Palmblattmanuskript – Wikipedia
Palmblattmanuskripte sind Manuskripte auf Palmblättern. Sie waren über Jahrhunderte hinweg der wichtigste Textträger in Süd- und Südostasien. In Sri Lanka sind sie als Ola, in Indonesien als Lontar bekannt.
Geschichte
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Südasien
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]In Indien benutzte man ursprünglich Blätter der Talipot-Palme (Corypha umbraculifera) als Schreibmaterial. Wahrscheinlich wurden die Blätter der Talipot-Palme, die im äußerten Süden Indiens heimisch ist, nach der Expansion des Maurya-Reiches im 3. Jahrhundert v. Chr. auch im Norden des Subkontinents eingeführt.[1] Neben dem Palmblatt wurden im alten Indien auch andere Schreibmaterialien verwendet, etwa Birkenrinde, die in Kaschmir bis ins 18. Jahrhundert in Gebrauch blieb.[2]
Die ältesten Palmblattmanuskripte sind in Regionen erhalten geblieben, in denen das Klima die Konservierung begünstigt. In dem an der Seidenstraße gelegenen Turfan (heute Xinjiang, Volksrepublik China) wurden Fragmente von aus Indien stammenden Palmblattmanuskripten gefunden, die anhand ihres Schrifttyps auf die Kuschana-Zeit (wahrscheinlich 2. Jahrhundert n. Chr.) datiert werden. Damit dürfte es sich um die ältesten erhaltenen indischen Manuskripte handeln.[3] In Nepal, wo das Klima kühler ist als in Indien, haben sich zahlreiche alte Palmblattmanuskripte erhalten. Das älteste nepalesische Manuskript, das ein Datum enthält, stammt (je nachdem, welche Ära angenommen wird) wahrscheinlich aus dem Jahr 811 n. Chr. Es gibt aber auch undatierte Manuskripte, die wahrscheinlich noch um einige Jahrhunderte älter sind.[4] Die ältesten bekannten Palmblattmanuskripte aus Südindien werden im Jaina-Tempel von Moodabidri in Karnataka aufbewahrt und sollen aus dem Jahr 1112 stammen.[5]
In Nordindien und Nepal wurden Palmblätter ab dem 13. Jahrhundert unter islamischen Einfluss durch Papier ersetzt.[6] Allerdings sind die indischen Papiermanuskripte durch das Vorbild der Palmblattmanuskripte beeinflusst. So wurde das Querformat beibehalten, und anstelle der Löcher für den Bindfaden, der ursprünglich das Manuskript zusammenhielt, finden sich oft rein ornamentale Kreise. In westlichen Nordindien ersetzte Papier das Palmblatt bis zum 15. Jahrhundert komplett.[7] In Ostindien blieb Palmblatt bis ins 17. Jahrhundert in Gebrauch.[8]
In Südindien und Sri Lanka blieb Palmblatt das bevorzugte Schreibmaterial und kam erst mit dem Aufkommen von Druckerpressen im Laufe des 19. Jahrhunderts außer Gebrauch. Allerdings wurde die Talipot-Palme dort ab dem 16. Jahrhundert durch die Palmyrapalme (Borassus flabelliformis) abgelöst. Der Grund dürfte im höheren Nutzwert der Palmyrapalme liegen, bei der auch die Früchte verwertbar sind. Als Schreibmaterial sind die Blätter der Palmyrapalme aber denen der Talipot-Palme unterlegen, weil sie kleiner und weniger flexibel sind und Tinte nicht genauso gut aufnehmen. Daher ging man in Südindien dazu über, den Text mit einem Griffel einzuritzen statt die Manuskripte, wie es bei den älteren Palmblattmanuskripten der Fall war, mit Tinte zu beschreiben.[9]
Südostasien
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Von Indien aus verbreitete sich Palmblatt als Schreibmaterial nach Südostasien. In Thailand waren neben Palmblattmanuskripten auch Leporello-Manuskripte auf aus der Rinde des Khoi-Baumes (Streblus asper) hergestelltem Papier gebräuchlich (vgl. Samut Khoi). Palmblatt wurde dabei vor allem für buddhistische Schriften verwendet, während säkulare Texte auf Khoi-Papier geschrieben wurden.[10]
Auch im Malaiischen Archipel waren Palmblattmanuskripte verbreitet. Mit der Ausbreitung der lokalen Version der arabischen Schrift (Jawi), die sich ab dem 14. Jahrhundert mit der Islamisierung der Region einherging, wechselte man aber zu Papier als Schreibmaterial. Nur auf Java und Bali, wo indischstämmige Schriften (javanische Schrift und balinesische Schrift) beibehalten wurden, blieben Palmblattmanuskripte bis ins 19. Jahrhundert in Gebrauch. Auf Sumatra wurde für Manuskripte in der Batak-Schrift dagegen die Rinde des Agarbaumes (Aquilaria malaccensis) benutzt (vgl. Pustaha).[11]
Herstellung und Konservierung
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Herstellung
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Bevor sie beschriftet werden konnten, wurden Palmblätter zur gewünschten Größe zurechtgeschnitten. Das extreme Querformat von Palmblattmanuskripten ist dabei den natürlichen Dimensionen des Palmblatts geschuldet. In der Regel liegt die Breite zwischen 15 und 60 cm und die Höhe zwischen 3 und 12 cm. Um sie flexibel zu machen, wurden die Palmblätter gekocht, getrocknet und anschließend glatt poliert. Die benötigte Anzahl an Palmblättern wurde zu einem Bündel zusammengefasst. Hierzu wurden die einzelnen Blätter mit einem oder zwei Löchern ausgestattet, durch die ein Bindfaden geführt wurde, der das Bündel zusammenhielt. Zum Schutz der Blätter erhielt das Manuskript oben und unten je einen meist hölzernen Deckel. Zuletzt wurde das Bündel in ein Tuch eingewickelt.[12] Bisweilen kommen auch kunstvoll gestaltete Palmblattmanuskripte vor, bei denen die Blätter in eine spezielle Form, z. B. bei hinduistischen Texten in die eines Lingas, zurechtgeschnitten wurden.[13]
Beschriftung
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Zum Beschreiben gab es zwei verschiedene Methoden: Die nordindischen Manuskripte wurden mittels einer Feder oder eines Pinsels mit Tinte beschriftet. Bei den südindischen und südostasiatischen Manuskripten wurde der Text dagegen mit einem Griffel eingeritzt. Anschließend wurde das Manuskript mit einem Gemisch aus Öl und Ruß eingeschmiert und dann abgewischt. Das Öl-Ruß-Gemisch blieb in den Einkerbungen haften, sodass sich der Text hervorhob.
Konservierung
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Palmblatt ist als natürliches Material anfällig für Fäulnis und wird – in Abhängigkeit von den klimatischen Rahmenbedingungen – im Lauf der Zeit von Silberfischchen zerstört. Zur Konservierung von Palmblattmanuskripten existieren verschiedene traditionelle Methoden. So können die Blätter mit Zitronengrasöl behandelt werden, das als natürliches Insektizid wirkt. Ein auf einem Palmblatt geschriebenes Manuskript hat aber eine begrenzte Lebensdauer und muss in dieser Zeit auf ein neues Palmblatt kopiert werden. Auch möglich ist die Behandlung mit Bienenwachs und Chinawachs.[14]
Einzelnachweise
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- ↑ Jeremiah P. Losty: The Art of the Book in India. The British Library Publishing Division, 1982, ISBN 978-0-904654-78-3, S. 5.
- ↑ Losty 1982, S. 8.
- ↑ Harry Falk: Schrift in alten Indien. Ein Forschungsbericht mit Anmerkungen. Tübingen: Gunter Narr Verlag, 1993, ISBN 978-3-8233-4271-7, S. 313.
- ↑ Kengo Harimoto: In Search of the Oldest Nepalese Manuscript. In: Rivista degli studi orientali. Nuova Serie, Vol. 84, Fasc. 1/4, (2011), S. 85–106.
- ↑ Losty 1982, S. 6.
- ↑ Losty 1982, S. 5.
- ↑ Losty 1982, S. 11–12.
- ↑ Losty 1982, S. 6.
- ↑ Losty 1982, S. 6–7.
- ↑ Volker Grabowsky: Manuskriptkultur der Thai / Manuscript Culture of the Thai. In: manuscript cultures. 4 (2011) (= Katalog zur Ausstellung „Faszination Handschrift: 2000 Jahre Manuskriptkulturen in Asien, Afrika und Europa“ in der Staats- und Universitätsbibliothek Hamburg, 17. November 2011 bis 8. Januar 2012), S. 145–156, hier S. 145.
- ↑ E. Ulrich Kratz: Manuskriptkulturen der Malaiischen Welt / Manuscript Cultures in Island Southeast Asia. In: manuscript cultures 4 (2011) (= Katalog zur Ausstellung „Faszination Handschrift: 2000 Jahre Manuskriptkulturen in Asien, Afrika und Europa“ in der Staats- und Universitätsbibliothek Hamburg, 17. November 2011 bis 8. Januar 2012), S. 133–144, hier S. 138.
- ↑ D. Udaya Kumar, G. V. Sreekumar, U. A. Athvankar: Traditional writing system in Southern India — Palm leaf manuscripts. In: Design Thoughts. Juli 2009, S. 2–7, hier S. 3.
- ↑ Losty 1982, S. 8.
- ↑ Eine Methode Palmblattmanuskripte zu restaurieren und konservieren ( des vom 22. Januar 2017 im Internet Archive) Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis. (PDF, 2,39 MB), auf iada-home.org, abgerufen am 22. Januar 2017.