Rodinium – Wikipedia

Das Rodinium ist Teil eines Vorschlags zur Neugliederung des Präkambriums von Gradstein u. a. (2012)[1]. Es ist daher nicht Teil der international anerkannten stratigrafischen Zeitskala.

Gemäß diesem Vorschlag soll das Rodinium die vierte Periode innerhalb des Äons Proterozoikum und die einzige Periode innerhalb der Ära Mesoproterozoikum werden. Es würde auf die Periode des Columbiums folgen und wird dann seinerseits von der Periode des Cryogeniums abgelöst. Das Rodinium würde 930 Millionen Jahre umfassen und den Zeitraum von 1780 Millionen Jahren BP bis 850 Millionen Jahren füllen. Es ersetzt das frühere Statherium, Calymmium, Ectasium, Stenium und Tonium.

Das Rodinium, Englisch Rodinian, wurde vom Superkontinent Rodinia abgeleitet, der zwischen 1300 und 900 Millionen Jahren BP akkretierte. Rodinia stammt seinerseits vom Russischen Родить, rodítj, mit der Bedeutung gebären oder von Родина, ródina, das Mutterland, Heimatland bedeutet.

Definition des Rodiniums

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Das Rodinium beginnt mit dem erstmaligen Auftreten sulfidischer, reduzierender, mariner Ablagerungen um 1780 Millionen Jahren BP. Ein GSSP ist für die Untergrenze noch nicht festgemacht worden, er könnte aber mit dem Ersterscheinen von Acritarchen oder den ersten, riesigen Sulfidlagerstätten definiert werden. Für die Obergrenze des Rodiniums bei 850 Millionen Jahren BP besteht ebenfalls noch kein GSSP, dieser könnte aber anhand des Erstauftretens von Metazoen oder durch δ13C- oder Strontium-Anomalien charakterisiert werden.

Trotz des Zerfalls des Superkontinents Columbia und der anschließenden Bildung von Rodinia im Zeitraum 1300 bis 900 Millionen Jahre BP[2] wird die enorm lange, fast eine Milliarde Jahre dauernde Periode des Rodiniums von einer ausgesprochenen Stabilität der wesentlichen, biologisch relevanten Isotopensysteme geprägt (so schwankten beispielsweise die δ13C-Werte in Karbonaten nur noch geringfügig um 0 ‰).

In ihr verschwanden erneut die Bändererze, die erst gegen 800 Millionen Jahre BP in eingeschränktem Maß wieder auftauchen sollten. Bezeichnenderweise sind im langen Verlauf des Rodiniums keinerlei Vereisungen mehr zu verzeichnen. Weitere herausragende Charakteristika dieser Periode (d. h. des gesamten Mesoproterozoikums) sind sulfidische, reduzierende Tiefenwässer und eine allmähliche Diversifizierung der Eukaryoten.

In der Erdatmosphäre stiegen die Sauerstoffkonzentrationen weiter langsam stetig an (bis auf 8 bis 15 % des heutigen Werts),[3] die Kohlendioxidpartialdrücke fielen jedoch, erkennbar am Ausbleiben massiver Sideritablagerungen ab 1800 Millionen Jahren BP.[4] Die Methankonzentrationen blieben während des Rodiniums wahrscheinlich weiterhin hoch und erwärmten als dünner Dunstschleier die damaligen Kontinente.[5] Möglicherweise nahm damals Lachgas (N2O) ebenfalls die Rolle eines Treibhausgases ein.[6]

Der Sauerstoffanstieg ließ zwei neue Typen von Erzlagerstätten entstehen:

Bei den Weltmeeren schlägt Canfield für die Dauer des Rodiniums eine Stratifizierung vor (so genannter Canfield-Ozean), mit einer sauerstoffreichen Oberflächenschicht und euxinischen, schwefelwasserstoffreichen Tiefenwässern. Das Canfield-Modell beruht auf Beobachtungen wie geringen Sulfatkonzentrationen im Meerwasser (5 bis 15 % des heutigen Werts),[9] sulfidhaltigen, anoxischen Tiefenwässern[10] und der Ausbildung massiver Sulfidlagerstätten. Das relativ einfache Canfield-Modell wird aber nicht generell akzeptiert, sondern es sind auch wesentlich kompliziertere Modelle mit lateralen und vertikalen Gradienten im Gespräch.[11]

Der Übergang von den an Eisen angereicherten, sauerstoffuntersättigten Ozeanen des Paläoproterozoikums zu sulfidhaltigen Meeren des Rodiniums lässt sich einerseits durch vollständiges Ausfällen des verfügbaren Eisens, andererseits durch verstärkte oxidative Verwitterung auf den Kontinenten erklären. Durch die gestiegene Erosionstätigkeit wurden jetzt Sulfate in die Meere gespült, die von Mikroben zu Sulfiden reduziert wurden.

Biologische Evolution

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Die Evolution der Lebewesen durchlebte während des Rodiniums eine deutliche Diversifizierung der Eukaryoten. Die ältesten eukaryotischen Acritarchen stammen aus der rund 1800 Millionen Jahre alten Changzhougou-Formation in der Volksrepublik China.[12] Ebenfalls in China wurden in der Tuanshanzi-Formation rund 1700 Millionen Jahre alte, mehrzellige Organismen entdeckt[13] und von Haines (1997) wurden in 1750 Millionen Jahre alten Gesteinen Nordaustraliens Sedimentspuren beschrieben, die von Algenfäden erzeugt wurden.[14]

Grypania spiralis, der älteste bekannte Eukaryot, geht auf 2100 Millionen Jahre BP zurück. Zwischen 1600 und 1450 Millionen Jahren BP tritt er nach wie vor in Indien,[15] in China[16] und in den Vereinigten Staaten[17] auf. Diese extrem lange Verbreitungszeit von Grypania wurde als evolutive Stagnation interpretiert, die angeblich von euxinischen Tiefenwässern verursacht worden war. Durch niedrige Molybdän-, Eisen- und Stickstoffverfügbarkeit soll die Stickstofffixierung für Eukaryoten damals erschwert gewesen sein.[18]

Dennoch weisen makroskopische und mikrofossile Befunde darauf hin, dass die Eukaryoten zwischen 1500 und 1400 Millionen Jahren BP sich zu diversifizieren begannen. Um 1200 Millionen Jahren BP können im Fossilbericht neben Eukaryoten pilzartige Organismen und sogar Mikroben auf dem Festland nachgewiesen werden – was eindeutig gestiegene Sauerstoffkonzentrationen anzeigt.[19] Außerdem tritt mit Bangiomorpha pubescens, einer Rotalge, erstmals ein sich geschlechtlich vermehrender Mehrzeller in Erscheinung.[20]

Weitere Beispiele für makroskopische Fossilien sind die so genannten Perlenketten (Englisch string of beads), die zwischen 1500 und 1400 Millionen Jahren BP an mehreren Fundstätten angetroffen werden. Es dürfte sich bei ihnen um primitiven, mit Verankerungen versehenen Seetang handeln (Metaphyta).[21] Gegen 1500 Millionen Jahre BP erscheinen im Fossilbericht auch einfache Acritarchen, die zwischen 1200 und 1000 Millionen Jahren BP von wesentlich komplexeren Formen abgelöst werden, welche sich auch auf dem Festland nachweisen lassen.[22] Noch vor den Vereisungen des Cryogeniums entwickeln sich die ersten Grünalgen sowie heterotrophe Eukaryoten.[23] Trotz des Ausbreitens der Eukaryoten während des Rodiniums sollte die evolutionshemmende Wirkung des sulfidischen Canfield-Ozeans nicht unterschätzt werden.

Geodynamische Entwicklung

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Die 1250 bis 700/650 Millionen Jahre alte Grand Canyon Supergroup am Colorado River, leicht nach rechts einfallend

Der Superkontinent Columbia trat mit Beginn des Rodiniums in eine Riftphase und begann ab 1600 Millionen Jahren BP auseinanderzubrechen. Dieser Zerfallsprozess wird in den Sedimenten der Belt-Purcell Supergroup am Westrand Laurentias, der Chhattisgarh Supergroup am Mahanadi und der Godavari Supergroup am Godavari im Osten Indiens, der Telemark Supergroup des Baltischen Schilds, den riphäischen Aulakogenen am Südostrand Sibiriens, den Kalahari Copper Belt am Nordwestrand des Kalahari-Kratons und den Zhaertai-Bayan-Obo-Gürtel am Nordrand des Nordchina-Kratons dokumentiert.

Das Zerbrechen Columbias ging mit weit verbreitetem, anorogenem Magmatismus einher, der zwischen 1600 und 1300 Millionen Jahren BP in Laurentia, Baltica, Amazonia und Nordchina die so genannten AMCG-Folgen (Anorthosit-Mangerit-Charnockit-Granit) entstehen ließ.[24] Der Zerfallsprozess war zwischen 1300 und 1200 Millionen Jahren BP beendet, wie die Intrusion mafischer Gangschwärme vermuten lässt (Mackenzie-Gangschwarm um 1270 Millionen Jahre BP, Sudbury-Gangschwarm um 1240 Millionen Jahre BP).

Parallel zum Zerfall Columbias gingen Akkretionen einher, die beispielsweise den Südostrand Laurentias durch die Yavapai-Gebirgsbildung (1800 bis 1690 Millionen Jahre BP) und die Mazatzal-Gebirgsbildung (1710 bis 1620 Millionen Jahre BP) erweiterten.[25] In Australien/Antarktis entstand um 1600 Millionen Jahre BP der Mawson-Kontinent.[26]

Bedeutende Sedimentbecken und geologische Formationen

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Die flachliegenden Sandsteine der Torridon Group, Torridonian Supergroup, bilden die Hörner des Beinn Alligin

Magmatische Akkretionsgürtel

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Die Auswirkungen des Laxfordian auf das Grundgebirge des Lewisian, Straßenaufschluss bei Laxford (Schottland). Selbst die intrusiven Pegmatite wurden verformt und boudiniert.

Einzelnachweise

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  1. Felix M. Gradstein u. a.: On the Geologic Time Scale. In: Newsletters on Stratigraphy. Band 45/2, 2012, S. 171–188.
  2. Li, Z. X. u. a.: Assembly, configuration and break-up history of Rodinia : a synthesis. In: Precambrian Research. Band 160, 2008, S. 179–210.
  3. Des Marais, D. J. u. a.: Carbon isotope evidence for the stepwise oxidation of the Proterozoic environment. In: Nature. Band 359, 1992, S. 605–609.
  4. Ohmoto, H. u. a.: Evidence from massive siderite beds for a CO2-rich atmosphere before ~1.8 billion years ago. In: Nature. Band 429, 2004, S. 395–399.
  5. Kasting, J. F.: Methane and climate during the Precambrian era. In: Precambrian Research. Band 137, 2005, S. 119–129.
  6. Buick, R.: Did the Proterozoic ‘Canfield Ocean’ cause a laughing gas greenhouse? In: Geobiology. Band 5, 2007, S. 97–100.
  7. Jefferson, C. W. u. a.: Unconformity-associated uranium deposits of the Athabasca Basin, Saskatchewan and Alberta. In: Geological Association of Canada, Special Publication. Band 5, 2007, S. 273–305.
  8. Pirajno, F.: Hydrothermal Mineral Systems. Springer, Berlin 2009, S. 1250.
  9. Kah, L. C. u. a.: Low marine sulfate and protracted oxygenation of the Proterozoic biosphere. In: Nature. Band 431, 2004, S. 834–838.
  10. Arnold, G. L. u. a.: Molybdenum isotope evidence for widespread anoxia in Mid-Proterozoic oceans. In: Science. Band 304, 2004, S. 87–90.
  11. Pufahl, P. K. u. a.: Does the Paleoproterozoic Animikie Basin record the sulfidic ocean transition? In: Geology. Band 38, 2010, S. 659–662.
  12. Lamb, D. M. u. a.: Evidence for eukaryotic diversification in the ~1800 million-year-old Changzhougou Formation, North China. In: Precambrian Research. Band 173, 2009, S. 93–104.
  13. Zhu, S. und Chen, H.: Megascopic multicellular organisms from the 1700-Million-year-old Tuanshanzi Formation in the Jixian area, North China. In: Science. Band 270, 1995, S. 620–622.
  14. Haines, P. W.: Tool marks from ca. 1750, northern Australia: evidence for large drifting algal filaments? In: Geology. Band 25, 1997, S. 235–238.
  15. Sharma, M. und Shukla,Y.: Taxonomy and affinity of Early Mesoproterozoic megascopic helically coiled and related fossils from the Rohtas Formation, the Vindhyan Supergroup, India. In: Precambrian Research. Band 173, 2009, S. 105–122.
  16. Du, R. u. a.: Discovery of megafossils in the Gaoyushang Formation of the Changchenian System, Jixian. In: Acta Geological Sinica. Band 2, 1986, S. 115–120.
  17. Walter, M. R. u. a.: Megascopic algae 1300 million years old from the Belt Supergroup, Montana: a reinterpretation of Walcott’s Helminthoidischniter. In: Journal of Paleontology. Band 50, 1976, S. 872–881.
  18. Glass, J. B. u. a.: Coevolution of metal availability and nitrogen assimilation in Cyanobacteria and algae. In: Geobiology. Band 7, 2009, S. 100–123.
  19. Parnell, J. u. a.: Early oxygenation of the terrestrial environment during the Mesoproterozoic. In: Nature. Band 468, 2010, S. 290–293.
  20. Nicholas J. Butterfield: Bangiomorpha pubescens n. gen., n. sp.: implications for the evolution of sex, multicellularity, and the Mesoproterozoic/Neoproterozoic radiation of eukaryotes. In: Paleobiology. Band 26(3). Jacksonville NY 2000, S. 386–404, doi:10.1666/0094-8373(2000)026<0386:BPNGNS>2.0.CO;2.
  21. Martin, D. M.: Depositional environment and taphonomy of the ‘strings of beads’: Mesoproterozoic multicellular fossils in the Bangemall Supergroup, Western Australia. In: Australian Journal of Earth Sciences. Band 51, 2004, S. 555–561.
  22. Knauth, L. P. und Kennedy, M. J.: The late Precambrian greening of the Earth. In: Nature. Band 460, 2009, S. 728–732.
  23. Porter, S. M.: The fossil record of early eukaryote diversification. In: Paleontological Society Papers. Band 10, 2004, S. 35–50.
  24. Anderson, J. L. und Morrison, J.: Ilmenite, magnetite and peraluminous Mesoproterozoic anorogenic granites of Laurentia and Baltica. In: Lithos. Band 80, 2005, S. 45–60.
  25. Karlstrom, K. und Bowring, S. A.: Early Proterozoic assembly of tectonostratigraphic terranes in southwestern North America. In: Journal of Geology. Band 96, 1988, S. 561–576.
  26. Payne, J. L. u. a.: Correlations and reconstruction models for the 2500-1500 Ma evolution of the Mawson Continent. In: Reddy, S. M. u. a. Paleoproterozoic Supercontinents and Global Evolution (Hrsg.): Geological Society of London, Special Publications. Band 323, 2009, S. 319–356.
  27. Martin, D. McB. und Thorne, A. M.: Tectonic setting and basin evolution of the Bangemall Supergroup in the northwestern Capricorn Orogen. In: Precambrian Research. Band 128, 2004, S. 385–409.
  28. Chaudhuri, A. K. u. a.: Conflicts in stratigraphic classification of the Puranas of the Pranhita-Godavari Valley: review, recommandations and status of the 'Penganga' sequence. In: Geological Society, London, Memoirs. Band 43, 2014, S. 165–183.
  29. Guadagnin, F. u. a.: Age constraints on crystal-tuff from the Espinhaço Supergroup – Insight into the Paleoproterozoic to Mesoproterozoic basin cycles of the Congo-São Francisco Craton. In: Gondwana Research. Band 27, 2015, S. 363–376.
  30. Guadagnin, F. und Chemale, F.: Detrital zircon record of the Paleoproterozoic to Mesoproterozoic cratonic basins in the São Francisco Craton. In: Journal of South American Earth Sciences. Band 60, 2015, S. 104–116.
  31. Nigel Woodcock und Rob Strachan: Geological History of Britain and Ireland. Blackwell Science Ltd, Oxford 2000, ISBN 0-632-03656-7.