Narrative Expositionstherapie – Wikipedia

Die Narrative Expositionstherapie (NET) ist eine psychotherapeutische Behandlung für traumatisierte Kinder und Erwachsene und speziell für die Behandlung bei Schwer- und Mehrfachtraumatisierung sowie organisierter Gewalt entwickelt worden.

Die NET wurde von Maggie Schauer, Frank Neuner und Thomas Elbert an der Universität Konstanz entwickelt. Ursprünglich wurde die NET für prekäre Situationen geschaffen, in denen schwer- und mehrfachtraumatisierte Menschen nur wenige Behandlungssitzungen erhalten können (wie zum Beispiel in Kriegs- und Krisengebieten).[1][2] Entstanden ist sie auf Basis der Testimony Therapy, welche zur Behandlung von Verfolgten des Pinochet-Regimes in Chile angewendet wurde und die psychotherapeutische Behandlung mit menschenrechtlichen Aspekten verbindet. Inzwischen gibt es gute Evidenz für die kulturübergreifende Effektivität der NET bei verschiedenen Traumaarten und nach multipler und kumulativer Traumatisierung („building block“) sowie unter Einsatz von Sprachmittelnden.[3][4]

Nach dem Wirkverständnis der NET kommt es durch die spezifische Gedächtnisproblematik Traumatisierter zum Fehlen der Verortung und Vergeschichtlichung der traumatischen Szene; sogenannte „kalte“ (logisch strukturierte) und „heiße“ (emotionale, verwirrte) Gedächtnisinhalte bleiben unverbunden. Um eine raum-zeitliche Rückbindung der traumatischen Erlebnisse zu erreichen, positioniert sich der Patient zusammen mit dem Therapeuten bei der Narrativen Expositionstherapie (NET) außerhalb des Traumas (Ex-position), in der Gegenwart, und erlebt, in chronologischer Reihenfolge erzählend, seine komplette Lebensgeschichte wieder. Der Fokus liegt auf den negativen und traumatischen Ereignissen, wobei auch positive Erlebnisse als Ressource (wieder-)entdeckt werden. Durch das intensive Wiedererfahren aktualisiert sich die Vergangenheit auf allen Ebenen in der Gegenwart (Gedanken, Gefühle, Bedeutungen, Empfindungen, Körperhaltung usw.). Möglichst alle Elemente des „Furchtnetzwerkes“ werden im Schutz des „Sprechens über“, in der Distanz zum „Damals“, so lange aktiviert, bis das Erlebte sich autobiographisch einordnen, benennen, begreifen, verorten lässt und Erleichterung durch Habituation und Integration eintritt. Nach und nach erstellt der Patient in den Behandlungssitzungen im dialogischen Kontakt mit dem Gegenüber, durch empathische Verbalisierung unterstützt, eine detaillierte und konsistente, schriftliche Narration seiner Lebensereignisse.

Es kommt auf diesem Wege zu einer Gesamtschau des eigenen Lebens, zu einem organischen Erkennen von Lebens-Mustern und Zusammenhängen, zu einer Würdigung der Person und der Biographie des Überlebenden. Die NET ist in der Tradition der Testimony Therapy verbunden mit der Menschenrechts- und Kinderrechtsarbeit, die Überlebenden bekommen mit der schriftlichen Narration am Ende der Therapie ein Zeugnis ihrer traumatischen Erfahrungen an die Hand, welche sie für die juristische Aufarbeitung verwenden könnten.

Aufbauend auf den Ergebnissen der NET bei Erwachsenen wurde auch eine kindgerechte Form der Narrativen Expositionstherapie, KIDNET, entwickelt.[5]

Andere Ansätze der Narrativen Therapie

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Neben der Narrativen Expositionstherapie (NET) gibt es noch andere narrative Ansätze in der Psychotherapie, z. B. die Narrative Therapie nach Michael White, David Epston,[6] sowie weitere narrative Konzepte in anderen psychodynamischen Therapieformen und andere Formen therapeutischer Biographiearbeit, wie die Lebensrückblickstherapie nach Andreas Maercker (psychodynamisch, traumatherapeutisch), Verena Kast (Fokaltherapie) oder die strukturierte Lebensrückblickstherapie nach B. K. Haight und B. S. Haight.

  • Maggie Schauer, Frank Neuner, Thomas Elbert: Narrative Exposure Therapy (NET). A Short-Term Intervention for Traumatic Stress Disorders. 2. Auflage. Hogrefe & Huber Publ. Cambridge, Mass. 2011, ISBN 978-0-88937-388-4 (NET Manual; EA 2005).
  • Maggie Schauer, Frank Neuner, Thomas Elbert, T. (3rd Ed.) Narrative Exposure Therapy (NET) for Survivors of Traumatic Stress © 2025 Hogrefe Publishing.
  • Maggie Schauer: Die einfachste Psychotherapie der Welt: Wie wir die Ursache von Stress und Krankheit behandeln und den Kreislauf von Trauma und Gewalt durchbrechen (mit Thomas Elbert und Nataly Bleuel), Rowohlt Polaris, 2024 (ISBN 9783499013034)
  • Martina Ruf, Maggie Schauer: Facing childhood trauma. Narrative Exposure Therapy within a Cascade Model of Care. In: Jennifer Murray (Hrsg.): Exposure Therapy. New Developments. Nova Science Publishers, New York 2012, ISBN 978-1-61942-504-0, S. 229–261.
  • Thomas Elbert, Katharin Hermenau, Tobias Hecker, Roland Weierstall, Maggis Schauer: FORNET. Behandlung von traumatisierten und nicht-traumatisierten Gewalttätern mittels Narrativer Expositionstherapie. In: Jérôme Endrass, Astrid Rossegger, Frank Urbaniok, Bernd Borchard (Hrsg.): Interventionen bei Gewalt- und Sexualstraftätern. Risk-Management, Methoden und Konzepte der forensischen Therapie. Medizinisch Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft, Berlin 2012, ISBN 978-3-941468-70-2, S. 255–276.
  • Martina Ruf, Maggie Schauer, Frank Neuner, Elisabeth Schauer, Claudia Catani, Thomas Elbert: KIDNET. Narrative Expositionstherapie für Kinder. In: Markus Landolt, Thomas Hensel (Hrsg.): Traumatherapie bei Kindern und Jugendlichen. Hogrefe Verlag, Göttingen 2007, ISBN 978-3-8017-2332-3.
  • Maggie Schauer, Thomas Elbert, Silke Gotthardt, Brigitte Rockstroh, Michael Odenwald, Frank Neuner: Wiedererfahrung durch Psychotherapie modifiziert Geist und Gehirn. In: Verhaltenstherapie. Praxis, Forschung, Perspektiven. Band 16 (2006), S. 96–103, ISSN 1016-6262.
  • Maggie Schauer, Thomas Elbert, Frank Neuner: Interaktion von Neurowissenschaftlichen Erkenntnissen und Psycho-therapeutischen Einsichten am Beispiel von Angst und traumatischem Stress. In: Reinhold Becker, Hans-Peter Wunderlich (Hrsg.): Wie wirkt Psychotherapie. Forschungsgrundlagen für die Praxis. Thieme-Verlag, Stuttgart 2007, ISBN 978-3-13-145801-8, S. 87–108.
  • Frank Neuner, Maggie Schauer, Thomas Elbert: Narrative Exposition und andere narrative Verfahren. In: Andreas Maercker (Hrsg.): Posttraumatische Belastungsstörungen. Springer, Heidelberg 2009, ISBN 978-3-540-88488-0, S. 302–318.
  • Katy Robjant, Mina Fazel: The Emerging Evidence for Narrative Exposure Therapy. A Review. In: Clinical Psychology Review. Band 30 (2010), Heft 8, S. 1030–1039. PMID 20832922.
  • Dorothea Hensel-Dittmann, Maggie Schauer, Martina Ruf, Claudia Catani, Michael Odenwald, Thomas Elbert, Frank Neuner: The treatment of traumatized victims of war and torture. A randomized controlled comparison of Narrative Exposure Therapy and Stress Inoculation Training. In: Psychotherapy and Psychosomatics. Band 80 (2011), S. 345–352, doi:10.1159/000327253.
  • Astrid Pabst, Josef Aldenhoff, Maggie Schauer, Rotraudt Rosentraeger, Martina Ruf, Thomas Elbert, Mareen Seeck-Hirschner: Behandlung von Borderline Störungen mit komorbider Posttraumatischer Belastungsstörung mittels der Narrativen Expositionstherapie (NET). In: Zeitschrift für Nervenheilkunde. (2012) im Druck.
  • Astrid Pabst, Maggie Schauer, Kirsten Bernhardt, Martina Ruf, Robert Goder, Rotraudt Rosentraeger, Thomas Elbert, Josef Aldenhoff, Mareen Seeck-Hirschner: Treatment of patients with borderline personality disorder (BPD) and comorbid posttraumatic stress disorder (PTSD) using narrative exposure therapy (NET). A feasibility study. In: Psychotherapy and Psychosomatics. Band 81 (2012), S. 61–63, ISSN 0033-3190.
  • Frank Neuner, Maggie Schauer, Thomas Elbert: Psychotherapy in War and Crisis Regions. Narrative Exposure Therapy and Beyond (PDF; 571 kB). In: International Society for Traumatic Stress Studies (Hrsg.): ISTSS Traumatic Stresspoints, Band 25 (2011), Heft 1, S. 8–9.

Einzelnachweise

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  1. Maggie Schauer, Frank Neuner, Thomas Elbert.: Narrative exposure therapy : a short-term treatment for traumatic stress disorders. 2nd rev. and expanded ed Auflage. Hogrefe, Cambridge, MA 2011, ISBN 978-0-88937-388-4.
  2. Frank Neuner, Maggie Schauer, Thomas Elbert:: Narrative Exposition und andere narrative Verfahren. 3., vollst. neu bearb. und erw. Auflage. Springer, Heidelberg 2009, ISBN 978-3-540-88488-0.
  3. Astrid Pabst, Josef Aldenhoff, Maggie Schauer, Rotraudt Rosentraeger, Martina Ruf, Thomas Elbert, Mareen Seeck-Hirschner: Behandlung von Borderline Störungen mit komorbider Posttraumatischer Belastungsstörung mittels der Narrativen Expositionstherapie (NET). In: Zeitschrift für Nervenheilkunde. (2012) im Druck.
  4. D. Hensel-Dittmann, M. Schauer, M. Ruf, C. Catani, M. Odenwald: Treatment of Traumatized Victims of War and Torture: A Randomized Controlled Comparison of Narrative Exposure Therapy and Stress Inoculation Training. In: Psychotherapy and Psychosomatics. Band 80, Nr. 6, 2011, S. 345–352, doi:10.1159/000327253 (karger.com [abgerufen am 9. September 2017]).
  5. Martina Ruf, Maggie Schauer, Frank Neuner, Elisabeth Schauer, Claudia Catani, Thomas Elbert.: KIDNET. Narrative Expositionstherapie für Kinder. In: Traumatherapie bei Kindern und Jugendlichen. 2., aktualisierte und erw. Auflage. Hogrefe, Göttingen 2012, ISBN 978-3-8017-2332-3.
  6. Michael White.: Landkarten der narrativen Therapie. 1. Auflage. Carl-Auer-Verlag, Heidelberg 2010, ISBN 978-3-89670-741-3.