Handzuginstrument – Wikipedia

Deutsche Knopfziehharmonika aus dem frühen 20. Jahrhundert.

Ein Handzuginstrument (Ziehharmonika) oder eine Handharmonika ist ein Musikinstrument mit einem Balg, der durch das Zudrücken und Aufziehen einen Luftstrom erzeugt, um durchschlagende Zungen in Schwingung zu bringen und somit Töne zu erzeugen. Handzuginstrumente gehören daher zu den Aerophonen, im Speziellen den Harmonikainstrumenten.

Zur Benennung der Gruppe

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Heute wird in der Regel die Bezeichnung Akkordeon für die moderneren Formen verwendet. Die Konzertina und das Bandoneon sind Spielarten des Akkordeons.

Der Ausdruck ‚Handzuginstrument‘ ist eine neue deutsche Bezeichnung für diese Instrumentengruppe. Der älteste Name dieser Instrumentengruppe ist eigentlich ‚Harmonika‘, diese Bezeichnung geht auf die Entwicklung der Handzuginstrumente aus der Physharmonika (Vorläufer des Harmoniums) hervor.

Vor allem spricht man aber von Ziehharmonika, wodurch der Unterschied dieser Instrumente zu Instrumenten mit Blasebalg klar wird, der seine erwünschte Wirkung nur beim Zusammendrücken erzeugt, während Handzuginstrumente auch beim Auseinanderziehen des Balges weitergespielt werden können, denn die Luft strömt durch die Tonkanzellen sowohl ein als auch aus. Auch zu den anderen Harmonikainstrumenten (Mund-, Blasharmonikas und Mundorgeln ohne Balg, und den klavier- bzw. orgelartigen Konzertinstrumenten im Stile des Harmoniums, und zahlreichen anderen Formen) differenziert der Ausdruck.

Umgangs- und volkssprachliche Begriffe für solche Instrumente sind Zugharmonie, Maurerklavier oder Schifferklavier, Ziehamriemen, mundartlich bairisch Raunl, despektierlich auch Quetschkommode, Wanzenquetsche und anderes.[1][2][3] In der Volksmusik waren die Ziehharmonikas beliebt, weil sie den ersten brauchbaren Ersatz für den Dudelsack darstellten, auch die Zither, die sehr schwer zu spielen und empfindlich ist und nur im Sitzen gespielt werden kann, hat sie weitgehend verdrängt.[4]

Historischer Überblick 1800 bis 1830

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Siehe auch: Geschichte der Stimmzunge

Ein Überblick über die Erfindungen zwischen 1800 und 1830 findet sich in Eduard Hanslicks Geschichte des Concertwesens in Wien (1869).[5] Darin werden noch weitere exotische Namen von Harmonikainstrumenten genannt, die es nur noch in Museen zu sehen gibt:

Die Zeit der wunderlichen neuartigen Instrumente, welche zu Ende des 18. Jahrhunderts so zahlreich auftauchten, war keineswegs zu Ende. In den ersten 20 Jahren finden wir noch einen starken Nachschub, meist in Abarten des Claviers und der Glasharmonika und Combinationen derselben bestehend. Zuerst war es die gefeierte Muse der Glasharmonika, die blinde Marianne Kirchgaßner, welche im J. 1800 neuerdings nach Wien kam und 2 Concerte gab. Ihr Instrument stand damals noch ziemlich in Gunst. (In Prag begleitete 1808 in einem Wohlthätigkeits-Koncert Herr Maschek den Traum des Franz Moor, aus den „Räubern“, auf der Harmonika!) Im J. 1805 producirte der Wiener Instrumentenmacher Müller die von ihm verbesserte (Röllig’sche) „Xänorphita“, welche, wie ein Clavier gespielt, die Harmonie eines Violinquartetts nachahmte. Auch Herr Posch spielte im selben Jahre auf demselben Instrument. Eine neue Harmonika-Combination war das Panmelodion, welches der Erfinder Leppich, gemeinschaftlich mit Conradin Kreutzer im Augarten producirte (1810). Die Hauptnummer war ein von Kreutzer componirtes Gedicht „die Entstehung der Harmonie“, gesungen von Herrn und Madame Ehlers, mit Begleitung des Panmelodions. Im folgenden Jahr erschien ein Hr. Schnell mit seinem Instrument „Amenocorde“ und 1815 der Mechaniker und Pianist Leonh. Mälzel (Bruder des berühmteren Ioh. Nepomuk Mälzel) mit seiner „Orpheus-Harmonie“, einer Zusammensetzung von Stahlstäben und Geigenbogen mit Tastatur, verwandt der Stahlharmonika und Xänorphila. Was noch in dem Jahrzehnt 1820 bis 1830 von derlei Phantasieinstrumenten erscheint, sind bloße letzte Nachklänge einer absterbenden Richtung. Außer Leppich’s, im J. 1822, neuerdings in Erinneruug gebrachtem „Panmelodion“, tauchte 1825 eine Clavierabart, Namens „Sirenion“ auf, von dem Erfinder Promberger und seinem 13 jährigen Sohne gespielt, endlich im selben Jahr die „Claveoline“ (eine von Eschenbach erfundene Art Physharmonika mit Pfeifen, Tasten und Pedal) von Lauge aus Cassel gespielt. Franz Xaver Gebauer, der Gründer der „Spirituel-Concerte“, machte Anfangs sein Glück in Wien durch seine Fertigkeit auf der Mundharmonika. Im Fache der musikalischen Automaten stand der Mechaniker Joh. Nepomuk Mälzel, der berühmte Erfinder des Metronoms, obenan. Er producirte in Wien im Jahre 1809 seinen „mechanischen Trompeter“ (welcher den Anstoß zu dem vollkommenen Trompeter-Automaten Kaufmann’s in Dresden gab), dann wiederholt in späteren Jahren (zuletzt 1828 im Augarten) seine aus sechsunddreißig Trompeten zusammengesetzte „Trompetenmaschine“. Ein ander Mechaniker, Bauer, besuchte Wien im Jahre 1829 mit seinem „Orchestrion“. Mit ähnlichen Instrumenten und Spielwerken hat späterhin nur noch Fr. Kaufmann Erfolg gehabt, namentlich mit seinem ausgezeichneten „Harmonichord“ (einem clavirartigen Tasteninstrument) und dem „Chordaulodion“ (Flötensaitengesang). Im Allgemeinen ist die Aufmerksamkeit dafür rasch geschwunden, und die oben angeführten zahlreichen Fantasie-Instrumente waren im Jahre 1830 bis auf den Namen verschollen. Ein neues Instrument tritt dafür zu Anfang der zwanziger Jahre auf den musikalischen Schauplatz: die Physharmonika. Die Nr. 30 der Wiener Musikzeitung vom Jahre 1821 meldet zuerst die Erfindung dieses Instruments durch den Wiener Instrumentenmacher Anton Hackel. Hieronimus Paier, Componist und Clavierlehrer in Wien, producirte die Physharmonika zuerst öffentlich, und zwar mit eigens dafür von ihm componirten Stücken (Phantasie und Variationen) in der Wohlthäigkeitsakademie im Kärntnerthor-Theater am 15. November 1824. Payer’s Spiel gefiel sehr, er wurde gerufen und führte den Erfinder A. Hackel mit heraus. Bald darauf verlegte sich Lickl auf die Physharmonika und ließ sich mit einer selbst componirten „Serenade“ am Pfingstsonntag 1823 im Kärntnerthor-Theater zum ersten Male öffentlich hören. Seitdem ist in Wien die Physharmonika durch dreißig Jahre Lickl’s künstlerisches Monopol geblieben; trefflicher Virtuose auf diesem Instrument, hat er zugleich eine förmliche Literatur für dasselbe, um nicht schlechtweg zu sagen „die Literatur desselben“ geschaffen.

Die Tonerzeugung mittels Durchschlagzungen sowohl im Zudrücken wie auch im Aufziehen des Balges ist eines der wichtigsten Merkmale der Handzuginstrumente. Verwandte Balginstrumente wie das Harmonium und der Vorläufer Physharmonika weichen diesbezüglich ab. Ursprünglich wurden die Tonzungen als Federn bezeichnet.

  • Thomas Eickhoff: Kultur-Geschichte der Harmonika. Schmülling, Kamen 1991, ISBN 3-925572-05-8.
  • Josef Focht, Herbert Grünwald (Hrsg.): Konzertina, Bandonion, Akkordeon. Die Entwicklung der Harmonika-Instrumente und ihr Spiel in Bayern. Mit Beiträgen von Dieter Krickeberg und Kari Oriwohl. Volksmusiksammlung und -Dokumentation in Bayern. Nr. E 12. Bayerischer Landesverein für Heimatpflege e. V., München 1999.
  • Karl M. Klier: Volkstümliche Musikinstrumente in den Alpen. Bärenreiter, Kassel 1956 (Kommentar: Hans Commenda: Volkstümliche Musikinstrumente in den Alpen. Zu dem gleichnamigen Buch von Karl M. Klier. In: Oberösterreichische Heimatblätter. Jahrgang 12, Heft 1/2 (Jänner–Juni), Linz 1958, S. 74–79, ooegeschichte.at [PDF; 469 KB]).
Commons: Squeezeboxes – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien
Commons: Accordions – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien
Wiktionary: Ziehharmonika – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen

Einzelnachweise

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  1. Josef Focht: Fotzhobel, Maultrommel und Harmonika in frühen volksmusikalischen Quellen. In: Grünwald/Focht: Konzertina, Bandonion, Akkordeon. 1999, S. 5–10.
  2. Edgar Niemeczek: Musik aus der Rocktasche. In: Schaufenster Volkskultur. Atzenbrugg 2007,3.
  3. In aller Munde. Ausstellungskatalog Technisches Museum, Wien 2002. zit. n. Tascheninstrumente. In: ABC zur Volkskunde Österreichs. Austria-Lexikon
  4. Hans Commenda: Volkstümliche Musikinstrumente in den Alpen. Zu dem gleichnamigen Buch von Karl M. Klier. In: Oberösterreichische Heimatblätter. Jahrgang 12, Heft 1/2 (Jänner–Juni), Linz 1958, S. 78, ooegeschichte.at [PDF; 469 KB].
  5. Eduard Hanslick (Hrsg.): Geschichte des Concertwesens in Wien, Band 1 (1869), S. 258 f.