Skalengesetz – Wikipedia
Unter Skalengesetzen oder Skalierungsgesetzen versteht man die Manifestationen von mathematischen Beziehungen der Art
- ,
d. h. exponentielle Beziehungen, wobei z. B. die Konstante gleich der Eulerschen Zahl sein kann, oder
- ,
d. h. Potenz- oder polynomiale Beziehungen, wobei und in beiden Fällen reelle Konstanten darstellen. Potenzgesetze sind aufgrund der Natur der Skalentransformationen häufiger anzutreffen als exponentielle Beziehungen: Bei typischen Skalierungen der Koordinaten handelt es sich meist um Transformationseigenschaften homogener Koordinaten, d. h. es geht um die Frage, wie sich die gesamte Systembeschreibung (meist Darstellungen) ändern, wenn man das System skaliert. Exponentielle Beziehungen treten in praktischem Zusammenhang bei Zerfalls- oder Wachstumsvorgängen auf und sind meist metrischer Natur und auf lineare Parameter bezogen wie in der Gruppentheorie kommutativer Generatoren, die allgemeinen Fälle führen sehr schnell zu unübersichtlichen oder unlösbaren Fragestellungen.
Derartige Beziehungen sind in der Natur und Gesellschaft so verbreitet, dass man von einem strukturbildenden Prinzip sprechen kann. Teilweise handelt es sich um rein empirisch gefundene Verteilungen, teilweise konnten diese aber auf eine solide theoretische Basis gestellt werden, so dass im naturwissenschaftlichen Sinne von phänomenologischen Gesetzmäßigkeiten (oder „empirischen Gesetzen“) gesprochen werden kann. Das begründet sich unter anderem darin, dass
die Lösung der einfachsten linearen Differentialgleichung
ist, die einen sich selbst linear beschleunigenden Prozess beschreibt, es gilt
beim Wachstum einer Population ohne Ressourcenbeschränkung.
Skalenbeziehungen, die auf Potenzgesetzen beruhen, sind skaleninvariant aufgrund der Beziehung
d. h., dass proportional ist und sich die Charakteristika von nicht verändern. Exponentielle Beziehungen zeigen diese Skaleninvarianz nicht.
Beispiele
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Statistik
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- Benfords Gesetz
- besagt, dass die Wahrscheinlichkeit des Auftretens der Ziffern der ersten Stelle von Häufigkeitszahlen, die aus natürlichen Verteilungen gewonnen wurden, der Beziehung genügt. D. h., in gut 30 % aller Zahlen findet sich die 1 an der ersten Stelle, in 17 % die 2 usw.
Biologie
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Geoffrey West[1][2] führt die Universalität von Skalengesetzen in der Biologie auf folgende Punkte zurück:
- Organismen aller Größenordnungen werden von hierarchisch verzweigten Stoffwechsel-Versorgungsnetzen am Leben erhalten.
- Diese Netzwerke sind raumfüllend (und oft fraktal).
- Die Endpunkte dieser Netzwerke sind invariant.
- Die Evolution hat die Energiedissipation der Organismen minimiert und/oder die Oberflächen maximiert, über die der Ressourcenaustausch stattfindet.
Aus diesen Prinzipien scheinen sich wenigstens die Allometrien mit sehr einfachen Skalengesetzen (die Exponenten tendieren dazu, ganzzahlige Vielfache von 1/4 zu sein) ableiten zu lassen.
Beispiele sind die Beziehungen zwischen
- Metabolismusrate und Körpermasse , auch Gesetz der Stoffwechselreduktion, Gesetz der Reduktion spezifischer Stoffwechselraten oder Allometrie genannt: mit
- der Masse der weißen und der grauen Substanz im Säugergehirn
- Baumstammbasisdurchmesser und Gesamtlaubwerkfläche
- Baumstammdurchmesser und der Häufigkeit der Baumexemplare in einem Wald
Chemie
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- Häufigkeit der chemischen Elemente in der Erdkruste (Goldschmidt-Diagramm)
Physik
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- Stefan-Boltzmann-Gesetz : …
- 1/f-Rauschen: Bei dem 1/f-Rauschen folgt die Amplitudenverteilung des Rausch-Signals einem Skalengesetz, genauer gesagt einem Potenzgesetz: , wobei die Amplitude zu einer Frequenz bezeichnet, und ; daher auch die Bezeichnung 1/f-Rauschen (wegen ).
- Statistische Physik: Kritisches Verhalten bei Phasenübergängen zweiter Art. Dieses Verhalten, z. B. , mit der Magnetisierung , der kritischen Temperatur und dem kritischen Exponenten , ist beschrieben unter Skaleninvarianz.
- Hochenergiephysik: Hier beobachtet man in der Tat ebenfalls sog. kritische Exponenten, die man in der Sprache der Hochenergiephysik als anomale Dimensionen bezeichnet.
- Thomsonsche' Geschwindigkeitsskalierung: Für hohe Energien hängt der Wirkungsquerschnitt für die Elektronenstoßionisation in isoelektronischen Reihen nur noch von ab.
Linguistik
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Internet
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Das Internet ist ein riesiges Netzwerk mit emergenten Phänomenen wie selbstähnlicher Skalierung in den Burst-Mustern seines Datenverkehrs und skalenfreier Struktur in der Verbindungstopologie.[3]
Weblogs
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Auch andere selbstlinkende Internet-Plattformen wie Weblogs zeigen einen bestimmten Zusammenhang: neue Weblogs linken bevorzugt – d. h. mit höherer Wahrscheinlichkeit – auf schon beliebte Weblogs und machen diese noch beliebter.[4] Dieser Verlinkungs-Algorithmus ist übrigens auch die Regel für die Erstellung eines skalenfreien Netzes.
Wirtschaftswissenschaften
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Hauptartikel: Pareto-Verteilung : ...
Siehe auch
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Weblinks
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- Wie Erdbeben einen Nutzen bekommen. Auf: wissenschaft.de vom 10. Januar 2008.
Einzelnachweise
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- ↑ Geoffrey West: Scaling Laws in Biology: Growth, Mortality, Cancer and Sleep, abgerufen am 16. Dezember 2014.
- ↑ G. B. West, James H. Brown, Brian J. Enquist. A General Model for the Origin of Allometric Scaling Laws in Biology. in: Science. Washington 276.1997, 5309, S. 122–126. ISSN 0036-8075
- ↑ W. Willinger, R. Govindan, S. Jamin, V. Paxson, S. Shenker: Scaling phenomena in the Internet. Critically examining criticality. in: Proceedings of the National Academy of Sciences (PNAS). Suppl 1. Washington 99.2002, (19. Febr.), 2573-2580. ISSN 0027-8424
- ↑ shirky.com: Power Laws, Weblogs, and Inequality ( vom 8. Februar 2006 im Internet Archive)