Nördliche Grant-Gazelle – Wikipedia
Nördliche Grant-Gazelle | ||||||||||||
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Nördliche Grant-Gazelle (Nanger granti) in Kenia | ||||||||||||
Systematik | ||||||||||||
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Wissenschaftlicher Name | ||||||||||||
Nanger notatus | ||||||||||||
(Thomas, 1897) |
Die Nördliche Grant-Gazelle (Nanger notatus), auch Bright-Gazelle genannt, ist eine Art aus dem Artenkomplex der Grant-Gazellen und der Gattung der Spiegelgazellen innerhalb der Familie der Hornträger. Sie kommt in Ostafrika vor, hauptsächlich in Kenia und lebt in offenen Savannenlandschaften. Es handelt sich um einen großen Vertreter der Gazellen. Charakteristische Merkmale finden sich neben den markant gebogenen Hörnern unter anderem in dem seitlich auskeilenden hellen Rumpffleck. Das Sozialleben ist komplex und besteht aus variierenden Herdengruppen unterschiedlicher Geschlechterzusammensetzung zuzüglich einzelgängerischen männlichen Individuen. Die Tiere ernähren sich hauptsächlich von harten Gräsern und weichen Pflanzenbestandteilen. Die Fortpflanzung findet ganzjährig statt, in der Regel bringt ein Muttertier nur ein Junges zur Welt. Ursprünglich galten alle Grant-Gazellen als zu einer Art gehörig. Genetische Untersuchungen aus dem Beginn des 21. Jahrhunderts teilten diese aber in drei unabhängige Linien auf. Der Gesamtbestand der Grant-Gazellen gilt als ungefährdet.
Merkmale
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Die Nördliche Grant-Gazelle ist eine vergleichsweise große Gazellenart und in ihrer Größe und Fellfärbung mit der Südlichen Grant-Gazelle (Nanger granti) vergleichbar. Genaue Messungen liegen jedoch nicht vor. Die Schulterhöhe beträgt etwa 80 cm. Sie ist etwas dunkler als die Südliche Grant-Gazelle und das horizontales Band an den Körperseiten der Männchen ist meist ziemlich dunkel, so dass der Unterschied zwischen den Geschlechtern hinsichtlich der Fellfärbung nicht so deutlich ausgeprägt ist wie bei der Südlichen Grant-Gazelle, deren Männchen nur ein wenig ausgeprägtes Horizontalband zeigen. Die dunklen Streifen, die den Spiegel am Hinterteil begrenzen sind schmaler als bei der Südlichen Grant-Gazelle und reichen nicht so weit nach unten.[1][2]
Verbreitung und Lebensraum und Lebensweise
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Die Nördliche Grant-Gazelle kommt in Ostafrika vor. Das Verbreitungsgebiet liegt vor allem im kenianischen Hochland nördlich von Nairobi, reicht aber bis in den Süden des äthiopischen Abschnitts des Großen Afrikanischen Grabenbruchs, in den Südwesten Somalias, den Südosten des Südsudans und die nordöstliche Ecke Ugandas.[3] Ihr Verbreitungsgebiet ist vom Lebensraum der Südlichen Grant-Gazelle durch einen Gürtel von hügeligem und bewaldetem Gelänge getrennt. Die Nördliche Grant-Gazelle kommt in Steppen mit kargem Grasbewuchs und Akazien, entlang des Tals des Kerios auch auf mit Sträuchern bestandenen Hügeln und von Lavaströmen geprägten Hochebenen vor. In vielen Regionen konkurriert die Nördliche Grant-Gazelle mit Weidevieh wie Hausziegen und Hausschafe um das Territorium und die Nahrung.[1] Genaue Untersuchungen zur Ernährung der Nördlichen Grant-Gazelle fehlen, sie scheint aber wählerischer zu sein als die Südliche Grant-Gazelle. Neugeborene wurden im April gesichtet, vorausgesetzt, dass die Trächtigkeitsdauer wie bei der Südlichen Grant-Gazelle bei 198 bis 199 Tagen liegt, bedeutet das, dass der September und der Oktober die Paarungszeit ist. Wie andere Gazellenarten lebt die Nördliche Grant-Gazelle in kleinen Herden, wobei in ihrem Fall Herden mit 20 bis 30 oder mehr Exemplaren beobachtet wurden.[1]
Systematik
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten] Innere Systematik der Spiegelgazellen nach Bibi 2013[4]
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Die wissenschaftliche Erstbeschreibung der Nördlichen Grant-Gazelle erfolgte im Jahr 1897 durch den britischen Mammalogen Oldfield Thomas. Grundlage der Beschreibung war ein kopfloses Fell, das von einer Gazelle stammte, die im Oktober 1895 während einer Elefantenjagd auf dem Loroghi Plateau (Samburu County) geschossen wurde. Thomas gab ihr die Bezeichnung Gazella granti notata.[5] Heute wird sie in die Gattung der Spiegelgazellen (Nanger; auch Großgazellen genannt) gestellt. Die Gattung wird innerhalb der Familie der Hornträger (Bovidae) zur Unterfamilie der Antilopinae gezählt, hierin steht sie in der Tribus der Gazellenartigen (Antilopini). Die Spiegelgazellen zeichnen sich durch ihre relativ größere Körperform von den anderen, nahverwandten Vertretern der Gattungen Gazella, Eudorcas und Antilope aus, mit denen sie eine engere Verwandtschaftsgruppe innerhalb der Antilopini bilden. Weitere Unterschiede finden sich in der Gestaltung des Rückenflecks, der sogenannte „Spiegel“, der bei den Nanger-Arten seitlich auskeilt und wonach die Gattung ihren deutschsprachigen Trivialnamen trägt. Auch reicht der Nasenspiegel nicht so weit zurück wie bei Gazella, aber weiter als bei Eudorcas. Außerdem lässt sich ein Trend zur Reduktion des Fellmusters erkennen. Aus skelettanatomischer Sicht können die vergleichsweise langen Schädel, die nur schwach entwickelte Voraugenregion und einzelne weitere Merkmale der Hörner und des Gebisses herangezogen werden.[6][2][7]
Innere Systematik des Grant-Gazellen-Artkomplexes nach Lorenzen et al. 2008[8]
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In den meisten Systematiken werden den Spiegelgazellen neben den Grant-Gazellen zwei weitere Arten zugewiesen: die Sömmerringgazelle (Nanger soemmerringii) und die Damagazelle (Nanger dama). Übereinstimmend in zahlreichen molekulargenetischen Studien stehen sich die beiden letztgenannten näher, während die Grant-Gazellen die Schwestergruppe bilden.[9][4][10][11] Einzelne Analysen sehen allerdings die Grant-Gazellen näher mit der Sömmerringgazelle verwandt.[12] Über lange Zeit galten die Grant-Gazellen als Angehörige einer einzigen Art. Diese wurde im Deutschen als „Grant-Gazelle“ und wissenschaftlich unter dem Binomen Nanger granti geführt. Die Art enthielt mehrere Unterarten, von denen die Östliche und die Nördliche Grant-Gazelle mit den jeweiligen wissenschaftlichen Bezeichnungen N. g. petersii beziehungsweise N. g. notatus die bekanntesten waren. Mehrere molekulargenetische Untersuchungen in den Jahren 1996 und 2008 erbrachten nicht nur eine hohe Variabilität der Grant-Gazellen, sie deckten auch auf, dass diese drei monophyletische Linien bilden, von denen wenigstens zwei (die Südliche und Nördliche Grant-Gazelle) keinerlei Vermischung zeigten. Aufgrund dessen empfahlen die Autoren der letzteren Studie, beide Linien als eigenständige Arten aufzufassen, gleiches vermuteten sie für die Östliche Grant-Gazelle infolge ihrer geographischen Isolation und deutlichen morphologischen Unterschiede. Demnach bilden die Grant-Gazellen einen Artkomplex.[13][8] In einer Revision der Huftiere im Jahr 2011 hoben dann Colin P. Groves und Peter Grubb die drei Linien der Grant-Gazellen auf Artebene an.[2] Der Einschätzung folgten im Laufe der Zeit weitere Autoren.[14] Nach genetischen Analysen aus dem Jahr 2021 trennte sich zuerst die Östliche Grant-Gazelle von der gemeinsamen Vorfahrenlinie ab, was im Übergang vom Mittel- zum Jungpleistozän vor rund 134.000 Jahren erfolgte. Die Südliche und die Nördliche Grant-Gazelle spalteten sich dann etwa 40.000 Jahre später voneinander ab.[15]
Bedrohung und Schutz
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Gegenwärtig unterscheidet die IUCN die Grant-Gazellen nicht nach ihren eigenständigen Arten. Die Naturschutzorganisation sieht die Gesamtpopulation der Grant-Gazellen aufgrund ihrer weiten Verbreitung als „nicht bedroht“ (least concern). Allerdings werden nur 25 % der Population als stabil betrachtet, während der Rest rückläufig ist. Bedrohungen für den Bestand finden sich in der Jagd für Nahrungszwecke oder als Trophäe und im Lebensraumverlust durch die Ausdehnung der landwirtschaftlichen Nutzflächen. 1997 wurde die Gesamtpopulation der Nördlichen Grant-Gazellen auf etwa 50.000 Exemplare geschätzt, wovon 40.000 in Kenia, 6000 in Äthiopien und 2500 im Boma-Nationalpark im heutigen Südsudan lebten.[3] Bedeutende Schutzgebiete, in denen die Nördliche Grant-Gazelle vorkommt, sind der Aberdare-Nationalpark und das Samburu National Reserve in Kenia.[8]
Literatur
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- Colin P. Groves und David M. Leslie Jr.: Family Bovidae (Hollow-horned Ruminants). In: Don E. Wilson und Russell A. Mittermeier (Hrsg.): Handbook of the Mammals of the World. Volume 2: Hooved Mammals. Lynx Edicions, Barcelona 2011, ISBN 978-84-96553-77-4, S. 635 u. 636.
- Hans R. Siegismund, Eline D. Lorenzen und Peter Arctander: Nanger (granti) Grant's Gazelle Species Group. In: Jonathan Kingdon, David Happold, Michael Hoffmann, Thomas Butynski, Meredith Happold und Jan Kalina (Hrsg.): Mammals of Africa Volume VI. Pigs, Hippopotamuses, Chevrotain, Giraffes, Deer and Bovids. Bloomsbury, London, 2013, S. 373–379
Einzelnachweise
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- ↑ a b c Colin P. Groves und David M. Leslie Jr.: Family Bovidae (Hollow-horned Ruminants). In: Don E. Wilson und Russell A. Mittermeier (Hrsg.): Handbook of the Mammals of the World. Volume 2: Hooved Mammals. Lynx Edicions, Barcelona 2011, ISBN 978-84-96553-77-4, S. 635
- ↑ a b c Colin Groves und Peter Grubb: Ungulate Taxonomy. Johns Hopkins University Press, 2011, S. 1–317 (S. S. 160)
- ↑ a b Nanger granti in der Roten Liste gefährdeter Arten der IUCN 2016. Eingestellt von: IUCN SSC Antelope Specialist Group, 2016. Abgerufen am 23. November 2022.
- ↑ a b Fayasal Bibi: A multi-calibrated mitochondrial phylogeny of extant Bovidae (Artiodactyla, Ruminantia) and the importance of the fossil record to systematics. BMC Evolutionary Biology 13, 2013, S. 166
- ↑ Philip Lutley Sclater und Oldfield Thomas: The Book of Antelopes. Volume I. London, 1894–1900, S. 191–193. ([1]).
- ↑ Jürgen Lange: Ein Beitrag zur systematischen Stellung der Spiegelgazellen (Genus Gazella Blainville, 1816 Subgenus Nanger Lataste, 1885). Zeitschrift für Säugetierkunde 36, 1971, S. 1–18
- ↑ Colin P. Groves: Genus Nanger Greater gezelles. In: Jonathan Kingdon, David Happold, Michael Hoffmann, Thomas Butynski, Meredith Happold und Jan Kalina (Hrsg.): Mammals of Africa Volume VI. Pigs, Hippopotamuses, Chevrotain, Giraffes, Deer and Bovids. Bloomsbury, London, 2013, S. 372–373
- ↑ a b c Eline D. Lorenzen, Peter Arctander und Hans R. Siegismund: Three reciprocally monophyletic mtDNA lineages elucidate the taxonomic status of Grant’s gazelles. Conservation Genetics 9, 2008, doi: 10.1007/s10592-007-9375-2 S. 593–601
- ↑ Alexandre Hassanin, Frédéric Delsuc, Anne Ropiquet, Catrin Hammer, Bettine Jansen van Vuuren, Conrad Matthee, Manuel Ruiz-Garcia, François Catzeflis, Veronika Areskoug, Trung Thanh Nguyen und Arnaud Couloux: Pattern and timing of diversification of Cetartiodactyla (Mammalia, Laurasiatheria), as revealed by a comprehensive analysis of mitochondrial genomes. Comptes Rendus Palevol 335, 2012, S. 32–50
- ↑ Halina Cernohorska, Svatava Kubickova, Olga Kopecna, Miluse Vozdova, Conrad A. Matthee, Terence J. Robinson und Jiri Rubes: Nanger, Eudorcas, Gazella, and Antilope form a well-supported chromosomal clade within Antilopini (Bovidae, Cetartiodactyla). Chromosoma 124, 2015, S. 235–247
- ↑ Juan P. Zurano, Felipe M. Magalhães, Ana E. Asato, Gabriel Silva, Claudio J. Bidau, Daniel O. Mesquita und Gabriel C. Costa: Cetartiodactyla: Updating a time-calibrated molecular phylogeny. Molecular Phylogenetics and Evolution 133, 2019, S. 256–262
- ↑ Eva Verena Bärmann, Gertrud Elisabeth Rössner und Gert Wörheide: A revised phylogeny of Antilopini (Bovidae, Artiodactyla) using combined mitochondrial and nuclear genes. Molecular Phylogenetics and Evolution 67 (2), 2013, S. 484–493
- ↑ Peter Arctander, Pieter W. Kat, Rashid A. Aman und Hans R. Sigismund: Extreme genetic differences among populations of Gazella granti, Grant's gazelle, in Kenya. Heredity 76, 1996, S. 465–475
- ↑ Hans R. Siegismund, Eline D. Lorenzen und Peter Arctander: Nanger (granti) Grant's Gazelle Species Group. In: Jonathan Kingdon, David Happold, Michael Hoffmann, Thomas Butynski, Meredith Happold und Jan Kalina (Hrsg.): Mammals of Africa Volume VI. Pigs, Hippopotamuses, Chevrotain, Giraffes, Deer and Bovids. Bloomsbury, London, 2013, S. 373–379
- ↑ Genís Garcia-Eril, Michael Munkholm Kjær, Anders Albrechtsen, Hans Redlef Siegismund und Rasmus Heller: Vicariance followed by secondary gene flow in a young gazelle species complex. Molecular Ecology 30, 2021, S. 528–544, doi:10.1111/mec.15738