Liste ägäischer Ortsnamen vom Totentempel Amenophis III. – Wikipedia

Die Liste ägäischer Ortsnamen vom im 14. Jahrhundert v. Chr. errichteten Totentempel Amenophis III. (auch: Liste EN) in Kom el-Hetan (heute arabisch كوم الحيطان Kōm/Kaum al-Ḥīṭān) ist eine altägyptische Liste, die Ortsnamen aus dem Ägäisraum auflistet. Die Inschrift wurde 1965 in der Nekropole von Kom el-Hetan in Theben-West gefunden und befindet sich auf dem Sockel einer Statue im nördlichen Säulenhof. Sie gehört zu einer Serie mehrerer Ortsnamenlisten, die im Totentempel entdeckt wurden.

Die Inschrift läuft in 17 Spalten von links nach rechts, wobei die Inschriften der letzten beiden Spalten verloren sind und die drittletzte unleserlich ist. Die ersten beiden Spalten (a,b) schauen nach links und zeigen die Namen Keftiu und Tanaja. Es wird angenommen, dass damit die Länder Kreta und Griechenland gemeint sind und danach einzelne Orte dieser Länder bezeichnet werden. Diese Deutung der Liste wird in der Forschung allgemein anerkannt, wenn auch mit Vorbehalt.

Rechts der Spalte a folgen mehrere Spalten, die alle nach rechts schauen und Ortsnamen enthalten. Die ersten drei Ortsnamen (1,2,3) wurden nachträglich abgeändert. Ein Ortsname kommt zweimal vor (1,11). Die Identifizierung der einzelnen Orte mit mykenischen und antiken Ortsnamen ist nicht völlig gesichert und teilweise umstritten. Am sichersten sind Knossos und Amnisos, da sie benachbart liegen und in der Liste nacheinander genannt werden, auch Kydonia und Kythera werden allgemein anerkannt. Alle anderen Namen werden aus verschiedenen Gründen als weniger sicher betrachtet. Am unsichersten ist der Name Wilaja (?), für den verschiedene Orte auf Kreta vorgeschlagen werden, so das antike Elaea (evtl. bei Phalasarna) in Westkreta oder etwas attraktiver das antike Heleia (Ἥλεια) bei der bronzezeitliche Stadt Palaikastro in Ostkreta. Andere Forscher schlagen Elis (Ἦλις, eleisch: Ϝαλις /Wālis/) in der Peloponnes vor oder gar Ilion-Troia (Ἴλιον < *Wilion). Die letztere Deutung ist aber höchst unwahrscheinlich.[1] Zudem werden noch die beiden mykenischen Ortsnamen wa-e-ro[2] und wi-ja-er-ra2[1] vorgeschlagen, die nicht sicher lokalisiert werden können, aber im Reich von Pylos lagen.

Schließlich wird unleserlich Spalte 13 manchmal als **Sitaja ergänzt, ein kretischer Ortsname, was aber spekulativ ist.

Nur vier Namen zeigen das Zeichen „Fremdland“, nämlich Keftiu (a), Mezana (6), Nauplia (7) und Kutira (8). Es besteht die Möglichkeit, dass diese vier Namen Ländernamen sind, während die anderen Städte bezeichnen. Dann müsste Nauplia aber neu gedeutet werden, da bis dahin nur eine Stadt dieses Namens bekannt ist.

Zwei 2004 ausgegrabene Fragmente (FN; GN) nennen möglicherweise Ionien und weitere Namen im Ägäisraum.

Über den 17 Spalten mit den Ortsnamen steht die Überschrift: „Fremdländer weit im Norden von Asien“. Da die Spalten a und b nach links schauen, ist Spalte b am linken Rand und Spalte 1 schließt sich an Spalte a an.

Spalte Inschrift Transkription silbische Umschrift myk. Name antiker Name Identifizierung und Bemerkungen
    Fremdländer weit im Norden von Asien
a.
k
I9
U33wN25
k-f-tj-w Fremdland ka-f-tu - Κρήτη Kreta, vgl. akkad. Kaptara, bibl. Kaphtor
b.
U33M17N35
G1
M17M17G43
tj-n3-jj-w ta-na-ju oder ta.na-ja - Δαναοί Danaer sind bei Homer eine von mehreren Bezeichnung der Griechen vor Troia. Gemeint ist mit Tanaju sehr wahrscheinlich der mykenisch geprägte Teil des griechischen Festlands
1.
M17A2D38N35
Z4
M8
[]ʿ-m-nj-š3 ʿa-m-ni-ša a-mi-ni-so
Amnīsos
Άμνισός Amnisos, kret. Hafen mit myk. Überresten
1b.   über
[]ʿ-m-k-ra
ʿa-m-k-la - Ἀμύκλαι Amyklai, Heiligtum in Lakonien, das bis in die Bronzezeit zurückgeht
2.
bG29M17M17M8
b3-jj-š3-tj bi-ja-š-ta pa-i-to
Phaistos
Φαιστός Phaistos, kret. Stadt mit einem minoischen Palast
2b.   über b3-j-š3-jj
oder b3-i-s3tjj
bi-ša-ja pi-sa2
Pīswā
Πῖσα evtl. die pylische Provinz Piswa oder die Pisatis in Elis.
3.
kA
Z1
X1
G43
N35
G1
M17M17
k3-tw-n3-jj ku-tu-na-ja ku-do-ni-ja
Kudōniā
Κυδωνία Kydonia, kret. Stadt, mit myk. Palast
3b.   über
k3-tw-mj-[]-ra
ku-tu-mi-[]-ra -   unklar
4.
D37
G43
kM17N35
Z7
mw-k-jʿ-nw mu-k-ʿa-nu (*Mukānā) Μυκῆναι Mykene, myk. Palast
5.
D46
Z4
N29
G1
A28M17G1
z
dj-q3j-j3-z di-qa-ja-s te-qa
Thēguai
Θῆβαι Theben in Böotien, myk. Palast. Da Theben etwas fernab liegt, wird auch eine Identifizierung mit Tegea (Τεγέα) in Arkadien erwogen.[1]
6.
D37
Z4
U28G1N35M17G1N25
mj-ḏ3-n3-j Fremdland mi-ḏa-na-j me-za-na
Medzānā
Μεσσάνα Eventuell Messene, was aber unsicher ist, da das antike Messene erst im 4. Jh. v. Chr. gegründet und bis jetzt noch keine myk. Objekte gefunden wurden. Das Zeichen „Fremdland“ deutet aber möglicherweise auf einen Landesnamen hin, also könnte Messenien gemeint sein.
7.
W24
Z1
p
Z1 Z1
r
Z1
M17M17N25
nw-pj-r3-j-jj Fremdland nu-pi-ra-ja na-u-pi-ri-jo
Nauplioi Ethn.
Ναυπλία Nauplia, Hafen in der Argolis mit mykenischen Funden. Es wurde auch vorgeschlagen, dass Tiryns einst diesen Namen trug. Das Zeichen „Fremdland“ deutet aber möglicherweise auf einen Landesnamen hin und kann dann nicht sicher identifiziert werden.
8.
kA
Z1
U33
Z4 M17
r
Z1
N25
k3-tj-j-rʿ Fremdland ku-ti-ra ku-te-ra3
Kuthērai Ethn.
Κύθηρα die Insel Kythera mit myk. Funden
9.
V4N18
N21 Z1
rM17 M17
Z4
w3-jw-r-jj-j wa-i-ra-ja - - unklar; vorgeschlagen werden diverse Orte auf Kreta oder in der Peloponnes sowie Ilion-Troia (Ἴλιον < *Wilion); siehe oben.
10.
kA
Z1
N35
M17 M17 G43
M8
G1
k3-jn-jw-š3 ku-nu-ša ko-no-so
Knōsos
Κνωσός Knossos auf Kreta, minoischer Palast, nach myk. Eroberung Kretas weitergenutzt.
11.
M17A2D38N35
Z4
M8
G1
jʿ-m-nj-š3 ʿa-m-ni-ša a-mi-ni-so
Amnīsos
Άμνισός siehe Spalte 1
12.
r
Z4
k
G1
U33
M17
rj-k3-tj ri-ka-ta ru-ki-to
Luk(i)tos/Lukistos?
Λύκτος Lyktos, kret. Stadt. Der myk. Name könnte aber eher mit Lykastos identisch sein.
13.   []-j[]-t3-[] - - - Die Inschrift ist nur teilweise leserlich und kann nicht identifiziert werden.
14. verloren
15. verloren

Listen FN und GN

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Zwei Fragmente, die bei den Grabungen der Jahre 2004/05 zum Vorschein kamen, nennen ebenfalls weitere geographische Namen. Die Listen werden mit FN (2 Namen erkennbar) und GN (5 Namen erkennbar) bezeichnet. Obwohl die Inschriften offensichtlich nicht fertiggestellt wurden, weist der Kontext auf Gebiete nördlich von Ägypten, also Ägäis und Anatolien.

Die genaue Lokalisierung und Identifizierung dieser Namen ist problematisch, da die Namenskartuschen teilweise unten abgebrochen sind. Die ersten Publikationen identifizierten die Toponyme mit wohlbekannten Namen wie Groß-Ionien, Luwien, Mitanni und Naharina[3] oder Adana und Tarsus.[4] Heute wird nur noch die Lesung „Groß-Jonien“ als einigermaßen gesichert betrachtet. Daneben werden nochmals die Danaer genannt.

Spalte Inschrift Transkription silbische Umschrift mögliche Deutung
FN x+1
X1M17N35
tj-n-[3-jj-w] ta-na-ji Danaer, wie in Liste EN, nach Haider Danaja (= östl. Peloponnes)[5]
FN x+2
N37Z1W11D21

oder
N37Z1Q3D21
š-g-r-[ ] oder
š-p-r-[ ]
ša-g/par/l… nach Haider Šakarita in Anatolien; Šaparanta bei Tyana oder Šaparašana od. Šaparima in Anatolien; oder ähnlicher Ortsname in der Ägäis[5] (vgl. SU-KI-RI-TA)
GN x+1   [ ]    
GN x+2
D21 Z1
M17 A17
V4 G43
N35
G1
ra-ʿa-w3-3-n-3 r/la-wa-na; Luwana/Lamena in Kilikien oder ein unbekannter Ort im Ägäisraum. Die Deutung als „Luwien“ wird aus lautlichen Gründen nicht mehr anerkannt.
GN x+3
M17 M17 G43 N35
Z1 Z1
D36
D36
Y1
jj-w-nj-ʿ3Det.-ʿ3 ju-ni-a/ ja-wa-ni-a (oä.) Groß-Ionien, nach einigen Ionien in Westanatolien, nach Haider eher Mittelgriechenland.[5]
GN x+4
G20D46G43N35
mʿ-d-w-n-[ ] ma-du-na-[ ] Maddunašša, eine Grenzstadt von Mira in Anatolien oder ein Ort im Ägäisraum
GN x+5   [ ]    
  • Michael C. Astour: Aegean Place-Names in an Egyptian Inscription. In: American Journal of Archaeology, Band 70, 1966, S. 313–317 (online bei www.jstor.org).
  • John Strange: Caphtor/ Keftiu: A New Investigation (= Acta Theologica Danica. Band 14). Brill, Leiden 1980, ISBN 90-04-06256-4.
  • Wolfgang Helck: Die Beziehungen Ägyptens und Vorderasiens zur Ägäis bis ins 7. Jahrhundert v. Chr. 2. Auflage, Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt 1995, ISBN 978-3-534-12904-1.
  • Elmar Edel, Manfred Görg: Die Ortsnamenlisten im nördlichen Säulenhof des Totentempels Amenophis III. Hanstein, Bonn 2005, ISBN 978-3-447-05219-1.
  • Eric H. Cline & Steven M. Stannish: Sailing the Great Green Sea? Amenhotep III’s “Aegean List” from Kom el-Hetan, Once More. Journal of Ancient Egyptian Interconnections, Vol. 3:2, 2011, 6–16. (online; academia.edu).
  • John Bennet: The Geography of the Mycenaean Kingdoms. In: Yves Duhoux, Anna Morpurgo Davies (Hrsg.): A Companion to Linear B. Mycenaean Greek Texts and their World. Band 2, Peeters, Louvain 2011, ISBN 978-90-429-2403-1, S. 137–168.
  • Peter W. Haider: War ein „Groß-Ionien“ tatsächlich um 1360 v. Chr. in Westkleinasien existent? In: Klio, Band 90, Nummer 2, 2008, S. 291–306.

Einzelnachweise

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  1. a b c John Bennet: The Geography of the Mycenaean Kingdoms. Louvain 2011, S. 160.
  2. M. C. Astour: Aegean Place-Names in an Egyptian Inscription. 1966, S. 315.
  3. H. Sorouzian, R. Stadelmann: Die älteste Erwähnungen von Ioniern und Danaern. In: Antike Welt. (AW) Band 36, Nr. 6, 2005, S. 79–83.
  4. M. Görg: Ionien und Kleinasien in früher außerbiblischer Bezeugung. In: Biblische Notizen. Neue Folge, Band 127, 2005, S. 5–10.
  5. a b c Peter W. Haider: War ein „Groß-Ionien“ tatsächlich um 1360 v. Chr. in Westkleinasien existent? In: Manfred von Clauss, Peter Funke, Hans-Joachim Gehrke (Hrsg.): Klio. Beiträge zur Alten Geschichte. Band 90, Heft 2, 2008, ISSN 0075-6334, S. 291–306.