Verbrecher und andere Deutsche – Wikipedia

Verbrecher und andere Deutsche (Originaltitel norwegisch: Forbrytere og andre tyskere) ist ein im Juni 1946 in Oslo erschienenes Buch von Willy Brandt über seine Eindrücke im Deutschland nach der Kapitulation, die er zwischen November 1945 und März 1946 als Korrespondent norwegischer Zeitungen beim Nürnberger Prozess aufzeichnete.

Nach Kriegsende im Jahr 1945 erhielt der freischaffende Journalist Willy Brandt, der 1934 nach Norwegen und dann nach Schweden geflohen war und nach seiner deutschen Ausbürgerung 1938 im Jahr 1940 norwegischer Staatsbürger geworden war, einen Auftrag: Er wurde als akkreditierter Presseattaché nach Nürnberg geschickt, um über den Verlauf der Nürnberger Prozesse zu berichten. Nachdem aus technischen Gründen die unmittelbare Übermittlung seiner Zeitungsberichte nur unvollständig, lückenhaft und ohne Rückmeldung aus der norwegischen Redaktion vonstattengegangen war, fasste Brandt seine Aufzeichnungen nach seiner Rückkehr in Oslo zusammen und veröffentlichte diese als Buch. Im August 1946 erschien eine Übersetzung ins Schwedische in Stockholm.

Teile des ersten Kapitels und weitere kleine Ausschnitte erschienen im August 1966 kurz vor dem Scheitern der CDU-FDP-Regierung und dem Regierungseintritt der SPD in die Große Koalition, in der Brandt Bundesaußenminister und Stellvertreter des Bundeskanzlers wurde. In einem Sammelband von Äußerungen Brandts während seines Exils waren diese, nur durch Randanmerkungen und Quellenangaben gekennzeichneten, Teile mit Abschnitten aus Zeitungsaufsätzen und anderen Büchern, teilweise erstmals in deutscher Übersetzung, zusammengestellt. Der Herausgeber 1966 war der Berliner Brandt-Mitarbeiter Günter Struve, der Übersetzer Dietrich Lutze.

Eine vollständige deutsche Übersetzung, überarbeitet auf der Basis von 1966, erschien in Deutschland 2007.

Um den SPD-Politiker, Kanzlerkandidaten und späteren Bundeskanzler zu verunglimpfen, wurde später behauptet, das Buch trage den Titel Deutsche und andere Verbrecher. Das Buch diente mehrfach als Vorwand, um Brandt als Landesverräter zu diffamieren.

Der konservative Journalist und Brandt-Kritiker Joachim Siegerist veröffentlichte Ende der achtziger Jahre in Bremen eine Schrift unter dem Titel „Verbrecher und andere Deutsche: das Skandal-Buch Willy Brandts“.[1]

  • Willy Brandt: Forbrytere og andre tyskere. Aschehoug, Oslo 1946 (norwegisch).
  • Willy Brandt: Förbrytare och andra tyskar. Bonnier, Stockholm 1946 (schwedisch, Översättning av Olov Janson).
  • Auszüge in deutscher Übersetzung 1966 in Willy Brandt: Draussen : Schriften während der Emigration. Hrsg.: Günter Struve. Kindler, München 1966.
  • Deutsche Ausgabe: Willy Brandt: Verbrecher und andere Deutsche. Ein Bericht aus Deutschland 1946. Hrsg.: Einhart Lorenz. J. H. W. Dietz Nachfolger, Bonn 2007, ISBN 978-3-8012-0380-1. Darin: Einhart Lorenz, Einleitung, S. 7–34.
  • Dorrit Seest: Willy Brandts Exil-Studie „Forbrytere og andre tyskere“ (Oslo 1946) und seine Diffamierung als Remigrant in der Bundesrepublik. Lüneburg 2000 (Magisterarbeit).
  • Uwe Neumahr: Willy Brandt, Markus Wolf und der Massenmord von Katyn. In: Das Schloss der Schriftsteller. Nürnberg '46. Treffen am Abgrund. München: C. H. Beck, 2023, S. 183–201
  • Der wahre Patriot. Abgerufen am 9. September 2009 (Volker Ullrich über: Zum ersten Mal in einer deutschen Ausgabe: Willy Brandts Buch »Verbrecher und andere Deutsche« aus dem Jahre 1946 in DIE ZEIT (Nummer 51) vom 13. Dezember 2007).

Einzelnachweise

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  1. Bremen : Deter. 2.Auflage 1989 DNB; Wirtschafts- und Verbands-PR, Hamburg 1992, 3. Auflage ISBN 3-910087-02-7.