Urteil vom 09. November 2005, Az. VIII ZR 339/04, abrufbar bei openjur.de.
  24. Schmidt-Futterer/Börstinghaus, 16. Aufl. 2024, BGB § 573 Rn. 97.
  25. BGH, Urteil vom 09. Juli 2003. Az. VIII ZR 276/02, abrufbar bei openjur.de.
  26. BGH, Urteil vom 04. Juni 2008, Az. VIII ZR 292/07, abrufbar bei openjur.de.
  27. BGH, Urteil vom 14. Dezember 2016, Az. VIII ZR 232/15, abrufbar bei openjur.de.