Stadtgericht Gießen – Wikipedia
Das Stadtgericht Gießen war von 1821 bis 1879 ein erstinstanzliches Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit mit Sitz in Gießen in der Provinz Oberhessen des Großherzogtums Hessen.
Bezeichnung
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Die Gerichte erster Instanz in den Provinzen Oberhessen und Starkenburg des Großherzogtums Hessen trugen von 1821 bis 1879 üblicherweise die Bezeichnung „Landgericht“, die für die Städte Gießen und Darmstadt zuständigen dagegen die Bezeichnung „Stadtgericht“ – ohne dass dies eine Auswirkung auf ihre sachliche oder instanzielle Zuständigkeit hatte.
Gründung
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Ab 1821 trennte das Großherzogtum Hessen auch auf der unteren Ebene die Rechtsprechung von der Verwaltung.
Im Bereich von Gießen und seinem Umland wurden die Aufgaben der Verwaltung dem Landratsbezirk Gießen übertragen, die Aufgaben der Rechtsprechung dem Stadtgericht Gießen und dem Landgericht Gießen,[1] die hinsichtlich instanzieller und sachlicher Zuständigkeit gleichgestellt waren, aber unterschiedliche Gerichtsbezirke aufwiesen. Das für das Stadtgericht Gießen zuständige Obergericht war das Hofgericht Gießen.
Bezirk
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Der Bezirk des Stadtgerichts Gießen umfasste:
Gemeinde | Herkunft | Zugang | Abgang | Anmerkung |
---|---|---|---|---|
Allendorf/Lahn | Landgericht Gießen | 1827[2] | ||
Fellingshausen | Amt Gießen | 1821[1] | 1866 | Von Preußen annektiert[3] |
Frankenbach | Amt Königsberg | 1821 | 1866 | Von Preußen annektiert |
Garbenteich | Vom Landgericht Gießen | 1867[4] | ||
Gießen | Stadt Gießen | 1821 | ||
Großenlinden | Landgericht Gießen | 1827 | ||
Hausen | Vom Landgericht Gießen | 1867 | ||
Hermannstein | Landgericht Gießen | 1853 | 1866 | Von Preußen annektiert |
Heuchelheim | Amt Gießen | 1821 | ||
Kirch-Göns | Landgericht Gießen | 1827 | 1840 | An das Landgericht Butzbach[5] |
Kleinlinden | Landgericht Gießen | 1827 | ||
Königsberg | Amt Königsberg | 1821 | 1866 | Von Preußen annektiert |
Krumbach | Amt Blankenstein | 1821 | 1866 | Von Preußen annektiert |
Lang-Göns | Landgericht Gießen | 1827 | ||
Leihgestern | Vom Landgericht Gießen | 1867 | ||
Naunheim | Amt Königsberg | 1821 | 1866 | Von Preußen annektiert |
Pohl-Göns | Landgericht Gießen | 1827 | 1840 | An das Landgericht Butzbach |
Rodheim-Bieber | Amt Gießen | 1821 | 1866 | Von Preußen annektiert |
Waldgirmes | Amt Königsberg | 1821 | 1866 | Von Preußen annektiert |
Watzenborn-Steinberg | Landgericht Gießen | 1867 |
Weitere Entwicklung
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Zum 1. April 1827 wurden aus dem Bezirk des Landgerichts Gießen eine Reihe von Orten dem Bezirk des Stadtgerichts Gießen zugeschlagen[6] (siehe: Übersicht).
Am 1. Juli 1840 wurden Pohl-Göns und Kirch-Göns aus dem Gerichtsbezirk Gießen ausgegliedert und dem Bezirk des neu eingerichteten Landgerichts Butzbach zugeteilt.[7]
Zum 15. Oktober 1853[8] ging die Zuständigkeit für den Ort Hermannstein vom Landgericht Gießen an das Stadtgericht Gießen über.[9]
Nach dem verlorenen Krieg von 1866 musste das Großherzogtum Hessen im Friedensvertrag vom 3. September 1866 Gebiete im westlichen Oberhessen an Preußen abtreten. Auch Gemeinden aus dem Bezirk des Stadtgerichts Gießen waren darunter (siehe Übersicht). Um das daraus entstandene Ungleichgewicht im Bezirksumfang auszugleichen, wurden zum 20. Januar 1867 vom Landgericht Gießen einige Gemeinden dem Stadtgericht Gießen unterstellt[10] (siehe: Übersicht).
Ende
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Mit dem Gerichtsverfassungsgesetz von 1877 wurden Organisation und Bezeichnungen der Gerichte reichsweit vereinheitlicht. Zum 1. Oktober 1879 hob das Großherzogtum Hessen deshalb die Landgerichte auf. Funktional ersetzt wurden sie durch Amtsgerichte.[11] So ersetzte nun das Amtsgericht Gießen das Stadtgericht Gießen (ebenso wie das bisherige Landgericht Gießen). „Landgerichte“ nannten sich nun die den Amtsgerichten direkt übergeordneten Obergerichte. Das Amtsgericht Gießen wurde dem Bezirk des Landgerichts Gießen zugeordnet.[12]
Einzelnachweise
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- ↑ a b Die Eintheilung des Landes in Landraths- und Landgerichtsbezirke betreffend vom 14. Juli 1821. In: Großherzoglich Hessisches Ministerium des Inneren und der Justiz. (Hrsg.): Großherzoglich Hessisches Regierungsblatt. 1821 Nr. 33, S. 403 ff. (408) (Online bei der Bayerischen Staatsbibliothek).
- ↑ Bekanntmachung, die Zutheilung mehrerer bisher zum Landgerichte Giessen gehöriger Ortschaften an das Stadtgericht zu Giesen betreffend vom 1. März 1827. In: Großherzoglich Hessisches Regierungsblatt Nr. 8 vom 16. März 1821, S. 46.
- ↑ Siehe: Friedensvertrag vom 3. September 1866.
- ↑ Ziffer 2 Bekanntmachung betreffend die Gerichtsbarkeit in den durch den Friedensvertrag mit der Krone Preußen vom 3. September v. J. erworbenen Gebietstheilen vom 4. Januar 1867. In: Großherzoglich Hessisches Regierungsblatt Nr. 2 vom 9. Januar 1867, S. 9f.
- ↑ Bekanntmachung, die Errichtung eines neuen Landgerichts zu Butzbach betreffend vom 1. Juni 1840. In: Großherzoglich Hessisches Regierungsblatt Nr. 15 vom 14. Juni 1840, S. 195f.
- ↑ Bekanntmachung, die Zutheilung mehrerer bisher zum Landgerichte Giessen gehöriger Ortschaften an das Stadtgericht zu Giesen betreffend vom 1. März 1827. In: Großherzoglich Hessisches Regierungsblatt Nr. 8 vom 16. März 1821, S. 46.
- ↑ Bekanntmachung, die Errichtung eines neuen Landgerichts zu Butzbach betreffend vom 1. Juni 1840. In: Großherzoglich Hessisches Regierungsblatt Nr. 15 vom 14. Juni 1840, S. 195f.
- ↑ Ziffer 3) Bekanntmachung,
1) die Aufhebung der Großherzoglichen Landgerichte Großkarben und Rödelheim, und die Errichtung neuer Landgerichte zu Vilbel und Altenstadt, ferner die Verlegung des Landgerichtssitzes von Altenschlirf nach Herbstein;
2) die künftige Zusammensetzung der Landgerichts-Bezirke in der Provinz Oberhessen betreffend vom 4. Oktober 1853. In: Großherzoglich Hessisches Regierungsblatt Nr. 44 vom 7. Oktober 1853, S. 640–641. - ↑ Bekanntmachung betreffend:
1) die Aufhebung der Landgerichte Großkarben und Rödelheim, und die Errichtung neuer Landgerichte zu Darmstadt, Waldmichelbach, Vilbel und Altenstadt, ferner die Verlegung des Landgerichtssitzes von Altenschlirf nach Herbstein;
2) die künftige Zusammensetzung der Stadt- und Landgerichts-Bezirke in den Provinzen Starkenburg und Oberhessen vom 15. April 1853. In: Großherzoglich Hessisches Regierungsblatt Nr. 19 vom 26. April 1854, S. 221–230. - ↑ Ziffer 2 Bekanntmachung betreffend die Gerichtsbarkeit in den durch den Friedensvertrag mit der Krone Preußen vom 3. September v. J. erworbenen Gebietstheilen vom 4. Januar 1867. In: Großherzoglich Hessisches Regierungsblatt Nr. 2 vom 9. Januar 1867, S. 9f.
- ↑ §§ 1, 3 Verordnung zur Ausführung des Deutschen Gerichtsverfassungsgesetzes und des Einführungsgesetzes zum Gerichtsverfassungsgesetze vom 14. Mai 1879. In: Großherzoglich Hessisches Regierungsblatt Nr. 15 vom 30. Mai 1879, S. 197f.
- ↑ §§ 2, 3 Verordnung zur Ausführung des Deutschen Gerichtsverfassungsgesetzes und des Einführungsgesetzes zum Gerichtsverfassungsgesetze vom 14. Mai 1879. In: Großherzoglich Hessisches Regierungsblatt Nr. 15 vom 30. Mai 1879, S. 197f.