Guillaume-François Rouelle – Wikipedia

Guillaume-François Rouelle

Guillaume-François Rouelle (* 15. September 1703 in Mathieu; † 3. August 1770 in Passy) war ein französischer Chemiker.

Der Sohn des Jacques Rouelle und dessen Frau Marie Bougon[1] war in gutgestellten ländlichen Familienverhältnissen aufgewachsen und soll bereits in frühster Kindheit eine große Neugierde entwickelt haben. Diese Neugierde weckte in ihm den Drang, sich ständig weiterzuentwickeln. Sein jüngerer Bruder war Hilaire-Marin Rouelle und ebenfalls Chemiker. Nach einer Ausbildung am Collège du Bois in Caen begann er anschließend ein Studium an der Universität Caen. Hier hatte er sich an der medizinischen Fakultät vor allem der Chemie gewidmet.

Seine Studien setzte er in Paris fort. Er trat 1730 in das frühere Labor von Nicolas Lémery ein und arbeitete unter dem aus Deutschland stammenden Apotheker Johann Gottlob Spitzley (1690–1750).[2] Das Laboratorium lag in der Rue Saint-André-des-Arts. Hier war er sieben Jahre tätig.

Später, ab dem Jahre 1737, ließ er sich als Apotheker nieder und richtete sich ein eigenes Forschungslaboratorium am Place Maubert ein. Durch seine Versuche und Vorträge hatte er sich solches Ansehen erworben[3], dass er u. a. durch die Empfehlung von Georges-Louis Leclerc de Buffon 1743 zum Demonstrator, démonstrateur für Chemie im Jardin du Roi ernannt wurde.[4] Nach dem Tode des Chemikers Gilles-François Boulduc (1675–1741) war diese Position vakant.

Dort im Jardin des Plantes wurde ein genauer Unterschied zwischen Lehrenden, im Sinne des eigentlich „Vorlesenden“, so durch den Professor Louis-Claude Bourdelin (1696–1777)[5], und dem Demonstrierenden, im Sinne des „Zeigenden“, durch eben Guillaume-François Rouelle, getroffen oder institutionalisiert. In einem Bericht aus der Correspondance littéraire vom August 1770 wurde dieser Sachverhalt wiedergegeben; hatte Louis-Claude Bourdelin seine Vorlesung beendet, so schloss er mit der Wendung:

„[…] Comme monsieur le démonstrateur va vous le prouver par ses expériences[…]“

„[…] Comme monsieur...Wie Ihnen der Herr Demonstrator durch seine Experimente beweisen wird.“

Wolf Lepenies: Das Ende der Naturgeschichte 1978)[6]

Hingegen eröffnete Rouelle seine Demonstration bzw. Experimente mit folgenden Worten:

„[…] Messieurs, tout ce que monsieur le professeur vient de vous dire est absurde et faux, comme je vais vous le prouver.[…]“

„[…] Meine Herren, alles was der Herr Professor gesagt hat, ist absurd und falsch, wie ich es Ihnen sogleich beweisen werde.“

Wolf Lepenies: Das Ende der Naturgeschichte 1978)[6]

Seine Kurse, Demonstrationen und Vorträge[7] wurden von zahlreichen Mitgliedern der intellektuellen Elite besucht, darunter Denis Diderot, Paul Henri Thiry d’Holbach[8], Antoine Laurent de Lavoisier und Antoine Parmentier. Am 6. Mai 1744 wurde Rouelle in die Académie royale des sciences zum Chemie-Adjunkten, adjoint-chimiste berufen, dessen assoziiertes Mitglied er dann ab dem Jahre 1752 wurde. Das Jahr 1746 war mit einem Umzug seines Laboratoriums in die Rue Jacob, an der Ecke der Rue des Deux-Anges verbunden, wo er seine bisherigen Tätigkeiten fortsetzte. Auch stellte er einen Antrag zur Aufnahme in die Gemeinschaft der Apotheker von Paris, communauté des apothicaires de Paris. Er lehnte die Position des ersten Apothekers, premier apothicaire von Ludwig XV. ab, stattdessen übernahm er die Aufgabe des Generalinspekteurs der Pharmazie, inspecteur général de la pharmacie am Hôtel-Dieu.[9] Rouelle war mit Anne Mondon verheiratet, sie hatten insgesamt zwölf Kinder. Ihre Tochter Françoise-Julie Rouelle (ca. 1752–1788) heiratete 1771 den Chemiker Jean Darcet (1724–1801).[10]

1768 legte er seinen Lehrstuhl nieder. Er war unter anderem Mitglied der Akademie gemeinnütziger Wissenschaften zu Erfurt und der Königlich Schwedischen Akademie der Wissenschaften.

Rouelle ist als Wegbereiter der modernen Chemie in Frankreich anzusehen. Durch seine Vorlesungen bildete er die besten Chemiker, die in Frankreich am Ende des 18. Jahrhunderts wirkten, aus. So war zum Beispiel Antoine Laurent de Lavoisier[11] ab 1761 einer seiner Schüler. Aber auch Denis Diderot hörte in der Zeit von 1754 bis 1757 regelmäßig seine Vorlesungen im Jardin du Roi.[12][13] Ein weiterer Enzyklopädist Paul Henri Thiry d’Holbach setzte sich fast zur gleichen Zeit mit den Inhalten seiner Vorlesungen und der Chemie auseinander.

Durch die Destillation von Zinnchlorid und Weingeist entdeckte er 1759 den leichten Salzäther (Chlorwasserstoffäther), untersuchte weinsteinsaure Salze und die Auswirkungen der Schwefelsäure (H2SO4) auf Fette und ätherische Öle. Durch seine Forschungen konnte er den Begriff des Salzes exakter definieren, wobei er diese in neutrale, saure und basische Salze unterteilte. Er benutzte bereits 1754 den Begriff Base als Gegensatz von Säure.

Er entwickelte eine allgemeine Theorie der Salze[14], dafür teilte er die neutralen Salze in zwei große Klassen ein, in Abhängigkeit von den verschiedenen Mengen an Wasser, welches nötig war um sie in Lösung zu bringen. Diese Hauptklassen wurden nun weiter unterteilt; später kamen weitere Methoden zur Einteilung etwa der Form der Kristalle, die Art und Weise ihrer Bildung u. a. m. hinzu. Letztlich mündete das Schema in zwei Hauptklassen, unterteilt in sechs Unterklassen und in dann nach den Säure- und Baseresten, welche sie jeweils enthielten.[15]

Rouelle war ein Anhänger der Phlogistontheorie von Georg Ernst Stahl, dessen Überlegungen er teilte.[16] Dennoch erfährt der Phlogiston-Begriff von Stahl und Johann Juncker durch Rouelle eine Neubewertung.[17] Für Rouelle war das Phlogiston einzig ein „Feuerstoff“ und nicht wie in der Betrachtung von Stahl ein Aspekt der „Erde“ oder des „irdenen“ der terra pinguis oder fettige Erde, sie entsprach der öligen Flüssigkeit der Alchemisten, die den Substanzen ölige, schweflige und brennbare Eigenschaft verliehe.

Schriften (Auswahl)

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  • Memoire sur les Sels neutres, Dans lequel on propose une division méthodique de ces Sels, qui facilite les moyens pour parvenir à la théorie de leur crystallisation. In: Histoire de l’Acadêmie Royale des Sciences. Paris 1744, S. 353–364 (online).
  • Sur le Sel marin (Premiere partie.) De la crystallisation du Sel marin. In: Histoire de l’Acadêmie Royale des Sciences. Paris 1745, S. 57–79 (online).
  • Sur L’inflammation de l’huile de Térébinthine, par l’acide nitreux pur, suivant le procédé de Borrichius; Et sur l’inflammation de plusieurs huiles essentielles, & par expression avec le méme acide, & conjointement avec l’acide vitriolique. In: Histoire de l’Acadêmie Royale des Sciences. Paris 1747, S. 34–56 (online).
  • Sur les Embaumemens des Egyptiens, Premier Mémoire, Dans lequel on fait voir que les fondemens de l’art des Embaumemens égyptiens sont en partie contenus dans la description, qu'en a donné Hérodote, & où l’on détermine quelles sont matières qu’on employoit dans ces Embaumemens. In: Histoire de l’Acadêmie Royale des Sciences. Paris 1750, S. 123–150 (online).
  • Mémoire sur les Sels neutres, Dans lequel on fait connoitre deux nouvelles classes de Sels neutres, & l’on développe le phénomène singulier de l’excès d’acide dans ces sels. In: Histoire de l’Académie Royale des Sciences. Paris 1754, S. 572–588 (online).
  • Paul-Antoine Cap: Éloge de M. Rouelle. In: Histoire de l’Acadêmie Royale des Sciences. Paris 1770, S. 137–149 (Digitalisat in der Google-Buchsuche).
  • Rémi Franckowiak: Les sels neutres de Guillaume-François Rouelle / The neutral salts of Guillaume-François Rouelle. In: Revue d’histoire des sciences. Bd. 55 (2002), H. 4, S. 493–532, doi:10.3406/rhs.2002.2163 (freier Volltext).
  • Rémi Franckowiak: Rouelle, un vrai-faux anti-newtonien. In: Archives internationales d’histoire des sciences. Bd. 53 (2003), H. 150/151 (2003), S. 240–255.
  • Michaela Hörmann: Der Ausbau der Chemie-Terminologie in Frankreich im 18. Jahrhundert. Diplomica, Hamburg 1995, ISBN 3-8386-0210-2
  • Jean Mayer: Portrait d’un chimiste: Guillaume-Frangois Rouelle (1703–1770). In: Revue d’histoire des sciences et de leurs applications. Bd. 23 (1970), H. 4, S. 305–332, doi:10.3406/rhs.1970.3162 (freier Volltext).
  • Rhoda Rappaport: G.-F. Rouelle: An Eighteenth-Century Chemist and Teacher. In: Chymia. Bd. 6 (1960), S. 68–101, doi:10.2307/27757193, JSTOR:27757193.
  • Rhoda Rappaport: Rouelle and Stahl – The Phlogistic Revolution in France. In: Chymia. Bd. 7 (1961), S. 73–102, doi:10.2307/27757206, JSTOR:27757206.
  • Rhoda Rappaport: Rouelle, Guillaume-François. In: Complete Dictionary of Scientific Biography. Band 11, Charles Scribner’s Sons, Detroit 2008, S. 562–564 (online).
  • Elizabeth A. Williams: A Cultural History of Medical Vitalism in Enlightenment Montpellier (The History of Medicine in Context). Ashgate Publishing Limited Hants UK 2003, ISBN 0-7546-0881-6, S. 119 ff.
Commons: Guillaume-François Rouelle – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

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  1. Histoire de l’Académie royale des sciences. Didot frères, fils et cie, (1773) Éloge de Guillaume-François Rouelle par Grandjean de Fouchy (PDF; 724 kB).
  2. Jaime Wisniak: Nicolas Lémery. In: Revista CENIC Ciencias Químicas. Band 36, Nummer 2, 2005, S. 125 (PDF).
  3. Pierre Lemay: Les cours de Guillaume-François Rouelle. In: Revue d’histoire de la pharmacie. Band 37, Nummer 123, 1949, S. 434–442, doi:10.3406/pharm.1949.10949 (freier Volltext).
  4. Kim, Mi Gyung: Affinity, that elusive dream. A Genealogy of the chemical Revolution. Cambridge Massachusetts, London England, Massachusetts Institute of Technology (2003) ISBN 0-262-11273-6, S. 161–218
  5. Ursula Klein: Verbindung und Affinität: Die Grundlegung der neuzeitlichen Chemie an der Wende vom 17. zum 18. Jahrhundert. Birkhäuser Verlag (1994) ISBN 3-7643-5003-2 S. 191
  6. a b Wolf Lepenies: Das Ende der Naturgeschichte. Suhrkamp-Verlag, Frankfurt am Main (1978) ISBN 3-518-07827-5, S. 31
  7. Jean Gaudant: Guillaume-François Rouelle (1703–1770), précurseur d’un enseignement géologique en France. Comptes Rendus Palevol, (Band 3 Nummer 1) S. 85–98 (2004) doi:10.1016/j.crpv.2003.10.004
  8. Elizabeth A. Williams: A Cultural History of Medical Vitalism in Enlightenment Montpellier (The History of Medicine in Context). Ashgate Publishing Limited Hants UK (2003) ISBN 0-7546-0881-6, S. 119 ff.
  9. Christian Warolin: Extrait du Dictionnaire d’Histoire de la Pharmacie. Editions Pharmathèmes, Ouvrage Collectif sous la Direction de O. Lafont, 2003, rubrique Rouelle, p 363, (avec l’autorisation de l’éditeur) eine Biographie der Société d’Histoire de la Pharmacie von Christian Warolin
  10. Genealogie der Familie Darcet (franz.)
  11. Beretta, Marco: Rinman, Diderot, and Lavoisier: New Evidence Regarding Guillaume François Rouelle's Private Laboratory and Chemistry Course. Nuncius, Volume 26, Number 2, 2011, S. 355–379(25) doi:10.1163/182539111X596667
  12. Williams, Elizabeth A.: A Cultural History of Medical Vitalism in Enlightenment Montpellier (The History of Medicine in Context). Ashgate Publishing Limited Hants UK (2003) ISBN 0-7546-0881-6, S. 119 ff
  13. Beretta, Marco: Rinman, Diderot, and Lavoisier: New Evidence Regarding Guillaume François Rouelle's Private Laboratory and Chemistry Course. Nuncius, Volume 26, Number 2, 2011, pp. 355-379(25) doi:10.1163/182539111X596667
  14. Kim, Mi Gyung: Affinity, that elusive dream. A Genealogy of the chemical Revolution. Cambridge Massachusetts, London England, Massachusetts Institute of Technology (2003) ISBN 0-262-11273-6, S. 191–192
  15. Guillaume-François Rouelle: Mémoire sur les sels neutres, dans lequel on fait connoître deux nouvelles classes de sels neutres, & l´on dévelope le phénomème singulier de l´excès d´acide dans ces sels. Mémoires (1754) S. 572–588
  16. Martin Fichman: French Stahlism and Chemical Studies of Air, 1750–1770. In: Ambix. Band 18, Nr. 2, 1971, S. 94–122, doi:10.1179/amb.1971.18.2.94.
  17. Ströker, Elisabeth: Theoriewandel in der Wissenschaftsgeschichte. Vittorio Klostermann, Frankfurt am Main (1982) ISBN 3-465-01496-0, S. 144 ff