Dieser Artikel behandelt die spezielle lineare Gruppe
SL ( 2 , R ) {\displaystyle \operatorname {SL} (2,\mathbb {R} )} , für die Lie-Algebra
s l ( 2 , R ) {\displaystyle {\mathfrak {sl}}(2,\mathbb {R} )} siehe
sl(2,R) .
Die spezielle lineare Gruppe SL ( 2 , R ) {\displaystyle \operatorname {SL} (2,\mathbb {R} )} oder SL 2 ( R ) {\displaystyle \operatorname {SL} _{2}(\mathbb {R} )} ist die Gruppe der reellen 2 × 2 {\displaystyle 2\times 2} -Matrizen mit Determinante 1:
SL ( 2 , R ) = { ( a b c d ) : a , b , c , d ∈ R und a d − b c = 1 } . {\displaystyle {\mbox{SL}}(2,\mathbb {R} )=\left\{\left({\begin{matrix}a&b\\c&d\end{matrix}}\right):a,b,c,d\in \mathbb {R} {\mbox{ und }}ad-bc=1\right\}.} Sie ist eine Lie-Gruppe mit vielfältigen Anwendungen in Geometrie , Topologie , Darstellungstheorie , harmonischer Analysis , Zahlentheorie , Modulformen und Physik .
Für jede natürliche Zahl d {\displaystyle d} gibt es eine, bis auf Isomorphismus eindeutige, ( d + 1 ) {\displaystyle (d+1)} -dimensionale irreduzible Darstellung der SL ( 2 , R ) {\displaystyle \operatorname {SL} (2,\mathbb {R} )} . Eine explizite Realisierung dieser irreduziblen Darstellung ist wie folgt. Sei
V d = { f ( x , y ) = a 0 x d + a 1 x d − 1 y + a 2 x d − 2 y 2 + … + a d − 1 x y d − 1 + a d y d : a 0 , … , a d ∈ R } {\displaystyle V_{d}=\left\{f(x,y)=a_{0}x^{d}+a_{1}x^{d-1}y+a_{2}x^{d-2}y^{2}+\ldots +a_{d-1}xy^{d-1}+a_{d}y^{d}:a_{0},\ldots ,a_{d}\in \mathbb {R} \right\}} der Vektorraum der homogenen Polynome vom Grad d {\displaystyle d} in 2 Variablen. Dieser Vektorraum ist ( d + 1 ) {\displaystyle (d+1)} -dimensional und A ∈ SL ( 2 , R ) {\displaystyle A\in \operatorname {SL} (2,\mathbb {R} )} wirkt durch
( A f ) ( x , y ) := f ( A − 1 ( x , y ) ) . {\displaystyle (Af)(x,y):=f(A^{-1}(x,y)).} Die Veronese-Einbettung ν d : R P 1 → R P d {\displaystyle \nu _{d}\colon \mathbb {R} P^{1}\to \mathbb {R} P^{d}} ist äquivariant bezüglich der irreduziblen Darstellung SL ( 2 , R ) → SL ( d + 1 , R ) {\displaystyle \operatorname {SL} (2,\mathbb {R} )\to \operatorname {SL} (d+1,\mathbb {R} )} .
Die unendlich-dimensionalen Darstellungen der SL ( 2 , R ) {\displaystyle \operatorname {SL} (2,\mathbb {R} )} werden durch die Langlands-Klassifikation beschrieben.
SL ( 2 , R ) {\displaystyle \operatorname {SL} (2,\mathbb {R} )} ist eine Lie-Gruppe , ihre Lie-Algebra ist die Lie-Algebra der spurfreien 2 × 2 {\displaystyle 2\times 2} -Matrizen
s l ( 2 , R ) = { A ∈ Mat ( 2 , R ) : Sp ( A ) = 0 } {\displaystyle {\mathfrak {sl}}(2,\mathbb {R} )=\left\{A\in \operatorname {Mat} (2,\mathbb {R} ):\operatorname {Sp} (A)=0\right\}} . Eine Vektorraum-Basis des 3-dimensionalen Vektorraumes s l ( 2 , R ) {\displaystyle {\mathfrak {sl}}(2,\mathbb {R} )} ist zum Beispiel
H = ( 1 0 0 − 1 ) , X = ( 0 1 0 0 ) , Y = ( 0 0 1 0 ) {\displaystyle H=\left({\begin{array}{cc}1&0\\0&-1\end{array}}\right),\ X=\left({\begin{array}{cc}0&1\\0&0\end{array}}\right),\ Y=\left({\begin{array}{cc}0&0\\1&0\end{array}}\right)} mit den Kommutator-Relationen
[ H , X ] = 2 X , [ H , Y ] = − 2 Y , [ X , Y ] = H {\displaystyle \left[H,X\right]=2X,\ \left[H,Y\right]=-2Y,\ \left[X,Y\right]=H} . Diese Lie-Algebra ist einfach , sie hat zwei nicht-konjugierte Cartan-Unteralgebren : eine erzeugt von H {\displaystyle H} , die andere von X − Y {\displaystyle X-Y} .
Die Killing-Form ist B ( V , W ) = 4 Sp ( V W ) {\displaystyle B(V,W)=4\operatorname {Sp} (VW)} . Sie ist negativ definit auf dem von X − Y {\displaystyle X-Y} erzeugten Unterraum, positiv definit auf dem von H {\displaystyle H} und X + Y {\displaystyle X+Y} erzeugten Unterraum.
Matrizen aus SL ( 2 , R ) {\displaystyle \operatorname {SL} (2,\mathbb {R} )} entsprechen invertierbaren linearen Abbildungen des Vektorraums R 2 {\displaystyle \mathbb {R} ^{2}} . Die Matrix ( a b c d ) {\displaystyle \left({\begin{matrix}a&b\\c&d\end{matrix}}\right)} wirkt durch
( a b c d ) ( x y ) = ( a x + b y c x + d y ) . {\displaystyle \left({\begin{matrix}a&b\\c&d\end{matrix}}\right)\left({\begin{matrix}x\\y\end{matrix}}\right)=\left({\begin{matrix}ax+by\\cx+dy\end{matrix}}\right).} Matrizen aus SL ( 2 , R ) {\displaystyle \operatorname {SL} (2,\mathbb {R} )} erhalten die Volumenform, aber im Allgemeinen nicht die euklidische Metrik des R 2 {\displaystyle \mathbb {R} ^{2}} .
Die Eigenwerte einer Matrix A ∈ SL ( 2 , R ) {\displaystyle A\in \operatorname {SL} (2,\mathbb {R} )} sind Nullstellen des charakteristischen Polynoms
λ 2 − S p ( A ) λ + 1 = 0 {\displaystyle \lambda ^{2}-\mathrm {Sp} (A)\lambda +1=0} und lassen sich nach der Lösungsformel für quadratische Gleichungen berechnen als
λ = S p ( A ) ± S p ( A ) 2 − 4 2 {\displaystyle \lambda ={\frac {\mathrm {Sp} (A)\pm {\sqrt {\mathrm {Sp} (A)^{2}-4}}}{2}}} . Man klassifiziert die Matrizen dann entsprechend der folgenden Einteilung:
Wenn | Sp ( A ) | < 2 {\displaystyle \vert \operatorname {Sp} (A)\vert <2} , dann ist A {\displaystyle A} eine elliptische Matrix. Wenn | Sp ( A ) | = 2 {\displaystyle \vert \operatorname {Sp} (A)\vert =2} , dann ist A {\displaystyle A} eine parabolische Matrix. Wenn | Sp ( A ) | > 2 {\displaystyle \vert \operatorname {Sp} (A)\vert >2} , dann ist A {\displaystyle A} eine hyperbolische Matrix. Drehung mit Fixpunkt 0. Elliptische Elemente sind von der Form
A ( cos ϕ sin ϕ − sin ϕ cos ϕ ) A − 1 {\displaystyle A\left({\begin{matrix}\cos \phi &\sin \phi \\-\sin \phi &\cos \phi \end{matrix}}\right)A^{-1}} mit ϕ ∈ R / 2 π Z {\displaystyle \phi \in \mathbb {R} /2\pi \mathbb {Z} } und A ∈ SL ( 2 , R ) {\displaystyle A\in \operatorname {SL} (2,\mathbb {R} )} .
Die Matrix ( cos ϕ sin ϕ − sin ϕ cos ϕ ) {\displaystyle \left({\begin{matrix}\cos \phi &\sin \phi \\-\sin \phi &\cos \phi \end{matrix}}\right)} wirkt auf der euklidischen Ebene als Drehung mit Fixpunkt 0 und Drehwinkel ϕ {\displaystyle \phi } .
Eine Scherung bildet ein Rechteck auf ein Parallelogramm ab. Parabolische Elemente sind von der Form
± A ( 1 n 0 1 ) A − 1 {\displaystyle \pm A\left({\begin{matrix}1&n\\0&1\end{matrix}}\right)A^{-1}} mit n ∈ R {\displaystyle n\in \mathbb {R} } und A ∈ SL ( 2 , R ) {\displaystyle A\in \operatorname {SL} (2,\mathbb {R} )} .
Die Matrix ( 1 n 0 1 ) {\displaystyle \left({\begin{matrix}1&\ n\\0&1\end{matrix}}\right)} wirkt auf der euklidischen Ebene als Scherung .
Das Bild-Parallelogramm hat denselben Flächeninhalt wie das ursprüngliche Quadrat. Hyperbolische Elemente sind von der Form
A ( a 0 0 1 a ) A − 1 {\displaystyle A\left({\begin{matrix}a&0\\0&{\frac {1}{a}}\end{matrix}}\right)A^{-1}} mit a ∈ R ∖ { 0 } {\displaystyle a\in \mathbb {R} \setminus \left\{0\right\}} und A ∈ SL ( 2 , R ) {\displaystyle A\in \operatorname {SL} (2,\mathbb {R} )} .
Die Matrix ( a 0 0 1 a ) {\displaystyle \left({\begin{matrix}a&0\\0&{\frac {1}{a}}\end{matrix}}\right)} wirkt als Dehnstauchung, d. h., sie dehnt in Richtung eines Eigenvektors, staucht in Richtung des anderen Eigenvektors, erhält insgesamt aber den Flächeninhalt.
Matrizen aus SL ( 2 , R ) {\displaystyle \operatorname {SL} (2,\mathbb {R} )} wirken auf der oberen Halbebene
H = { x + i y | y > 0 ; x , y ∈ R } ⊂ C {\displaystyle \mathbb {H} =\{x+iy\ |\ y>0;\,x,y\in \mathbb {R} \}\subset \mathbb {C} } durch
z ↦ a z + b c z + d {\displaystyle z\mapsto {\frac {az+b}{cz+d}}} . Sie wirken als Isometrien der hyperbolischen Metrik .
Weil ± I 2 {\displaystyle \pm I_{2}} als Identitätsabbildung wirkt, faktorisiert diese Wirkung von SL ( 2 , R ) {\displaystyle \operatorname {SL} (2,\mathbb {R} )} über
PSL ( 2 , R ) = SL ( 2 , R ) / { ± I 2 } {\displaystyle \operatorname {PSL} (2,\mathbb {R} )=\operatorname {SL} (2,\mathbb {R} )/\{\pm I_{2}\}} . Die projektive Gerade R P 1 {\displaystyle \mathbb {R} P^{1}} ist die Menge aller Geraden durch den Nullpunkt im R 2 {\displaystyle \mathbb {R} ^{2}} . Die Wirkung von SL ( 2 , R ) {\displaystyle \operatorname {SL} (2,\mathbb {R} )} auf ( R 2 ∖ { 0 } ) {\displaystyle \left(\mathbb {R} ^{2}\setminus \{0\}\right)} gibt eine wohl-definierte Wirkung von PSL ( 2 , R ) {\displaystyle \operatorname {PSL} (2,\mathbb {R} )} auf R P 1 {\displaystyle \mathbb {R} P^{1}} .
Durch [ x : y ] → x y {\displaystyle [x:y]\rightarrow {\frac {x}{y}}} wird eine Bijektion zwischen R P 1 {\displaystyle \mathbb {R} P^{1}} und R ∪ { ∞ } {\displaystyle \mathbb {R} \cup \left\{\infty \right\}} definiert. Nach dieser Identifizierung von R P 1 {\displaystyle \mathbb {R} P^{1}} und R ∪ { ∞ } {\displaystyle \mathbb {R} \cup \left\{\infty \right\}} wirkt PSL ( 2 , R ) {\displaystyle \operatorname {PSL} (2,\mathbb {R} )} auf R ∪ { ∞ } {\displaystyle \mathbb {R} \cup \left\{\infty \right\}} durch gebrochen-lineare Transformationen
( a b c d ) z = a z + b c z + d {\displaystyle \left({\begin{matrix}a&b\\c&d\end{matrix}}\right)z={\frac {az+b}{cz+d}}} . Die Veronese-Einbettung R P 1 → R P n {\displaystyle \mathbb {R} P^{1}\to \mathbb {R} P^{n}} ist äquivariant bzgl. der irreduziblen Darstellung SL ( 2 , R ) → SL ( n + 1 , R ) {\displaystyle \operatorname {SL} (2,\mathbb {R} )\to \operatorname {SL} (n+1,\mathbb {R} )} .
R P 1 = R ∪ { ∞ } {\displaystyle \mathbb {R} P^{1}=\mathbb {R} \cup \left\{\infty \right\}} ist auch der Rand im Unendlichen ∂ H {\displaystyle \partial \mathbb {H} } der hyperbolischen Ebene H {\displaystyle \mathbb {H} } . Die Wirkung von P S L ( 2 , R ) {\displaystyle PSL(2,\mathbb {R} )} auf der Kompaktifizierung H ∪ ∂ H {\displaystyle \mathbb {H} \cup \partial \mathbb {H} } der hyperbolischen Ebene durch gebrochen-lineare Transformationen ist stetig. Elliptische Elemente haben einen Fixpunkt in H {\displaystyle \mathbb {H} } , parabolische Elemente haben einen Fixpunkt in ∂ H {\displaystyle \partial \mathbb {H} } , hyperbolische Elemente haben zwei Fixpunkte in ∂ H {\displaystyle \partial \mathbb {H} } .
Diskrete Untergruppen von PSL ( 2 , R ) {\displaystyle \operatorname {PSL} (2,\mathbb {R} )} bezeichnet man als Fuchssche Gruppen .
Die Limesmenge einer Fuchsschen Gruppe Γ {\displaystyle \Gamma } ist der Durchschnitt von R P 1 = ∂ H {\displaystyle \mathbb {R} P^{1}=\partial \mathbb {H} } mit dem Abschluss einer Bahn Γ x {\displaystyle \Gamma x} , wobei und die Definition der Limesmenge unabhängig vom gewählten Punkt x ∈ H {\displaystyle x\in \mathbb {H} } ist.
Eine Fuchssche Gruppe heißt Fuchssche Gruppe 1. Art, falls die Limesmenge ganz P 1 ( R ) = R ∪ { ∞ } {\displaystyle \mathbb {P} ^{1}(\mathbb {R} )=\mathbb {R} \cup \{\infty \}} ist. Andernfalls handelt es sich um eine Fuchssche Gruppe 2. Art.
Fuchssche Gruppen 1. Art sind die sogenannten Gitter in PSL ( 2 , R ) {\displaystyle \operatorname {PSL} (2,\mathbb {R} )} , d. h. diskrete Untergruppen Γ {\displaystyle \Gamma } , für die es einen Fundamentalbereich endlichen Volumens in der hyperbolischen Ebene gibt.
Ein Beispiel eines Gitters in SL ( 2 , R ) {\displaystyle \operatorname {SL} (2,\mathbb {R} )} ist die modulare Gruppe SL ( 2 , Z ) {\displaystyle \operatorname {SL} (2,\mathbb {Z} )} , die unter anderem in der Theorie der Modulformen eine zentrale Rolle mit vielen zahlentheoretischen Anwendungen spielt.
Wenn eine Fuchssche Gruppe Γ ⊂ PSL ( 2 , R ) {\displaystyle \Gamma \subset \operatorname {PSL} (2,\mathbb {R} )} keine Elemente der Ordnung 2 enthält, dann ist sie die Projektion einer diskreten Untergruppe von SL ( 2 , R ) {\displaystyle \operatorname {SL} (2,\mathbb {R} )} . (Satz von Culler )
Die Kreis-Gruppe SO ( 2 ) {\displaystyle \operatorname {SO} (2)} ist eine maximal kompakte Untergruppe von SL ( 2 , R ) {\displaystyle \operatorname {SL} (2,\mathbb {R} )} . Die Untergruppe SO ( 2 ) {\displaystyle \operatorname {SO} (2)} ist ein Deformationsretrakt von SL ( 2 , R ) {\displaystyle \operatorname {SL} (2,\mathbb {R} )} , insbesondere sind die beiden Räume homotopieäquivalent .
Die Fundamentalgruppe von SL ( 2 , R ) {\displaystyle \operatorname {SL} (2,\mathbb {R} )} ist isomorph zu Z {\displaystyle \mathbb {Z} } , die höheren Homotopiegruppen sind trivial.
Die universelle Überlagerung SL ( 2 , R ) ~ {\displaystyle {\widetilde {\operatorname {SL} (2,\mathbb {R} )}}} von SL ( 2 , R ) {\displaystyle \operatorname {SL} (2,\mathbb {R} )} ist ein Beispiel einer Lie-Gruppe , welche keine treue endlich-dimensionale Darstellung besitzt, also zu keiner Untergruppe einer allgemeinen linearen Gruppe GL ( n , R ) {\displaystyle \operatorname {GL} (n,\mathbb {R} )} isomorph ist.
Der Quotient PSL ( 2 , R ) = SL ( 2 , R ) / ( Z / 2 Z ) {\displaystyle \operatorname {PSL} (2,\mathbb {R} )=\operatorname {SL} (2,\mathbb {R} )/(\mathbb {Z} /2\mathbb {Z} )} ist diffeomorph zum Einheitstangentialbündel der hyperbolischen Ebene: PSL ( 2 , R ) = T 1 H {\displaystyle {\operatorname {PSL} (2,\mathbb {R} )}=T^{1}\mathbb {H} } .