Erdnahes Objekt – Wikipedia
Erdnahe Objekte (englisch Near-Earth object, NEO) sind Asteroiden, Kometen und große Meteoroiden, deren größte Annäherung an die Sonne (Periheliondistanz) weniger als 1,3 Astronomische Einheiten (AE) beträgt[1]. Die Umlaufbahn erdnaher Objekte bringt diese somit in die Nähe der Erde. Um dieser Gefahr begegnen zu können, sind genaue Kenntnisse über solche Objekte notwendig.
Klassifikation erdnaher Objekte
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Nach Art und Größe unterteilt man die erdnahen Objekte in:[2]
Meteoroiden sind größer als der interplanetare Staub, aber kleiner als Asteroiden, wobei es aber weder von der Größe noch von der Zusammensetzung her eine eindeutige und einheitliche Grenze zwischen den beiden Objektarten gibt.
Die Asteroiden und Meteoroiden zählen zusammen mit den Kometen zu den Kleinkörpern des Sonnensystems.
Himmelsüberwachung
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Nach dem Einschlag des Kometen Shoemaker-Levy 9 1994 auf Jupiter erhielt die NASA 1998 vom amerikanischen Kongress den Auftrag, 90 % derjenigen Erdbahnkreuzer zu katalogisieren, die mehr als 1 km Durchmesser aufweisen.[3] Dies soll durch spezielle Programme zur Himmelsüberwachung, wie z. B. LINEAR, LONEOS, NEAT, CSS, CINEOS, Spacewatch oder ADAS, erreicht werden.[4] Der Einschlag eines Asteroiden oder Kometen dieser Größenordnung könnte ein Areal von der Größe Frankreichs zerstören[3] und hätte auch globale Auswirkungen.[5] Das größte bekannte erdnahe Objekt – mit einem Durchmesser von etwa 31 km – ist (1036) Ganymed.
Im Jahr 2005 wurde der Auftrag an die NASA dahingehend erweitert, bis zum Jahr 2020 Instrumente und Suchprogramme zu schaffen, die es ermöglichen, erdnahe Objekte ab einer Größe von 140 m zu entdecken.[6] Objekte dieser Größenordnung könnten beim Einschlag z. B. die Region Washington DC zerstören.[3] Nach der zweiten, nicht mehr kryogenen Beobachtungsphase des Wide-Field Infrared Survey Explorers, die Anfang 2011 endete, extrapolierten die Forscher, dass das 90-%-Soll im Größenbereich über 1 km bereits übererfüllt sei, dass aber noch rund 80 % der NEOs über 100 m zu entdecken seien (von wahrscheinlich rund 20.000 waren 5.200 entdeckt).[7] Anfang 2018[veraltet] waren es mehr als 8.000 (> 140 m)[8] von wahrscheinlich 30.000.[9]
Mit dem empfindlicheren Large Synoptic Survey Telescope wird es innerhalb weniger Jahre gelingen, auch in diesem Bereich fast 90 % zu entdecken.[10]
Risikoabschätzung
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Es gibt zwei Einteilungen zur Klassifizierung des Einschlagsrisikos:
- die einfache Turiner Skala
- die komplexere Palermoskala
Turiner Skala
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]2003 wurde für die beiden erdnahen Asteroiden (143649) 2003 QQ47 und (433953) 1997 XR2 ein Risiko größer Null festgestellt, beide sind in die Gefahrenstufe 1 eingeordnet. Nach genauen Bahnmessungen im Jahr 2005 wurde dem Objekt (99942) Apophis (2004 MN4) als erstem eine Risikostufe größer als 1 zugewiesen, kurzfristig war der Asteroid sogar in die Stufe 4 eingeordnet worden. Zwischen Februar und Mai 2006 wurde (144898) 2004 VD17 auf der Turiner Skala mit 2 eingestuft, er war damit erst der zweite Asteroid, der einen Wert von über 1 auf dieser Skala erreichte.
Palermo-Skala
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Bisher ist ein erdnahes Objekt mit einem Risiko größer null bekannt; für (29075) 1950 DA wird eine enge Begegnung im Jahr 2880 vorhergesagt. Sollte es zu einem Einschlag dieses Objekts kommen, könnte ein Massensterben die Folge sein, bei dem die meisten Lebensformen auf der Erde ausgelöscht würden. Für (99942) Apophis erreichte 2005 die Risikobewertung des Einschlags auf der Palermo-Skala für kurze Zeit den Wert 1,80.
Annäherungen
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- Das Objekt mit dem bisher knappsten bekannten Vorbeiflug – 3.600 km Höhe – ist 2023 BU mit etwa 3–8 Meter Durchmesser. Es passierte die Erde am 27. Januar 2023.[11]
- Den zweitnähesten bekannten Vorbeiflug – in 6.500 km Abstand – hatte 2004 FU162 mit etwa 6 m Durchmesser. Es konnte am 31. März 2004 für 44 Minuten durch LINEAR beobachtet werden und wurde durch die Erde um 20° abgelenkt.
- Am 27. Juni 2011 näherte sich 2011 MD der Erde mit einem Abstand von rund 12.000 km. Der Asteroid hat einen Durchmesser von etwa 10 m, wurde fünf Tage zuvor durch LINEAR entdeckt und konnte nach dem Vorbeiflug noch sechs Tage lang beobachtet werden.
- Am 8. November 2011 passierte der etwa 400 m große Asteroid (308635) 2005 YU55 die Erde in etwa 0,85-facher Monddistanz (325.000 km) und erreichte dabei eine scheinbare Helligkeit von 11 mag, sodass er mit Instrumenten ab 80 mm Öffnung beobachtet werden konnte.
- Am 15. Februar 2013 passierte der etwa 46 m große (367943) Duende die Erde in einer Entfernung von etwa 28.000 km.
- Am 13. April 2029 wird der 325 m große (99942) Apophis die Erde in einer Entfernung von etwa 30.000 km passieren.
Erster vorausberechneter Meteor
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- Am 6. Oktober 2008 wurde 2008 TC3 entdeckt, als er sich noch außerhalb der Mondbahn befand. Das Objekt explodierte etwa 20 Stunden später in der Stratosphäre.
Liste potentiell gefährlicher Objekte
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Sonstiges
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Viele erdnahe Objekte enthalten Metalle in hoher Konzentration, wie z. B. Platin und Metalle der Seltenen Erden, die in Zukunft für die Rohstoffgewinnung von Bedeutung sein könnten.[12][13] Um diese Ressourcen in Zukunft abzubauen, gibt es theoretische Überlegungen für Asteroidenbergbau.
Siehe auch
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- Erdnaher Asteroid
- Liste der Asteroiden
- Liste der erdnahen Asteroiden
- Orbit@home
- B612 Foundation
- Planetare Verteidigung
- Tunguska-Ereignis
- Bahnkreuzer
Literatur
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- Donald K. Yeomans: Near-earth objects – finding them before they find us. Princeton Univ. Press, Princeton 2013, ISBN 978-0-691-14929-5.
- Andrea Milani: Near earth objects, our celestial neighbors – opportunity and risk. Cambridge Univ. Press, Cambridge 2007, ISBN 978-0-521-86345-2.
- John L. Remo: Near-earth objects – the United Nations international conference. New York Acad. of Sciences, New York 1997, ISBN 1-57331-041-7.
- Dale P. Cruikshank et al.: Determining the Physical Properties of Near-Earth Objects. ( vom 8. Februar 2012 im Internet Archive) (PDF; 315 kB; 9 S.) 2007 Planetary Defense Conference, März 2007, George Washington University, abgerufen am 10. Oktober 2009.
- Space Mission Priorities for Near-Earth Object Risk Assessment and Reduction. (PDF; 63 S.) ESA Near-Earth Object Mission Advisory Panel, 2004, abgerufen am 12. Oktober 2009.
- Near-Earth Object Surveys and Hazard Mitigation Strategies – Interim Report Executive Summary 08/2009. (PDF; 378 kB) National Research Council, ISBN 978-0-309-14361-5, abgerufen am 13. August 2009.
Weblinks
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- NEO Research Center NEORC - NEO Research Center Germany (deutsch)
- Center for Near Earth Object Studies cneos.jpl.nasa.gov (englisch)
- The Spaceguard Central Node (englisch)
- Table of next close approaches to the Earth. TECA Sormano Astronomical Observatory (englisch)
- Small Asteroid Encounter List. SAEL Sormano Astronomical Observatory (englisch)
- A History of Near-Earth Objects Research nasa.gov
Einzelnachweise
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- ↑ NEO Basics. Abgerufen am 11. Mai 2021.
- ↑ NEO GROUPS neo.jpl.nasa.gov (abgerufen am 2. September 2010)
- ↑ a b c Tad Friend: Vermin of the Sky. In: The New Yorker, 28. Februar 2011, S. 22–29.
- ↑ Asiago DLR Asteroid Survey (ADAS). ( vom 21. August 2011 im Internet Archive) jpl.nasa.gov, abgerufen am 16. Juli 2011.
- ↑ Speech by Gen. Simon Worden: Military Perspectives on the Near-Earth Object (NEO) Threat. ( des vom 12. Oktober 2009) Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis. spaceref.com, abgerufen am 19. Juli 2011.
- ↑ The Threat to Earth from Asteroids & Comets. ( vom 29. Dezember 2008 im Internet Archive) pan-starrs.ifa.hawaii.edu, abgerufen am 26. Juli 2011.
- ↑ Amy Mainzer, et al.: NEOWISE observations of near-Earth objects: Preliminary results. In: The Astrophysical Journal. 743. Jahrgang, 2011, doi:10.1088/0004-637X/743/2/156, arxiv:1109.6400.
- ↑ Cumulative Totals: Near-Earth Asteroids Discovered. In: cneos.jpl.nasa.gov. Jet Propulsion Laboratory, abgerufen am 2. November 2017 (englisch).
- ↑ Eva Schunová-Lilly, et al.: The size-frequency distribution of H > 13 NEOs and ARM target candidates detected by Pan-STARRS1. In: Icarus. 284. Jahrgang, 2017, doi:10.1016/j.icarus.2016.11.010, arxiv:1611.03095.
- ↑ R. Lynne Jones, et al.: The Large Synoptic Survey Telescope as a Near-Earth Object Discovery Machine. In: Icarus. accepted. Jahrgang, 2017, arxiv:1711.10621.
- ↑ Lars Fischer: 2023 BU: Asteroid kommt der Erde näher als Satelliten. In: spektrum.de. 26. Januar 2023, abgerufen am 4. Februar 2023.
- ↑ Near-Earth Objects As Future Resources neo.jpl.nasa.gov; Part III: Near-Earth Objects – Resources of Near-Earth Space ( vom 14. März 2018 im Internet Archive) nss.org; The Role of Near-Earth Asteroids in Long-Term Platinum Supply. ( vom 12. Dezember 2011 im Internet Archive) (PDF; 73 kB) nss.org; abgerufen am 1. März 2011
- ↑ John S. Lewis: Mining the sky – untold riches from the asteroids, comets, and planets. Addison-Wesley, Reading 1997, ISBN 0-201-32819-4