Numerus clausus (Recht) – Wikipedia

Numerus clausus (von lateinisch numerus ‚Zahl‘, ‚Anzahl‘ und clausus ‚geschlossen‘) bezeichnet in der Rechtswissenschaft eine abschließende Anzahl an Rechtsformen. Er ist allgemeines Merkmal der absoluten Rechte. Nach Inhalt und Art sind die dinglichen Berechtigungen durch Gesetz beziehungsweise Gewohnheitsrecht abschließend normiert.[1] Das Numerus clausus-Prinzip findet im Gesetz keine ausdrückliche Erwähnung, liegt den maßgeblichen Bestimmungen gleichwohl zugrunde.

Die geschlossene Darstellung des Sachenrechts geht auf den römischen Juristen Gaius im 2. Jh. n. Chr. zurück. Der Denkansatz setzte sich mit dem Pandektenrecht des 19. Jahrhunderts allgemein durch.[2] Ein numerus clausus dient im Sinne der Rechtsanwender der Rechtsklarheit im Rechtsverkehr, indem es über den beschränkten Umfang der Rechtsformen die inhaltliche Gestaltungsfreiheit auf eine überschaubare Zahl reduziert. Der Rechtsverkehr soll dadurch vor versehentlichen Rechtsverletzungen bewahrt werden, die auf Unkenntnis über die Schutzreichweite beruht.[3] Da Eigentumsrechte gegen jeden Dritten wirken, müssen sie, um von jedermann beachtet werden zu können, als dingliche Rechte (leges in rem) einer begrenzten Zahl standardisierter Formen, also einem numerus clausus genügen.[4] Hervorzuheben ist, dass das Numerus-clausus-Prinzip kein übergeordneter „verfassungsgleicher“ Rechtssatz ist. Wenn zur Diskussion steht, ob der Kanon der Rechte des Eigentums durch den Gesetzgeber basierend auf Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG erweitert werden soll, geht eine Berufung auf das Numerus-clausus-Prinzip fehl.[5]

Im Sachenrecht gibt es nur eine, vom Gesetzgeber definierte Zahl von dinglichen Rechten mit einfachgesetzlich vorgeschriebenem Inhalt und Schranken (Typenzwang). Die im dritten Buch des BGB aufgezählten Rechtspositionen dürfen durch die Parteien nicht erweitert werden.[6] Es besteht keine Gestaltungsfreiheit, nach dem Grundsatz, dass die vorhandenen Sachenrechte durch Rechtsanwender nicht, beziehungsweise nur in engen Grenzen inhaltlich abgeändert, gemischt oder kumuliert werden dürfen (Typenfixierung).[7] Es existierten einige von der Rechtsprechung entwickelte Ausnahmen, so Sicherungseigentum; Anwartschaft und Anwartschaftsrecht. Diese Institute fallen unter Gewohnheitsrecht.[8]

Immaterialgüterrecht

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Im Kanon der Immaterialgüterrechte ist der Konflikt zwischen Eigentumsrechten einerseits und Freiheitsausübung andererseits unausweichlich.[9] Daher muss nach deutschem und schweizerischem[10] Verständnis der für die Freiheitsausübung verbleibende Raum durch den Gesetzgeber einfachgesetzlich festgelegt werden.[11] Die gesetzliche Anerkennung ausgewählter Immaterialgüterrechte beruht auf einer für jede Rechtsform individuell durchgeführte Abwägung des Gesetzgebers zwischen dem Bestreben einen angemessenen Schutz des Rechtsinhabers zu gewährleisten sowie über die Ausgestaltung der Schutzvoraussetzungen und Schranken Immaterialgüter zur Förderung eines geistigen Entwicklungsprozesses für die Allgemeinheit freizuhalten.[12] Diesen zeitlich und inhaltlich beschränkten Monopolrechten steht das Grundprinzip des freien Kopierrechts der Allgemeinheit (the „right to copy“)[13] gegenüber, auf dem unser freies Wirtschaftssystem letztlich basiert.

Einzelnachweise

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  1. Hans Hermann Seiler: Geschichte und Gegenwart im Zivilrecht, Heymanns, Köln 2005, ISBN 3-452-25387-2, S. 250.
  2. Hans Josef Wieling: Sachenrecht - Einleitung und Grundsätze. Springer Berlin Heidelberg, 2007, ISBN 978-3-540-37404-6, S. 3–18, doi:10.1007/978-3-540-37404-6_1.
  3. Hans-Jürgen Ahrens: Brauchen wir einen Allgemeinen Teil der Rechte des Geistigen Eigentums? In: GRUR. 2006, S. 617–624, 624 (uni-osnabrueck.de).
  4. David Lindsay: The law and economics of copyright, contract and mass market licences. 2002, ISBN 1-876692-03-0, S. 19 f. unter Bezug auf
    Thomas W. Merrill, Henry E. Smith: Optimal Standardization in the Law of Property: The Numerus Clausus Principle. In: YALE L.J. Band 110, 2000, S. 1 ff. (ssrn.com).,
    Thomas W. Merrill, Henry E. Smith: What Happened to Property in Law and Economics? In: YALE L.J. Band 111, 2001 (ssrn.com).,
    Thomas W. Merrill, Henry E. Smith: The Property/Contract Interface. In: Columbia Law Review. Band 101, 2001, S. 773 (ssrn.com).,
    Richard A. Posner: Economic Analysis of Law. 1998, ISBN 978-0-7355-3474-2, S. 76. und
    Robert P. Merges: The End of Friction? Property Rights and Contract in the "Newtonian" World of On-Line Commerce. In: Berkeley Technology Law Journal. Band 12, Nr. 1, 1997, S. 122 (ssrn.com).
  5. Volker Jänich: Geistiges Eigentum: Eine Komplementärerscheinung zum Sacheigentum? Mohr Siebeck, Tübingen, 2002, ISBN 3-16-147647-6, S. 240. unter Bezug auf Raiser, JZ 1961, 465, 467ff
  6. Jens Thomas Füller: Eigenständiges Sachenrecht? Mohr Siebeck, 2006, ISBN 3-16-148993-4, S. 14.
  7. vgl. Jens Thomas Füller: Eigenständiges Sachenrecht? Mohr Siebeck, 2006, ISBN 3-16-148993-4, S. 370–384.
    A. Peukert: Güterzuordnung als Rechtsprinzip. Mohr Siebeck, 2008, ISBN 978-3-16-149724-7.
    V. Jänich: Geistiges Eigentum - Eine Komplementärerscheinung zum Sacheigentum? Mohr Siebeck, 2002, ISBN 3-16-147647-6.
    A. Ohly: Gibt es einen numerus clausus der Immaterialgüterrechte? FS Schricker. 2005, ISBN 3-406-53501-1.
    Ahrens: Brauchen wir einen Allgemeinen Teil der Rechte des Geistigen Eigentums? In: GRUR. 2006, S. 617–624.
    B. Akkermans: The Principle of Numerus Clausus. In: European Property Law. Intersentia, Antwerpen/Oxford/Portland 2008, ISBN 978-90-5095-824-0.
    T. H. D. Struycken: De Numerus Clausus in het Goederenrecht. Kluwer, 2007, ISBN 978-90-13-04105-7.
    entgegen van Raden, Wertenson: Patentschutz für Dienstleistungen. In: GRUR. 1995, S. 523–527.
  8. Wolfgang Lüke: Sachenrecht. 4. Auflage. C. H. Beck, 2018, ISBN 978-3-406-71811-3, S. Rn. 28.
  9. vgl. Schweizerisches Bundesgericht: 4A.404/2007 "Arzneimittelkompendium". In: GRUR Int. 2008, S. 1053–1055.
    Schweizerisches Bundesgericht: 4C.336/2004. In: GRUR Int. 2006, S. 778–782.
  10. L. David: Ist der Numerus Clausus der Immaterialgüterrechte noch zeitgemäss? In: Aktuelle juristische Praxis (AJP). 4. Jg. 1995 (wwp.ch [PDF; 82 kB; abgerufen am 13. Mai 2009]).
  11. K. N. Peifer: Individualität im Zivilrecht. Mohr Siebeck, 2001, ISBN 3-16-147500-3.
  12. Psczolla: Virtuelle Gegenstände als Objekte der Rechtsordnung. In: JurPC Web-Dok. 17/2009. S. Abs. 28–30 (jurpc.de [abgerufen am 13. Mai 2009]).
  13. Joren De Wachter: The Return of the Public Domain. @1@2Vorlage:Toter Link/www.ipfrontline.comipfrontline.com (Seite nicht mehr abrufbar, festgestellt im Februar 2022. Suche in Webarchiven)