Wendekreis (Breitenkreis) – Wikipedia

Wendekreise (rot), Polarkreise (violett) und Äquator (grün)
Senkrechter Schattenwurf bei Sonnenstand im Zenit
Jährliche Wanderung des nördlichen Wendekreises in Mexiko 2005–2010
Denkmal zur Markierung des nördlichen Wendekreises im Landkreis Hualien auf Taiwan

Die beiden Wendekreise sind besondere Breitenkreise der Erde. Sie sind definiert durch die Orte, an denen die Sonne zur nördlichen oder südlichen Sommersonnenwende am Mittag im Zenit steht. In der Zone zwischen den Wendekreisen, in den (solaren) Tropen, steht die Sonne an jedem Ort zweimal im Jahr im Zenit, außerhalb der Wendekreise niemals.

Die Wendekreise verlaufen parallel und symmetrisch zum Äquator auf geographischen Breiten von 23° 26′ 05″ (23,43472°) Nord und Süd, entsprechend der Schiefe der Ekliptik. Die Wendekreise haben eine Länge von jeweils knapp 36.800 km und einen Abstand von gut 2609 km zum Äquator.

Verschiebung der Wendekreise

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Aufgrund von Perturbationen anderer Körper im Sonnensystem ändert sich die Schiefe der Ekliptik langfristig, und damit auch die Lage der Wendekreise.

Momentan bewegen sie sich – abgesehen vom kurzfristigen Taumeln der Erdachse – mit einer mittleren Geschwindigkeit von etwa einer Bogenminute in 128 Jahren auf den Erdäquator zu (siehe Tabelle), das sind etwa 14,4 m pro Jahr.[1] Man geht aber davon aus, dass seit der Entstehung des Mondes die Schiefe alles in allem etwa in der heutigen Größenordnung blieb.[2]

Am Himmel sind die Wendekreise parallele Kreise zum Himmelsäquator. Sie tangieren die den Himmelsäquator schräg schneidende scheinbare Jahresbahn der Sonne (die Ekliptik), die wie der Äquator auch ein Großkreis am Himmel ist. Ihr Winkelabstand vom Himmelsäquator ist ebenfalls ±23°26′05″. Das sind gleichzeitig die Grenzwerte für den sogenannten Deklinationswinkel der Sonne.[3]

Zur Sommersonnenwende dauert der Tag am entsprechenden Wendekreis 13,5 Stunden, während der Wintersonnenwende am gleichen Wendekreis 10,5 Stunden.

Nördlicher Wendekreis

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Am nördlichen Wendekreis steht die Sonne zur Zeit der Sommersonnenwende der Nordhalbkugel um den 21. Juni im Zenit.

Der nördliche Wendekreis wird auch „Wendekreis des Krebses“ (lateinisch tropicus cancri, englisch Tropic of Cancer) genannt – im Sinne der tropischen Tierkreiszeichen, die in der späten Antike definiert wurden, als Abgrenzung zu den siderischen Sternzeichen. In der westlichen Astrologie markiert er auch heute den Beginn des Tierkreiszeichens Krebs. Das Sternbild, das die Sonne zur Sonnenwende durchquerte, war bis 15 v. Chr. ebenfalls der Krebs. Weil sich die Äquinoktialpunkte im siderischen Bezugssystem durch die Präzession der Erdachse langsam verschieben, ist dieser Punkt anschließend in das Sternbild Zwillinge gewandert und befindet sich seit 1990 im Sternbild Stier.

Verlauf des nördlichen Wendekreises

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Der nördliche Wendekreis durchläuft (vom Nullmeridian ostwärts) die Sahara in den Ländern Algerien, Libyen und Ägypten. Weiter verläuft er durch die Arabische Halbinsel, das Arabische Meer, Indien, Bangladesch, Myanmar, den Süden Chinas und Taiwan. Im Pazifik verläuft er 136 km nördlich der hawaiianischen Insel Kauaʻi. Der Wendekreis durchquert Mexiko, den Golf von Mexiko und den Atlantik, bis er wieder in Afrika und die Sahara-Wüste eintritt.

Staat, Gebiet, Meer Weiteres
Algerien Algerien
Niger Niger Der Wendekreis berührt nur die nördlichste Spitze des Landes
Libyen Libyen Der Wendekreis berührt auch den nördlichsten Punkt des Tschad
Agypten Ägypten Im Süden des Staates durchquert der Wendekreis den Nassersee
Rotes Meer
Saudi-Arabien Saudi-Arabien Verlauf zwischen Mekka (im Süden) und Medina (im Norden)
Vereinigte Arabische Emirate Vereinigte Arabische Emirate Der Wendekreis durchquert nur das Emirat Abu Dhabi
Oman Oman Im Norden des Staates
Indischer Ozean Arabisches Meer
Indien Indien Bundesstaaten Gujarat, Rajasthan, Madhya Pradesh, Chhattisgarh, Jharkhand, West Bengal, Tripura und Mizoram
Bangladesch Bangladesch Bundesstaaten Khulna, Dhaka und Chittagong
Myanmar Myanmar Bundesstaaten Chin, Sagaing, Mandalay, Shan
China Volksrepublik Volksrepublik China Provinzen Yunnan (7 km nördlich von Vietnam Vietnam), Guangxi und Guangdong
Straße von Taiwan
Taiwan Taiwan Penghu-Inseln, Landkreis Chiayi (Shuishang, Alishan …), Landkreis Nantou (Xinyi …), Landkreis Hualien (Ruisui, Fengbin …)[4]
Pazifik Necker Island, Hawaii, Vereinigte Staaten Vereinigte Staaten
Mexiko Mexiko Verlauf durch die Spitze der Halbinsel Niederkalifornien
Golf von Kalifornien
Mexiko Mexiko Bundesstaaten Sinaloa, Durango, Zacatecas, San Luis Potosí, Nuevo León und Tamaulipas
Golf von Mexiko
Atlantik Durchquert die Floridastraße
Durchquert die Anguilla Cays (Bahamas Bahamas)
Durchquert den Santaren Channel
Bahamas Bahamas Exuma Islands und Long Island
Atlantik
Westsahara Westsahara Demokratische Arabische Republik Sahara größtenteils von Marokko widerrechtlich besetzt
Mauretanien Mauretanien
Mali Mali Im äußersten Norden des Landes
Algerien Algerien

Völkerrechtliche Relevanz

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Der nördliche Wendekreis begrenzt den Wirkungsbereich der NATO auf zur Gebietshoheit von NATO-Bündnispartnern gehörende Inseln im Nordatlantik nach Süden hin.

„Im Sinne des Artikels 5 gilt als bewaffneter Angriff auf eine oder mehrere Parteien jeder bewaffnete Angriff auf […] die Gebietshoheit einer der Parteien unterliegenden Inseln im nordatlantischen Gebiet nördlich des Wendekreises des Krebses.“

Nordatlantikvertrag, Artikel 6

Südlicher Wendekreis

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Atsimo-Andrefana, Madagaskar

Am südlichen Wendekreis steht die Sonne zur Zeit der Sommersonnenwende der Südhalbkugel (in Europa: Wintersonnenwende) um den 21. Dezember im Zenit.

Der südliche Wendekreis wird auch „Wendekreis des Steinbocks“ (lateinisch tropicus capricorni, englisch Tropic of Capricorn) genannt – im Sinne der tropischen Tierkreiszeichen der Antike. Bedingt durch die Präzession steht die Sonne mittlerweile zur Sonnenwende allerdings im Sternbild Schütze.

Verlauf des südlichen Wendekreises

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Der südliche Wendekreis durchläuft (vom Nullmeridian ostwärts) den Süden Afrikas (Namibia, Botswana, Südafrika, Mosambik, Madagaskar), den Indischen Ozean, Australien, den Pazifik, Südamerika (Chile, den nördlichsten Zipfel Argentiniens, Paraguay, Brasilien) und schließlich den Südatlantik.

Staat, Gebiet, Meer Weiteres
Atlantik
Namibia Namibia Regionen: Erongo, Khomas, Hardap und Omaheke
Botswana Botswana Distrikte: Kgalagadi, Kweneng und Central
Sudafrika Südafrika Provinz Limpopo
Mosambik Mosambik Provinzen: Gaza und Inhambane
Indischer Ozean Straße von Mosambik
Madagaskar Madagaskar Provinzen: Toliara und Fianarantsoa
Indischer Ozean
Australien Australien Western Australia, Northern Territory und Queensland
Korallenmeer Durchquert das Cato Reef, in Australiens Coral Sea Islands Territory
Pazifik Nördlich der Minerva Reefs (zu Tonga gehörend) und südlich von Tubuai (zu Franz.-Polynesien gehörend)
Chile Chile Region Antofagasta
Argentinien Argentinien Provinzen: Jujuy, Salta und Formosa
Paraguay Paraguay Departamentos: Boquerón, Presidente Hayes, Concepción, San Pedro und Amambay
Brasilien Brasilien Bundesstaaten Mato Grosso do Sul, Paraná und São Paulo
Atlantik

Länder südlich des südlichen Wendekreises

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Zu den Ländern, die gänzlich südlich des Wendekreises des Steinbocks liegen, zählen:

Commons: Wendekreis – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

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  1. Ephemeriden des JPL
  2. Gongjie Li, Konstantin Batygin: Pre-LHB Evolution of the Earth’s Obliquity. arxiv:1409.2881
  3. Weltkarte mit Längen- und Breitengrad (PDF; 859 kB) (Memento vom 27. Januar 2018 im Internet Archive)
  4. Tropic of Cancer Marker. East Rift Valley Scenic Area, abgerufen am 21. Januar 2018 (englisch).
  5. Die frei assoziierten Cookinseln und Niue sowie das zu Neuseeland gehörende Tokelau liegen allerdings nördlich des Wendekreises des Steinbocks.