Hilde Mangold – Wikipedia

Hilde Mangold (* 20. Oktober 1898 in Gotha als Hilde Pröscholdt; † 4. September 1924 in Berlin) war eine deutsche Biologin und Embryologin, die die entscheidenden Experimente auf dem Weg zur Entdeckung des Spemann-Organisators (auch Spemann-Mangold-Organisator) durchführte und damit wegweisend für die Entwicklung der Embryologie wurde.[1]

Abbildung aus Mangolds Dissertation
Grabstein von Hilde Mangold auf dem Hauptfriedhof Gotha

Kindheit und Jugend

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Hilde Pröscholdt war die mittlere Tochter von Gertrude und Ernst Pröscholdt. Sie hatte zwei Schwestern.[2] Der Vater war vom Porzellanmaler zum Angestellten einer Seifenfabrik geworden und heiratete die Tochter des Besitzers. Die Familie lebte in guten Verhältnissen. Hildes Mutter war kulturell und politisch aktiv und setzte sich für die Verteidigung von Frauenrechten ein. Im Geist des deutschen Bildungsbürgertums erhielt Hilde eine sehr gute Schulbildung. Im Alter von 16 Jahren schickten ihre Eltern sie an das Gymnasium Ernestinum Gotha, damals eine Ausnahme für Mädchen.

Studium und Werk

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Nach dem Abitur 1918 studierte Hilde Pröscholdt Chemie an der Universität Jena und ab 1919 Zoologie bei Otto zur Strassen an der Universität Frankfurt am Main. Dort hörte sie eine Vorlesung des Embryologen Hans Spemann über experimentelle Embryologie, der sie überzeugte, selber in dieser Richtung zu arbeiten. 1920 wechselte sie für ihre Promotion an das Zoologische Institut der Universität Freiburg in Spemanns Gruppe. Dessen Laborassistent, der Zoologe Otto Mangold, wurde 1921 ihr Ehemann.[3]

In der Gruppe von Spemann führte Hilde Mangold bis 1922 im Rahmen ihres Promotionsvorhabens die entscheidenden Experimente an Embryonen durch, die später zur Verleihung des Nobelpreises an Spemann führten. Sie entdeckte den sogenannten Spemann-Organisator, ein zelluläres Organisationszentrum für die Achsenbildung während der Vertebratenentwicklung. Im Februar 1924 wurde Hilde Mangold mit der Arbeit Über Induktion von Embryonalanlagen durch Implantation artfremder Organisatoren[4] in Zoologie promoviert. Spemann fügte gegen den Willen Mangolds seinen Namen als Autor der Dissertation zu ihrem hinzu. Die Entdeckung des Organisators wurde 1924 von Spemann und Mangold veröffentlicht. Spemann erhielt dafür 1935 den Medizin-Nobelpreis. Mangolds Leistung wurde bei der Preisvergabe nicht berücksichtigt, da Nobelpreise grundsätzlich nicht an Verstorbene vergeben werden.[5]

Im Dezember 1923 gebar Hilde Mangold ihren Sohn Christian. 1924 zog sie mit ihrem Mann nach Berlin und starb im September desselben Jahres bei einem schweren Brandunfall im Haus ihrer Schwiegereltern.[6][5] Den Einfluss, den ihre Arbeit auf die Entwicklung der Embryologie haben sollte, erlebte sie nicht mehr, ebenso wenig wie die Veröffentlichung der Publikation. Sie fand ihre letzte Ruhestätte auf dem Hauptfriedhof Gotha. Dort steht ihr Grabstein auf dem Familiengrab ihrer Eltern Ernst (1864–1945) und Gertrud Pröscholdt, geb. Blödner (1872–1959).

Die US-amerikanische Gesellschaft für Entwicklungsbiologie gründete zu Ehren Hilde Mangolds das Hilde Mangold Symposium, um während ihrer Jahrestagung herausragende Arbeiten auf dem Gebiet der Entwicklungsbiologie zu würdigen.[7]

Foto des Straßenschilds in der Hilde-Mangold-Straße mit Erörterung darunter: Diese Straße war von 1931 bis 2018 nach dem Mediziner Alfred Hegar benannt – einem wichtigen Vertreter des Sozialdarwinismus. Die Umbenennung erfolgte aufgrund seiner Befürwortung und Verbreitung einer negativen rassehygienisch begründeten Erbgesundheitslehre.
Straßenschild im Freiburger Stadtteil Stühlinger

2018 wurde in Freiburg im Breisgau eine Straße nach Hilde Mangold benannt, die zuvor den Namen Hegarstraße trug.[8][9] 2021 wurde in Freiburg das Forschungsgebäude des Exzellenzclusters CIBSS – Centre for Integrative Biological Signalling Studies – an der Universität Freiburg in der Habsburgerstraße 49 in Hilde-Mangold-Haus umbenannt.[10]

  • Peter E. Faessler: Hilde Mangold (1898–1924). Ihr Beitrag zur Entdeckung des Organisatoreffekts im Molchembryo. In: Biologie in unserer Zeit. Bd. 24, Heft 6, 1994, S. 323–329.
  • Hans Spemann, Hilde Mangold: Über Induktion von Embryonalanlagen durch Implantation artfremder Organisatoren. In: Archiv für mikroskopische Anatomie und Entwicklungsmechanik. Bd. 100, 1924, S. 599–638.
  • Peter E. Fässler, Klaus Sander: Hilde Mangold (1898–1924) and Spemann's organizer: achievement and tragedy. In: Wilhelm Roux's archives of developmental biology. Bd. 205, 1996, S. 323–332.
  • Klaus Sander, Peter E. Fässler: Introducing the Spemann-Mangold organizer: experiments and insights that generated a key concept in developmental biology. In: The international journal of developmental biology. Bd. 45, 2001, S. 1–11.
  • Klaus Sander: Der Organisatoreffekt – das Paradigma der klassischen Entwicklungsbiologie: Hans Spemann (1869–1941) und Hilde Mangold (1898–1924). In: Bernd Martin: 550 Jahre Albert-Ludwigs-Universität Freiburg. Bd. 4: Christoph Rüchardt (Hrsg.): Wegweisende naturwissenschaftliche und medizinische Forschung. Alber, Freiburg u. a. 2007, ISBN 978-3-495-48254-4, S. 255–259.
  • Hilde Mangold in Gotha von 1898 bis 1918. In: Moderne und Provinz. Weimarer Republik in Thüringen 1918–1933. Mitteldeutscher Verlag, Halle 2022, ISBN 978-3-96311-627-8, S. 59f.
Commons: Hilde Mangold – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

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  1. Journal Article Hilde Mangold, Co-Discoverer of the Organizer Viktor Hamburger Vol. 17, No. 1 (Spring, 1984), S. 1–11. Published by: Springer JSTOR:4330877 Page Count: 11
  2. Hilde Mangold (1898–1924) | The Embryo Project Encyclopedia. Abgerufen am 7. März 2019.
  3. Allgemeiner Anzeiger vom 28. Mai 2019.
  4. Hilde Mangold: Promotionsschrift Hilde Mangold. Abgerufen am 7. März 2019.
  5. a b Johan Van Robays: Hilde Mangold-Pröscholdt (1898–1924): The Spemann-Mangold Organizer. In: Facts, views & vision in ObGyn. Band 8, Nummer 1, März 2016, S. 63–68. PMID 27822353, PMC 5096429 (freier Volltext).
  6. Spemann and Mangold’s Discovery of the Organizer. Archiviert vom Original (nicht mehr online verfügbar) am 23. Juli 2020; abgerufen am 7. März 2019.
  7. Hilde Mangold Symposium. Abgerufen am 7. März 2019.
  8. Frank Zimmermann: Der Gynäkologe Alfred Hegar kämpfte für Rassenhygiene. Badische Zeitung, 26. Oktober 2016, abgerufen am 17. März 2020.
  9. Detailseite Zusatzmodul Straßennamen – www.freiburg.de – Kultur und Freizeit/Stadtgeschichte/Straßennamen. Abgerufen am 17. März 2020.
  10. Hilde Mangold: Wegbereiterin der Signalforschung. Abgerufen am 21. Juni 2022.