Rüdiger Safranski – Wikipedia
Rüdiger Safranski (* 1. Januar 1945 in Rottweil) ist ein deutscher Literaturwissenschaftler, Philosoph und Schriftsteller.
Leben
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Safranski wuchs unter dem prägenden Einfluss seiner pietistischen Großmutter auf. Seine Eltern waren zwar konfessionslos, bildeten aber, da sie wegen Berufstätigkeit meist abwesend waren, ein so geringes Gegengewicht, dass Safranski nach dem Besuch des humanistischen Gymnasiums in Rottweil Theologie studieren wollte. Nach dem pflichtgemäß vorher absolvierten diakonischen Halbjahr entschied er sich jedoch dagegen.[1] Er studierte stattdessen ab 1965 Philosophie (u. a. bei Theodor W. Adorno), Germanistik, Geschichte und Kunstgeschichte an den Universitäten Frankfurt am Main und Berlin. 1970 gehörte er zu den Gründungsmitgliedern der maoistisch orientierten Kommunistischen Partei Deutschlands/Aufbauorganisation (KPD/AO).[2] An der Freien Universität Berlin arbeitete er von 1972 bis 1977 als wissenschaftlicher Assistent im Fachbereich Germanistik und promovierte 1976 mit der Arbeit Studien zur Entwicklung der Arbeiterliteratur in der Bundesrepublik.
Ab dem ersten Heft vom November 1976 arbeitete Safranski als Ständiger Mitarbeiter und ab dem zehnten Heft vom Februar 1979 als Mitherausgeber und Redakteur der Berliner Hefte : Zeitschrift für Kultur und Politik.[3] Von 1977 bis 1982 wirkte er als Dozent in der Erwachsenenbildung und ließ sich 1987 als freier Schriftsteller in Berlin nieder. Er wurde vor allem durch Monografien zu Friedrich Schiller, E. T. A. Hoffmann, Arthur Schopenhauer, Friedrich Nietzsche, Johann Wolfgang von Goethe und Martin Heidegger bekannt. Er ist seit 1994 Mitglied des PEN-Zentrums Deutschland und seit 2001 Mitglied der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung in Darmstadt. Von 2002 bis 2012 moderierte er zusammen mit Peter Sloterdijk das Philosophische Quartett im ZDF. Der Akademische Senat der Freien Universität Berlin bestellte Rüdiger Safranski im Sommer 2012 zum Honorarprofessor am Fachbereich Philosophie und Geisteswissenschaften.[4]
Von September 2012 bis Mai 2014 nahm Safranski gemeinsam mit Elke Heidenreich und Hildegard Elisabeth Keller an der Sendung Literaturclub des Schweizer Fernsehens teil, die von Stefan Zweifel moderiert wurde. 2015 wurde er eingeladen, die Festrede zur Eröffnung der Salzburger Festspiele zu halten.[5]
Safranski distanzierte sich Ende 2015 von der deutschen Flüchtlingspolitik und insbesondere der „Begrüßungskultur“, die „nur eine Weile lang Spaß“ mache. Er sprach von „bald mehrere[n] Millionen“ Flüchtlingen und erklärte, dass die nächste Flüchtlingswelle aus Afghanistan bereits anrolle.[6] Gegenüber der Welt äußerte er: „Die Politik hat die Entscheidung getroffen, Deutschland zu fluten“.[7] Der Publizist Georg Seeßlen warf ihm – sowie Peter Sloterdijk – daraufhin vor, einen antimodernen Diskurs der politischen Rechten aufzugreifen und dazu beizutragen, dass eine vernunftgeleitete Diskussion nicht mehr möglich sei. Sexuell interpretierbare Metaphern innerhalb der Diskussion um Flüchtlinge, beispielsweise die der „Flut“, seien hinreichend analysiert worden und Safranski könne hier keine Unkenntnis unterstellt werden.[8]
Im Jahr 2005 heirateten Rüdiger Safranski und seine langjährige Lebensgefährtin Gisela Nicklaus. Seit 2009 lebt er in Badenweiler.[9]
Publikationen (Auswahl)
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- Studien zur Entwicklung der Arbeiterliteratur in der Bundesrepublik. Berlin 1977, DNB 780724062 (Dissertation FU Berlin, Fachbereich 16 - Germanistik, 1976, 307 Seiten).
- E.T.A. Hoffmann. Das Leben eines skeptischen Phantasten. Hanser, München u. a. 1984, ISBN 3-446-13822-6.
- Schopenhauer und die wilden Jahre der Philosophie. Eine Biographie. 2. Aufl. Hanser, München u. a. 1988, ISBN 3-446-14490-0.
- Wieviel Wahrheit braucht der Mensch? Über das Denkbare und das Lebbare. Hanser, München u. a. 1990, ISBN 3-446-16045-0.
- Ein Meister aus Deutschland. Heidegger und seine Zeit. Hanser, München u. a. 1994, ISBN 3-446-17874-0.
- Das Böse oder Das Drama der Freiheit. Hanser, München 1997, ISBN 3-446-18767-7.[10]
- Nietzsche. Biographie seines Denkens. Hanser, München u. a. 2000, ISBN 3-446-19938-1.[11]
- Wieviel Globalisierung verträgt der Mensch? Hanser, München u. a. 2003, ISBN 3-446-20261-7.
- Schiller oder die Erfindung des Deutschen Idealismus. Hanser, München u. a. 2004, ISBN 3-446-20548-9.[12]
- als Hörbuch (gekürzte Autoren-Lesung) mit Rüdiger Safranski als Sprecher. Random House Audio, München 2013.
- Schiller als Philosoph – Eine Anthologie. wjs-Verlag, Berlin 2005, ISBN 3-937989-08-0.
- Romantik. Eine deutsche Affäre. Hanser, München u. a. 2007, ISBN 978-3-446-20944-2.
- Goethe und Schiller. Geschichte einer Freundschaft. Hanser, München u. a. 2009, ISBN 978-3-446-23326-3.
- Goethe. Kunstwerk des Lebens. Biografie. Hanser, München. 2013. ISBN 978-3-446-23581-6; Fischer Taschenbuch, Frankfurt am Main 2015, ISBN 978-3-596-19838-2. (Platz 1 der Spiegel-Bestsellerliste vom 9. bis zum 29. September 2013)
- als Hörbuch (gekürzte, autorisierte Lesung mit Rüdiger Safranski und Frank Arnold als Sprecher). Random House Audio, München 2013, ISBN 978-3-8371-2320-3.
- Zeit, was sie mit uns macht und was wir aus ihr machen. Hanser, München 2015, ISBN 978-3-446-23653-0.
- Der Weg aus der Festung. Reflexion zum Text der Kantate Er rufet seinen Schafen mit Namen von Johann Sebastian Bach. J. S. Bach-Stiftung, 2015.
- auf DVD: Johann Sebastian Bach: Er rufet seinen Schafen mit Namen. Kantate BWV 175. Mirjam Berli (Sopran), Marianne Beate Kielland (Alt), Georg Poplutz (Tenor), Dominik Wörner (Bass), Chor und Orchester der J. S. Bach-Stiftung, Rudolf Lutz (Leitung). Samt Einführungsworkshop sowie Reflexion von Rüdiger Safranski. Gallus Media, 2016.[13]
- Hölderlin. Komm! ins Offene, Freund! Biographie, Hanser, München 2019, ISBN 978-3-446-26408-3.
- Einzeln sein. Eine philosophische Herausforderung. Hanser, München 2021, ISBN 978-3-446-25671-2.
- Kafka. Um sein Leben schreiben. Hanser, Berlin 2024, ISBN 978-3-446-27972-8.
Interviews
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- Peter Voß: „Sind wir Deutsche hoffnungslose Romantiker, Herr Safranski?“ Interview auf 3sat, 12. Oktober 2007, Hörfassung auf SWR2, 20. Oktober 2007
- Max Lorenzen: Philosophie macht die Welt geräumig. Gespräch mit Rüdiger Safranski ( vom 4. November 2013 im Internet Archive), Marburger Forum, 4. November 2013
- Judith Hecht: Safranski: „Den politischen Islam will ich nicht bei uns haben.“ Interview in: Die Presse, 20. März 2016
- René Scheu: Safranski: „Die Angst vor dem politischen Islam ist da, doch singt man laut im Walde.“ Interview in: Neue Zürcher Zeitung, 6. Mai 2017
- Joachim Scholl: Rolf Peter Sieferle und sein „Finis Germania“ – Eine „fahrlässige und hysterische“ Debatte. Interview in: Deutschlandfunk Kultur, 25. Juni 2017
- Sebastian Hammelehle: „Es gibt keine Pflicht zur Fremdenfreundlichkeit“. SPIEGEL-Gespräch mit dem Philosophen Rüdiger Safranski über die Frage, ob Rechte und Linke noch miteinander reden können. In: Der Spiegel. 12/2018 vom 17. März 2018, S. 116–119; Zusammenfassung: Safranski beklagt „inflationäres Geschwätz von Islamophobie“, In: Die Welt, 17. März 2018.
- Rüdiger Safranski: Klassiker! Ein Gespräch über die Literatur und das Leben mit Michael Krüger und Martin Meyer. Carl Hanser Verlag, München 2019.
Auszeichnungen
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- 1995: Friedrich-Märker-Preis für Essayisten
- 1996: Wilhelm-Heinse-Medaille der Mainzer Akademie der Wissenschaften und der Literatur
- 1998: Ernst-Robert-Curtius-Preis für Essayistik
- 2000: Friedrich-Nietzsche-Preis des Landes Sachsen-Anhalt
- 2003: Premio Internazionale Federico Nietzsche der italienischen Nietzsche-Gesellschaft
- 2005: Preis der Leipziger Buchmesse in der Kategorie Sachbuch/Essayistik für Schiller oder Die Erfindung des Deutschen Idealismus
- 2006: Friedrich-Hölderlin-Preis der Stadt Bad Homburg; Welt-Literaturpreis
- 2009: Corine – Internationaler Buchpreis, Ehrenpreis des Bayerischen Ministerpräsidenten für sein Lebenswerk
- 2009: Verdienstkreuz 1. Klasse der Bundesrepublik Deutschland
- 2010: Pfeifenraucher des Jahres, Ehrenpreis der Tabakindustrie
- 2010: Paul-Watzlawick-Ehrenring[14]
- 2011: Oberschwäbischer Kunstpreis
- 2011: Allgäu-Preis für Philosophie
- 2013: Stern des Jahres der Münchener Abendzeitung in der Kategorie „Sachbuch“[15]
- 2014: Preis der Josef-Pieper-Stiftung
- 2014: Literaturpreis der Konrad-Adenauer-Stiftung
- 2014: Thomas-Mann-Preis
- 2017: Ludwig-Börne-Preis
- 2017: E.T.A. Hoffmann-Medaille der E.T.A. Hoffmann-Gesellschaft[16]
- 2018: Deutscher Nationalpreis[17]
Weblinks
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- Literatur von und über Rüdiger Safranski im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek
- Rüdiger Safranski: Gott ist doch nicht tot. In: Cicero, 28. April 2004.
- Cees Nooteboom: Meister der deutschen Themen – Die Laudatio anlässlich der Verleihung des WELT-Literaturpreises an Rüdiger Safranski. In: Die Welt vom 11. November 2006.
- Rüdiger Safranski, Schriftsteller, im Gespräch mit Joachim Scholl. DLF (Deutschlandfunk) „Zwischentöne“. Musik und Fragen zur Person vom 22. November 2015
Einzelnachweise
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- ↑ Interview In die Freiheit manövriert. In: Neue Zürcher Zeitung, 11. November 2016.
- ↑ Peter Schneider: Rebellion und Wahn. Mein '68. Köln 2008, S. 334 f.
- ↑ Vgl. jeweils das Impressum der Hefte, einsehbar z. B. in der DNB in Frankfurt. Die Berliner Hefte erschienen bis 1981.
- ↑ Prof. Dr. Rüdiger Safranski ist zum Honorarprofessor am Fachbereich bestellt worden.
- ↑ Salzburger Festspiele: Rüdiger Safranski hält Eröffnungsrede. In: derstandard.at, 4. März 2015, abgerufen am 18. Juli 2015.
- ↑ Martin Helg: Rüdiger Safranski: «Die Deutschen sind in der Pubertät.» In: NZZ am Sonntag, 8. November 2015, abgerufen am 2. Februar 2016
- ↑ Matthias Matussek: "Deutschland fluten? Da möchte ich gefragt werden". In: welt.de. 28. September 2015, abgerufen am 17. März 2016.
- ↑ Benjamin Moldenhauer: Diskurs über die AfD: "Halbfaschistischer Sumpf". In: Spiegel Online. 17. März 2016, abgerufen am 17. März 2016.
- ↑ „Ein Ort mit Charme“. Interview mit dem Schriftsteller Rüdiger Safranski, einem Neubürger von Badenweiler. In: Badische Zeitung, 4. Januar 2010, abgerufen am 7. März 2011.
- ↑ Rezension von Micha Brumlik, in Die Zeit, Die Gewalt der Freiheit, am 19. September 1997.
- ↑ Rezension: Ijoma Mangold, in der Berliner Zeitung, 18. August 2000.
- ↑ Rezension: Manfred Koch in NZZ, 25. September 2004.
- ↑ Produktinformationen. ( des vom 17. Mai 2016 im Internet Archive) Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis. Website der J. S. Bach-Stiftung, abgerufen am 16. Mai 2016.
- ↑ Paul Watzlawick-Ehrenring. Abgerufen am 22. April 2015.
- ↑ Stern des Jahres 2013 Sachbuch: Rüdiger Safranski. In: Abendzeitung, 26. Dezember 2013.
- ↑ Christoph Hägele: Rüdiger Safranski denkt in Hallstadt über die Zeit nach. Seine Lesung vor den Toren Bambergs war für den E.T.A.-Hoffmann-Biografen Rüdiger Safranski fast ein Heimspiel. In: infranken.de, 17. Februar 2017, abgerufen am 17. Februar 2017.
- ↑ Deutscher Nationalpreis für Rüdiger Safranski ( vom 19. Juni 2018 im Internet Archive), Deutschlandfunk Kultur vom 15. März 2018, abgerufen am 19. Juni 2018
Personendaten | |
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NAME | Safranski, Rüdiger |
KURZBESCHREIBUNG | deutscher Schriftsteller |
GEBURTSDATUM | 1. Januar 1945 |
GEBURTSORT | Rottweil |