Kreis Groß Wartenberg – Wikipedia

Der Kreis Groß Wartenberg in den Grenzen von 1818 bis 1920

Der preußische Kreis Groß Wartenberg (bis 1888 Kreis Wartenberg) in Schlesien bestand in der Zeit von 1742 bis 1945. Seine Kreisstadt war die Stadt Groß Wartenberg, die bis 1888 Polnisch Wartenberg hieß. Das frühere Kreisgebiet liegt heute in der polnischen Woiwodschaft Niederschlesien.

Verwaltungsgeschichte

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Nach der Eroberung des größten Teils von Schlesien führte König Friedrich II. durch Kabinettsorder am 25. November 1741 in Niederschlesien preußische Verwaltungsstrukturen ein.[1] Dazu gehörte die Einrichtung zweier Kriegs- und Domänenkammern in Breslau und Glogau sowie deren Gliederung in Kreise und die Einsetzung von Landräten zum 1. Januar 1742.[2] Aus den beiden Standesherrschaften Wartenberg und Goschütz sowie der Herrschaft Festenberg wurde der Kreis Wartenberg gebildet.[3] Als erster Landrat des Kreises wurde Leonhard Moritz von Prittwitz-Gaffron eingesetzt.[4][5]

Der Kreis Wartenberg unterstand zunächst der Kriegs- und Domänenkammer Breslau und wurde im Zuge der Stein-Hardenbergischen Reformen 1815 dem Regierungsbezirk Breslau der Provinz Schlesien zugeordnet.[6] Bei der Kreisreform vom 1. Januar 1818 im Regierungsbezirk Breslau wurden die Stadt Medzibor sowie die Dörfer Benjaminsthal, Charlottenfeld, Conradau, Erdmannsberg, Friedrikenau, Glashütte, Glashütte bei Tscheschen, Hammer, Honig, Johannisdörfel, Joschune, Kalkowsky, Kenschen, Kenschenhammer, Klenowe, Kottowsky, Kotzine, Mariendorf, Neurode, Ossen, Pawlau, Riefken, Silonke, Suschen, Tscheschen und Wielky aus dem Kreis Oels in den Kreis Wartenberg umgegliedert.[7]

Die Stadt Medzibor wurde 1886 in Neumittelwalde umbenannt. Seit der Umbenennung der Kreisstadt von Polnisch Wartenberg in Groß Wartenberg im Jahre 1888 lautete die amtliche Bezeichnung für den Kreis Groß Wartenberg. Nach den Ergebnissen der Volkszählung von 1905 gaben im Kreisgebiet zwischen 50 und 75 Prozent der ortsanwesenden Bevölkerung „deutsch“ als Muttersprache an.[8]

Sprachkarte aus dem Jahr 1910: Gelbe gestrichelte Linie: schlesisch-großpolnische Grenzes, rosarote gestrichelte Linie: neue Grenze aus dem Jahr 1920

Zum 8. November 1919 bildete der Freistaat Preußen aus den Regierungsbezirken Breslau und Liegnitz der Provinz Schlesien die Provinz Niederschlesien sowie aus dem Regierungsbezirk Oppeln die Provinz Oberschlesien. Mit Inkrafttreten des Versailler Vertrages fiel am 10. Januar 1920 der östliche, überwiegend polnischsprachige Gebietsteil des Kreises Groß Wartenberg mit über 20.000 Einwohnern (ungefähr halb-halb evangelisch und römisch-katholisch) an Polen. Im Wege einer endgültigen Grenzbegradigung kehrten am 17. Juli 1920 die Landgemeinden Kunzendorf und Schleise aus Polen wieder zurück in den Kreis Groß Wartenberg.

Zum 30. September 1929 fand im Kreis Groß Wartenberg wie im übrigen Preußen eine Gebietsreform statt, bei der alle Gutsbezirke aufgelöst und benachbarten Landgemeinden zugeteilt wurden. Am 1. April 1938 gingen die Provinzen Niederschlesien und Oberschlesien in der erneuerten Provinz Schlesien auf.

Nach dem Überfall auf Polen Anfang Oktober 1939 kamen die 1920 an Polen abgetretenen Gebiete der niederschlesischen Kreise Namslau, Groß Wartenberg und Guhrau nicht an Schlesien zurück, sondern wurden dem Reichsgau Wartheland einverleibt. Zum 18. Januar 1941 wurde aus den Regierungsbezirken Breslau und Liegnitz der Provinz Schlesien die neue Provinz Niederschlesien gebildet.

Im Frühjahr 1945 hatte die Rote Armee das Kreisgebiet besetzt und es im Sommer 1945 gemäß dem Potsdamer Abkommen unter die Verwaltung der Volksrepublik Polen gestellt. Diese vertrieb in der Folgezeit die deutsche Bevölkerung aus dem Kreisgebiet und ersetzte sie durch Polen. Das Territorium des ehemaligen Kreises Groß Wartenberg bildet heute zusammen mit dem des ehemaligen Kreises Oels den Powiat Oleśnicki.

Einwohnerentwicklung

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Jahr Einwohner Quelle
1795 24.159 [9]
1819 31.486 [10]
1846 49.254 [11]
1871 52.195 [12]
1885 51.197 [13]
1900 48.014 [14]
1905 46.964 [15]
1910 48.414 [14]
1925 27.609 [16]
1939 26.574 [16]

Kommunalverfassung

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Der Kreis Groß Wartenberg gliederte sich seit dem 19. Jahrhundert in die Städte Festenberg, Neumittelwalde und (Polnisch/Groß) Wartenberg, in Landgemeinden und in Gutsbezirke. Mit Einführung des preußischen Gemeindeverfassungsgesetzes vom 15. Dezember 1933 sowie der Deutschen Gemeindeordnung vom 30. Januar 1935 wurde zum 1. April 1935 das Führerprinzip auf Gemeindeebene durchgesetzt. Eine neue Kreisverfassung wurde nicht mehr geschaffen; es galt weiterhin die Kreisordnung für die Provinzen Ost- und Westpreußen, Brandenburg, Pommern, Schlesien und Sachsen vom 19. März 1881.

Dem 1920 an Polen gefallenen Teil des Kreises gehörten die folgenden Gemeinden an:[14]

Rittergut Rudelsdorf, Sammlung Alexander Duncker

Dem 1920 im Deutschen Reich verbliebenen Kreis Groß Wartenberg gehörten 1939 drei Städte und 51 Landgemeinden an:[16][18]

  • Alt Glashütte
  • Amalienthal
  • Bischdorf
  • Buchenhain
  • Charlottenfeld
  • Charlottenthal
  • Dalbersdorf
  • Distelwitz
  • Dyhrnfeld
  • Eichenhain
  • Erlengrund
  • Festenberg, Stadt
  • Görnsdorf
  • Goschütz
  • Goschützhammer
  • Goschütz-Neudorf
  • Grenzhammer
  • Groß Gahle
  • Groß Schönwald
  • Groß Wartenberg, Stadt
  • Groß Woitsdorf
  • Grünbach
  • Grunwitz
  • Hirschrode
  • Kammerau
  • Klein Kosel
  • Klein Schönwald
  • Klein Ulbersdorf
  • Kraschen
  • Kunzendorf
  • Landeshalt
  • Langendorf
  • Lichtenhain
  • Lindenhorst
  • Mühlenort
  • Muschlitz
Eingemeindungen bis 1929
  • Annenthal, am 1. April 1929 zu Bukowine
  • Königswille, am 1. April 1929 zu Bukowine
  • Wegersdorf, am 1. April 1929 zu Bukowine
  • Klein Woitsdorf, am 1. April 1929 zu Groß Wartenberg
  • Paulschütz, am 1. Dezember 1928 zu Klein Kosel
  • Sakrau, am 17. Oktober 1928 zu Drungawe
  • Alt Festenberg, am 22. Mai 1910 zu Festenberg
  • Boguslawitz, am 30. September 1928 zu Dalbersdorf
  • Ellguth-Distelwitz, am 30. September 1928 zu Distelwitz
  • Gaffron, am 30. September 1928 zu Kraschen
  • Klein Gahle, am 30. September 1928 zu Olschofke
  • Otto-Langendorf, am 30. September 1928 zu Ottendorf
  • Radine, am 30. September 1928 zu Rudelsdorf
  • Peterhof, am 30. September 1928 zu Schleise

Die Gemeinde Schön Steine hieß bis 1907 Polnisch Steine. 1936/37 wurden im Kreis Groß Wartenberg mehrere Gemeinden umbenannt:

  • Bukowine → Buchenhain
  • Bunkai → Grünbach (Niederschles.)
  • Domaslawitz → Lindenhorst
  • Dombrowe → Eichenhain
  • Drungawe → Wildheide
  • Ellguth-Rippin → Ostfelde
  • Klenowe → Hirschrode
  • Kraschen-Niefken → Landeshalt
  • Lassisken → Lichtenhain (Niederschles.)
  • Olschofke → Erlengrund (Kr. Groß Wartenberg)
  • Tscheschen-Glashütte → Alt Glashütte
  • Tscheschenhammer → Grenzhammer (Niederschles.)
  • Wielgy → Weidendorf (Kr. Groß Wartenberg)
  • Wioske → Mühlenort

Persönlichkeiten

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  • Gustav Neumann: Geographie des Preußischen Staats. 2. Auflage, Band 2, Berlin 1874, S. 189–190, Ziffer 3.
  • Hans Lutsch: Die Kunstdenkmäler der Landkreise des Reg.-Bezirks Breslau. Bd. 2 von Verzeichnis der Kunstdenkmäler der Provinz Schlesien. Wilhelm Gottlieb Korn, Breslau 1889
  • Königliches Statistisches Bureau: Die Gemeinden und Gutsbezirke der Provinz Schlesien und ihre Bevölkerung. Nach den Urmaterialien der allgemeinen Volkszählung vom 1. Dezember 1871. Berlin 1874, S. 8–15 (Faksimile in der Google-Buchsuche).
  • Michael Rademacher: Deutsche Verwaltungsgeschichte von der Reichseinigung 1871 bis zur Wiedervereinigung 1990. Online-Material zur Dissertation, Osnabrück 2006. In: eirenicon.com.
Commons: Landkreis Groß Wartenberg – Sammlung von Bildern

Einzelnachweise

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  1. Roland Gehrke: Landtag und Öffentlichkeit: Provinzialständischer Parlamentarismus in Schlesien 1825-1845. Böhlau Verlag, Köln 2009, ISBN 978-3-412-20413-6, S. 45 (Teildigitalisat).
  2. Denkmäler der Preußischen Staatsverwaltung im 18. Jahrhundert. Akten vom 31. Mai 1740 bis Ende 1745. In: Königliche Akademie der Wissenschaften (Hrsg.): Acta Borussica. Band 6,2. Paul Parey, Berlin 1901, Königliche Ordre zur Bestellung von Landräthen in Niederschlesien, S. 259 (Digitalisat).
  3. Beschreibung des Kreises Wartenberg aus dem Jahre 1792
  4. W. F. C. Starke: Beiträge zur Kenntniß der bestehenden Gerichtsverfassung und der neusten Resultate der Justizverwaltung in dem Preussischen Staate. Carl Heymann, Berlin 1839, Kreiseinteilung des preußischen Herzogtums Schlesien im 18. Jahrhundert, S. 290 (Digitalisat).
  5. a b c d e f Rolf Straubel: Biographisches Handbuch der preußischen Verwaltungs- und Justizbeamten 1740–1806/15. In: Historische Kommission zu Berlin (Hrsg.): Einzelveröffentlichungen. 85. K. G. Saur Verlag, München 2009, ISBN 978-3-598-23229-9.
  6. Verordnung zur Eintheilung des preußischen Staats nach seiner neuen Begrenzung. 1815 (Digitalisat).
  7. Amtsblatt der Königlichen Regierung zu Breslau 1817, Nr. XLV. Neue Eintheilung und Abgränzung der Kreise im Breslauer Regierungs-Departement vom 31. Oktober 1817. Breslau, S. 476 ff. (Digitalisat).
  8. Ergänzungsband in 62 Kartenseiten zu den früheren Auflagen von Andrees Handatlas, Velhagen & Klasing, Bielefeld u. Leipzig 1922, Bl. 13/14 Schlesien.
  9. Georg Hassel: Statistischer Umriss der sämtlichen europäischen Staaten. Die statistische Ansicht und Specialstatistik von Mitteleuropa. Vieweg, Braunschweig 1805, S. 37 (Digitalisat).
  10. Statistisches Bureau zu Berlin (Hrsg.): Beiträge zur Statistik des preußischen Staats. Duncker & Humblot, Berlin 1821, Schlesien, S. 86 (Digitalisat).
  11. Königliches Statistisches Bureau (Hrsg.): Mittheilungen des Statistischen Bureau's in Berlin, Band 2. Einwohnerzahlen der Kreise. (Digitalisat).
  12. Die Gemeinden und Gutsbezirke des Preussischen Staates und ihre Bevölkerung 1871
  13. Gemeindelexikon für die Provinz Schlesien 1885
  14. a b c www.gemeindeverzeichnis.de
  15. Gemeindelexikon für die Provinz Schlesien 1905, S. 402–403
  16. a b c Michael Rademacher: Wartenberg. Online-Material zur Dissertation, Osnabrück 2006. In: eirenicon.com.
  17. http://www.gross-wartenberg.de/Franzkowski/landraete.html
  18. Landkreis Groß Wartenberg Verwaltungsgeschichte und Landratsliste auf der Website territorial.de (Rolf Jehke), Stand 27. Juli 2013.