Max Obé – Wikipedia

Julius Nikolaus Max Obé (* 4. Juni 1889 in Saarlouis; † 4. Dezember 1969) war ein deutscher Arzt, Leiter der Landesversicherungsanstalt des Saarlandes, der Saarpfalz und der Westmark, Medizinalbeamter im Saargebiet und im „Dritten Reich“ und ärztlicher Standespolitiker nach 1945.

Max Obé, ein Sohn des Kaufmanns Nikolaus Obé und dessen Ehefrau Juliette geb. Land,[1] studierte von 1909 bis 1914 Medizin an den Universitäten Straßburg, Gießen und München und wurde im August 1914 zum Dr. med. promoviert.

Während des Ersten Weltkrieges war er in Straßburg als Militärarzt eingesetzt. Von 1918 bis 1923 war er leitender Arzt des Städtischen Krankenhauses in Neuerburg im Bezirk Trier und nebenamtlicher Impfarzt, Bahnarzt, Schularzt und Fürsorgearzt. Im August 1923 wurde Obé zum Kreisarzt von St. Wendel bestellt. Ab Oktober desselben Jahres wurde er Beamter der Regierungskommission des Saargebietes (ab 1925 Leiter der Abteilung Volkswohlfahrt). Im Oktober 1930 wurde er zum Stellvertreter von Bartholomäus Koßmann, des saarländischen Mitgliedes der Regierungskommission, ernannt.[2]

Seit Februar 1935 war Obé Regierungsdirektor im Reichskommissariat für die Rückgliederung des Saarlandes. Ab 1936 war er dann Beamter des Deutschen Reichs und war höchster Medizinalbeamter im Reichskommissariat für das Saarland (1936), der Saarpfalz (1940), beim Reichsstatthalter Westmark, Josef Bürckel (1941). In diesen Funktionen war er zuständig für die Neuordnung der Sozialversicherung in Lothringen und die Neuordnung des Krankenhauswesens in Lothringen. Seit Dezember 1941 war er geschäftsführender Leiter der Landesversicherungsanstalt Westmark. Am 10. April 1943 wurde Obé vom Reichsminister des Innern mit Wirkung vom 1. April 1943 zum Leitenden Regierungsdirektor und zum Leiter der Abteilung III – Gesundheitswesen und Volkspflege – bei der Behörde des Reichsstatthalters in der Westmark in Saarbrücken bestellt. Die Zahnärztin und Medizinhistorikerin Gisela Tascher schreibt Obé in ihrer Dissertation auf Grund seiner hervorgehobenen Position in der NS-Administration eine Mitverantwortung für Zwangssterilisationen von Rheinlandbastarden, Zwangsabtreibungen und „Euthanasiemaßnahmen“ zu.[3]

Max Obé wurde mit Datum 1. November 1935 und Parteimitgliedsnummer 6.925.972 Mitglied der NSDAP, ebenfalls 1935 der NS-Volkswohlfahrt (NSV), des Reichsbundes der Deutschen Beamten (RDB) und des Nationalsozialistischen Deutschen Ärztebundes (NSDÄB), und schließlich 1937 Mitglied des Nationalsozialistischen Rechtswahrerbundes.[4]

Nach Ende des Zweiten Weltkrieges war Obé ab 1. Juni 1945 Abteilungsleiter der Abteilung Soziale Angelegenheiten und Gesundheitswesen (später Abteilung Arbeit) des „Regierungspräsidiums Saar“. Am 25. Oktober 1945 wurde er zum Vorsitzenden des Landesversicherungsamtes des Saarlandes ernannt, jedoch bereits am 1. Februar 1946 auf Druck der amerikanischen Militärbehörden wieder entlassen. Auf Beschluss des Säuberungsausschusses der französischen Militärregierung wurde er vom Dienst suspendiert. Infolge einer Feststellung der Dienstunfähigkeit durch ein von Friedrich Doenecke[5] ausgestelltes ärztliches Attest wurde die Suspension im November 1947 wieder aufgehoben. Bereits im August 1947 war Obé zusammen mit zwei Ärztekollegen wegen „Verbrechens gegen die Menschlichkeit“ (Zwangssterilisation der „Rheinlandbastarde“) beschuldigt worden. Dazu hat der 7. Strafsenat des Oberlandesgerichts in Saarbrücken am 1. Juni 1949 in der Strafsache gegen Max Obé wegen Verbrechens gegen die Menschlichkeit den Angeschuldigten Max Obé aus tatsächlichen Gründen außer Verfolgung gesetzt; es wäre mit Sicherheit zu erwarten gewesen, dass der Angeschuldigte Obé in der Hauptversammlung nicht wegen der ihm zur Last gelegten Straftaten verurteilt würde. Es wurde keine Anklage erhoben.[4]

Im Januar 1950 löste Max Obé als erster gewählter Präsident der Ärztekammer Saar nach dem Kriege seinen von der Militärregierung eingesetzten Vorgänger ab. 1954 und 1958 wurde er per Wahl in diesem Amt bestätigt. Im Jahr 1950 erhielt Obé einen Lehrauftrag für ärztliche Standeskunde und Sozialversicherung an der Universität des Saarlandes. Obé stellte sich außerdem bei der Errichtung eines Landesverbandes für Krebsbekämpfung und Krebsforschung ehrenamtlich als Vorsitzender zur Verfügung. In Anerkennung seiner Verdienste wurde ihm am 24. Juli 1958 der Titel Geheimer Sanitätsrat verliehen.[6]

Am 9. Mai 1962 ward Max Obé „in Würdigung seiner Verdienste um den Aufbau der ärztlichen Standesorganisationen und um die Schaffung eines Versorgungswerkes für die saarländische Ärzteschaft zum Ehrenpräsidenten der Ärztekammer des Saarlandes“ ernannt.

Nach der mit den NS-Verstrickungen Obés begründeten, posthumen Aberkennung des Titels Ehrenpräsident durch die Saarländische Ärztekammer im Mai 2021[7] hat im Juli 2022 auch die Universität des Saarlandes, die Obé 1964 die Ehrenbürgerwürde der Hochschule verliehen hatte, ihm diese mit seinem Tode im Jahre 1969 erloschene Ehrung symbolisch-deklaratorisch aberkannt.[8][9][10][11]

  • Ernennung zum Geheimen Sanitätsrat (1958) – der Titel wurde durch Beschluss der Saarländischen Landesregierung vom 14. September 2021 posthum entzogen[12]
  • Ehrenpräsident der Saarländischen Ärztekammer (1962) – der Titel wurde posthum aberkannt (2021)[13]
  • Auszeichnung mit dem Verdienstkreuz 1. Klasse der Bundesrepublik Deutschland (1962)[6]
  • Ehrenbürgerwürde der Universität des Saarlandes (1964)[14]
  • Paracelsus-Medaille der deutschen Ärzteschaft (1967)[15]
  • Ehrenmitglied der Medizinischen Gesellschaft des Saarlandes
  • Perforationsperitonitis bei Y-Ruhr. Straßburg 1915 (Dissertation)
  • Hans-Christian Hermann: Saarländische Ärzte im Dritten Reich oder über die Kontinuität brauner Eliten in der Nachkriegsgesellschaft an der Saar. In: Saarländisches Ärzteblatt 11/2010, S. 6–9 (online als PDF bei Saarländisches Ärzteblatt – elektronisch)
  • Franz Carl Loch, Wolfgang Loris: 1947/1997 – Bundesärztekammer im Wandel (XI): Der saarländische Sonderweg. In: Deutsches Ärzteblatt 94 (1997), A-2402–2406 (= Heft 38/1997, S. 38–42) (online als PDF bei Deutsches Ärzteblatt)
  • Gisela Tascher: Staat, Macht und ärztliche Berufsausübung 1920–1956. Gesundheitswesen und Politik: Das Beispiel Saarland. Schöningh, Paderborn 2010
  • Gisela Tascher: Handeln auf Befehl des Führers. Die illegale und streng geheime Zwangssterilisation der „Rheinlandbastarde“ von 1937 und die Strafverfolgung der ärztlichen Täter nach 1945. In: Deutsches Ärzteblatt 113 (2016), S. 420–422 mit Anm. 6 (online als PDF bei Deutsches Ärzteblatt).

Einzelnachweise

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  1. Landesarchiv des Saarlandes, Personenstandsregister PSR 7155 Nr. 64/1899 (online bei Ancestry).
  2. Amtsblatt der Regierungskommission des Saargebietes Nr. 40 vom 22. Oktober 1930, Nr. 554, S. 599.
  3. Tascher, Gisela: Die Entwicklung des Gesundheitswesens im Saargebiet und Saarland von 1920-1956 im Spiegel der machtpolitischen Verhältnisse. Inauguraldissertation aus dem Institut für Geschichte und Ethik der Medizin an der Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg, Heidelberg 2007 (Zusammenfassung unter https://archiv.ub.uni-heidelberg.de/volltextserver/8059/ , zuletzt aufgerufen am 13. Dezember 2021); Tascher, Gisela: NS-Zwangssterilisationen: Handeln auf Befehl des Führers. Deutsches Ärzteblatt 113 (10), A-420/B-353/C-353 (zuletzt aufgerufen am 13. Dezember 2021)
  4. a b Tascher: Handeln auf Befehl des Führers (s. Literatur).
  5. Zur Person vgl. Doenecke Friedrich in der Datenbank Saarland Biografien.
  6. a b Saarland, Chef der Staatskanzlei, Mitteilungen für Presse und Rundfunk, Bundesverdienstkreuz 1. Klasse für Geheimen Sanitätsrat Dr. Max OBE, Saarbrücken, den 30. Oktober 1962
  7. Ehrenpräsidentschaft von Dr. Max Obé. Ärztekammer des Saarlandes, 20. Mai 2021, abgerufen am 11. Juli 2021.
  8. Ralf Stanger: Nazi-Arzt bekommt Ehren-Titel gestrichen. In: Bild vom 21. Mai 2021 (online).
  9. Patrick Wiermer: Entscheidung über Ehrentitel von Obé und Röchling vertagt. Saarländischer Rundfunk, 21. Juli 2021, abgerufen am 30. August 2021.
  10. Patrick Wiermer: Röchling bleibt Ehrensenator der Saar-Uni. Saarländischer Rundfunk, 20. Juli 2022, abgerufen am 20. Juli 2022.
  11. Entscheidung des Senats der Universität über Ehrenwürden von Dr. Max Obé und Dr. h.c. Ernst Röchling. Stellungnahme des Senats der Universität des Saarlandes vom 20. Juli 2022, abgerufen am 20. Juli 2022.
  12. Amtsblatt des Saarlandes. 30/2022 (Teil I) vom 12. Mai 2022, S. 761–766, S. 763 Nr. 134 (als PDF online bei Verkündungsportal des Saarlandes).
  13. Daniel Kirch: Wegen Verbrechen in der NS-Zeit: Saar-Ärztekammer erkennt ihrem Ex-Präsidenten Ehrentitel ab. 20. Mai 2021, abgerufen am 21. Mai 2021.
  14. Geheimer Sanitätsrat Dr. med. Max Obé (ohne Jahresangabe) auf der Website der Universität des Saarlandes.
  15. „Geh. San.-Rat Dr. med. Max Obé“ als „Träger der Paracelsus-Medaille“, der „höchste(n) Auszeichnung der deutschen Ärzteschaft für verdiente Ärzte“, zum Jahr 1967 auf der Website der Bundesärztekammer: bundesaerztekammer.de (Memento vom 18. Juni 2022 im Internet Archive)Vorlage:Webarchiv/Wartung/Linktext_fehlt.