Verrat – Wikipedia
Verrat ist ein besonders schwerer Bruch des Vertrauens, der die angenommene Loyalität verletzt. Die Bedeutung des Wortes Verrat hat sich differenziert: Während das mittelalterliche Verständnis nicht zwischen dem Verrat einer Person und einer ideellen Sache unterschied, ist das heutige Verständnis des Verrats differenzierter und impliziert durchaus eine negative Konnotation. Bestehende Verratsdefinitionen erscheinen aber unzureichend und eine Verratstheorie als solche ist nur in Ansätzen ausformuliert. Eine Person, die einen Verrat begangen hat, wird als Verräter bezeichnet. Im Einzelfall können Geheimnisse an andere Nutznießer verraten werden, oder generell kann eine Person oder Gruppe im Stich gelassen werden (vergleiche die Fahnenflucht beim Militär).
Etymologie
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Das Grundwort des Verbs verraten ist raten im Sinne eines Ratschlages, einer Empfehlung. Durch die Vorsilbe ver- erhält ein Rat jedoch seine negative Bedeutung: „durch falschen Rat irreleiten, auf jemandes Verderben sinnen.“ Aus diesen ursprünglichen Bedeutungen entwickelten sich dann Aussagen wie zum Beispiel „etwas zu jemandes Verderben unternehmen“ und „durch die Preisgabe von Geheimnissen verderben.“[1]
Eine ähnliche Sichtweise des Wortes verraten wird bei Kluge dargestellt: Die erweiterte Bedeutung verengte sich und der Wortsinn „etwas zu jemands Verderben tun“ wird nur noch auf jene Fälle bezogen, in denen das Verraten durch die Preisgabe von Geheimnissen geschieht.[2]
Enzyklopädie
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Obwohl das Erscheinungsbild des Verrates eine hohe Relevanz in gesellschaftlicher, rechtlicher und psychologischer Hinsicht hat, befinden sich keine Einträge in den klassischen Wörterbüchern philosophischer Begriffe.[3][4][5] Auch die Autoren des Wörterbuches zum Neuen Testament sowie des Lexikons zur Bibel haben – trotz eines mutmaßlichen Verrats durch Judas – auf einen Eintrag verzichtet.[6][7]
Ein allgemeines Lexikon beschreibt den Verrat in wenigen Worten als „das Hintergehen eines anderen, dem man zur Treue verpflichtet ist.“[8] Ein ausführlicher Artikel befindet sich jedoch im Historischen Wörterbuch der Rhetorik.[9]
In der monographischen Schriftenreihe Rowohlts deutsche Enzyklopädie des Rowohlt Verlages sind von der Autorin Margret Boveri vier Bände zum Thema Verrat erschienen. Bereits im ersten Band schreibt die Autorin, das Thema ließe sich keinem Wissenschaftszweig einordnen, vielmehr gehe es viele Wissenschaften an: Geschichte, Politik, Staatsrecht, Soziologie, Tiefenpsychologie.[10]
Strafrecht
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]In den drei deutschsprachigen Ländern wird der Verrat strafrechtlich wie folgt erfasst:
In Deutschland gibt es die Tatbestände des Hochverrats gegen den Bund nach § 81 StGB, des Hochverrates gegen ein Land nach § 82 StGB, des Landesverrats nach § 94 und bei Rechtsanwälten gegenüber ihren Mandanten auch den Parteiverrat nach § 356 StGB. Ein Unterfall ist der Geheimnisverrat. Bis zu seinem Wegfall hieß der 1. Titel des 1. Abschnitts des StGB Friedensverrat und enthielt die Strafnormen zur Vorbereitung eines Angriffskrieges (§ 80 StGB a. F.) und zur Aufstachelung zu einem Angriffskrieg (§ 80a StGB a. F.).
Österreich kennt die Tatbestände des Hochverrats (§§ 242 bis 248 StGB) und des Landesverrats (§§ 252 bis 258 StGB).
Das Schweizer Strafrecht kennt den Hochverrat sowie den Landesverrat. Beim Landesverrat unterscheidet man zwischen militärischem und diplomatischem Landesverrat.
Siehe auch
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Zitat
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]„Ich denke, dass Verrat das Schlimmste ist. Wenn du verleugnet wirst. Wenn geleugnet wird, wer du bist, deine Persönlichkeit, deine Intelligenz.“
Literatur
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- Simone Barck, Ulla Plener (Hrsg.): Verrat – die Arbeiterbewegung zwischen Trauma und Trauer. Karl Dietz, Berlin 2009, ISBN 978-3-320-02192-4.
- Gundula Bavendamm: Spionage und Verrat. Konspirative Kriegserzählungen und französische Innenpolitik. 1914–1917 (= Schriften der Bibliothek für Zeitgeschichte/N.F.; Bd. 16). Klartext, Essen 2004, ISBN 3-89861-143-4 (zugleich Dissertation, Universität Essen 2000).
- Margret Boveri: Der Verrat im 20. Jahrhundert. 4 Bände:
- Band I: Für und gegen die Nation. Das sichtbare Geschehen. Rowohlt, Hamburg 1956.
- Band II: Für und gegen die Nation. Das unsichtbare Geschehen. Rowohlt, Hamburg 1956.
- Band III: Zwischen den Ideologien. Zentrum Europa. Rowohlt, Hamburg 1957.
- Band IV: Verrat als Epidemie. Amerika. Fazit. Rowohlt, Hamburg 1960.
- Nachdruck der Ausgabe 1956: Rowohlt, Reinbek bei Hamburg 1976, ISBN 3-498-09030-5.
- Cornelia Epping-Jäger (Hrsg.): Freund, Feind & Verrat. Das politische Feld der Medien. (= Mediologie; Bd. 12). Dumont, Köln 2004, ISBN 3-8321-7889-9.
- Hermann Levin Goldschmidt: Heilvoller Verrat? Judas im neuen Testament. Katholisches Bibelwerk, Stuttgart 1976, ISBN 3-460-31331-5.
- Sebastian Haffner: Die verratene Revolution. Deutschland 1918/19. Scherz, Bern 1969.
- Torsten Hahn: Verrat. In: Gert Ueding (Hrsg.): Historisches Wörterbuch der Rhetorik, Bd. 10. WBG, Darmstadt 2011, Sp. 1393–1402.
- Urs Jaeggi: Versuch über den Verrat. Luchterhand, Darmstadt 1984, ISBN 3-472-86602-0.
- André Krischer (Hrsg.): Verräter – Geschichte eines Deutungsmusters. 1. Auflage. Böhlau-Verlag, Wien/Köln/Weimar 2019, ISBN 978-3-412-22186-7, doi:10.7788/9783412511920 (353 S.).
Weblinks
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- Sabine Rückert: Unser nützlichster Verräter. Damit Jesus zum Heiland werden kann, muss Judas ihn verraten. Porträt einer tragischen Figur. In: Die Zeit. 31. März 2010, abgerufen am 18. März 2019.
- Timo Frasch: Verrat: Über ein großes Wort, das allzu leicht ausgesprochen wird. In: Frankfurter Allgemeine Zeitung. 19. Juli 2013, abgerufen am 18. März 2019.
Einzelnachweise
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- ↑ Duden: Das Herkunftswörterbuch. Etymologie der deutschen Sprache. Mannheim 2007, Lemma verraten.
- ↑ Friedrich Kluge: Etymologisches Wörterbuch der deutschen Sprache. De Gruyter, Berlin/New York 1975, Lemma verraten.
- ↑ Johannes Hoffmeister (Hrsg.): Wörterbuch der philosophischen Begriffe. Meiner, Hamburg 1955.
- ↑ Georgi Schischkoff (Hrsg.): Wörterbuch der Philosophie. 22. Aufl. Kröner, Stuttgart 1991.
- ↑ Brockhaus: Philosophie. Mannheim u. Leipzig 2004.
- ↑ Xavier Léon-Dufour: Wörterbuch zum Neuen Testament. Kösel, München 1977.
- ↑ Fritz Rienecker, Gerhard Maier: Lexikon zur Bibel. Brockhaus, Wuppertal 1998.
- ↑ dtv-Lexikon. Band 23, Deutscher Taschenbuch Verlag, München 2006.
- ↑ Torsten Hahn: Verrat. In: Gert Ueding (Hrsg.): Historisches Wörterbuch der Rhetorik, Bd. 10. WBG, Darmstadt 2011, Sp. 1393–1402.
- ↑ Margret Boveri: Der Verrat im 20. Jahrhundert. Band I: Für und gegen die Nation. Das sichtbare Geschehen. Rowohlt, Hamburg 1956, S. 146.