Bibliotheken im Mittelalter – Wikipedia

Ein Armarium im Codex Amiatinus

Als eine mittelalterliche Bibliothek wird eine Bibliothek bezeichnet, die im Mittelalter gegründet wurde, deren Sammlungs- oder Beschaffungsbeginn vor dem 16. Jahrhundert liegt und die im günstigsten Fall bis heute besteht. Gemeint sein kann auch ein historischer Buchbestand, der geschlossen oder teilweise als Sondersammlung von einer anderen Bibliothek übernommen wurde.

Auch ein mittelalterlicher Bibliotheksbau kann so bezeichnet werden. Es sind jedoch nur wenige Bibliotheksbauten aus dem Mittelalter erhalten. Ein schönes Beispiel ist die Liberei in Braunschweig (gestiftet 1412, fertiggestellt 1422). Vorgänger der mittelalterlichen Bibliotheken waren die Antiken Bibliotheken.

Video:Wie kam griechisches und arabisches Wissen nach Europa

Angelegt wurden mittelalterliche Bibliotheken zumeist von Universitäten, Städten, (Rats- oder Reichsstädtische Bibliothek), Klöstern, Geistlichen, Gelehrten, Humanisten, Adligen oder bibliophilen Privatsammlern. Viele später gegründete Bibliotheken enthalten große Bestände älterer Bibliotheken oder Sammlungen.

Die Geschichte einer mittelalterlichen Bibliothek verbindet sich häufig mit der Geschichte von anderen vergleichbaren Bibliotheken oder sie ist spezifisch für die jeweilige Bibliothek, so dass hier nur eine allgemeine Übersicht dazu möglich ist. Daher folgt hier in der Hauptsache eine Liste der mittelalterlichen Bibliotheken (sowohl der noch bestehenden als auch der aufgelösten, verkauften, vernichteten oder sonst eingegangenen oder umgelagerten Bibliotheken), unabhängig von ihrer Größe oder Bedeutung.

Vorwiegend sind dies Klosterbibliotheken (der Begriff Armarium ist nicht nur in Klöstern gebräuchlich), die im Verlauf der Säkularisation aufgelöst wurden. Es gab zudem eine Reihe von Adels- oder Privatbibliotheken, die heute nicht mehr bestehen.

Auch außerhalb von eigentlichen Bibliotheken gibt es alte Bestände an mittelalterlichen Büchern oder wertvollen Einzelwerken: in Archiven und Museen, in Burgen, Schlössern, Pfarrhäusern, Rathäusern oder Schulen. Sie sollen hier ebenfalls Erwähnung finden. Oftmals lassen sich ehemalige Bestände anhand noch erhaltener Bibliothekskataloge rekonstruieren, ebenso werden Notizen, Marginalien, Glossen oder Stempel, Provenienzvermerke und Signaturen dafür verwendet.

Katalogisierte oder digitalisierte Sammlungen werden hier nicht aufgeführt, sie sind jedoch bedeutend für Forschung und Erhaltung (siehe digitale Bibliothek).

Handschriften und Bücher

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Im Mittelalter gab es nur Handschriften, die mit teuren Materialien wie Pergament herzustellen und mühsam abzuschreiben waren, oder in ganz geringem Umfang Blockbücher. Einige Handschriften wurden noch weiter durch aufwendige farbige Initialen, Rubrizierung und Buchmalereien, gefärbtes Leder als Schreibgrund, goldene und silberne Tinten, Blattvergoldung und durch aufwendige geschmückte Buchdeckel und geprägte oder verzierte Ledereinbände aufgewertet.

Eine typische mittelalterliche Bibliothek verfügte entsprechend der finanziellen Ausstattung und der Verfügbarkeit von Abschriften über einige hundert bis einige tausend Bücher. Seit der Erfindung des Buchdrucks nahm die Anzahl der Bücher stets zu. Die ersten gedruckten Bücher nennt man Inkunabeln oder Wiegendrucke, sie gehören bereits nicht mehr zum Mittelalter, sondern zur frühen Neuzeit.

Bereits die Druckereien des 16. und 17. Jahrhunderts produzierten kontinuierlich mehr Bücher, der Ablauf der Papierherstellung, der Vertrieb und die Drucktechnik verbesserte sich zusehends und verbilligte die Herstellung. Mit dem Beginn der industriellen Fertigung von Büchern im 18. Jahrhundert und der Erfindung des Rotationsdruckmaschine für Zeitschriften wuchsen die Bibliotheksbestände schier unermesslich. Die größten Bibliotheken verfügen heute über mehrere Millionen Bücher und müssen regelmäßig baulich erweitert werden.

Seit dem Mittelalter bestehende Bibliotheken

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Bibliothek Ort Gründung Bestand und Bemerkungen Bild
Biblioteca Nazionale Marciana Venedig 1468 13.000 Handschriften
Parker Library Cambridge 1376 600 Handschriften Ein Teil der Parker Library, Wilkins Room
Nikolaus-Hospital Bernkastel-Kues 1458 Gründung des Nicolaus Cusanus
Dombibliothek Hildesheim 815 Albani-Psalter
Dombibliothek Köln 9. Jahrhundert Hillinus-Codex
Stiftsbibliothek St. Gallen 8. Jahrhundert Abrogans, St. Galler Klosterplan
Stift Sankt Peter Salzburg 8. Jahrhundert älteste Bibliothek Österreichs, 800 Handschriften, Verbrüderungsbuch Stift St Peter Salzburg Zellenbibliothek 01
Stiftsbibliothek Admont 11. Jahrhundert, Ende 1.400 Hss.
Biblioteca Apostolica Vaticana Rom, Vatikanstadt 1475 62.000 Hss., Lorscher Evangeliar, Vergilius Romanus
Biblioteca Medicea Laurenziana Florenz 1441 etwa 11.000 Hss., Rabbula-Evangeliar
Humanistenbibliothek Schlettstadt 1441 550 Wiegendrucke, Beatus-Rhenenus-Bibliothek
Bibliothek der Abtei Montecassino Cassino 529 Handschriften und Inkunabeln
Biblioteca Malatestiana Cesena 1452 noch erhaltene Bibliotheksräume der Renaissance
Bibliothek der Abtei Farfa Fara in Sabina um 1100 45000 Bände, 250 Inkunabeln
Stiftsbibliothek Klosterneuburg 1133 300.000 Bände, 1256 mittelalterliche Hss.

Frühneuzeitliche Bibliotheken mit mittelalterlichen Beständen

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Bibliothek Ort Gründung Bestand und Bemerkungen Bild
Badische Landesbibliothek Karlsruhe Sammlungsbeginn ca. 1500; jetziges Gebäude erbaut von 1983 bis 1991 enthält zahlreiche Altbestände, darunter das Nibelungenlied
Bayerische Staatsbibliothek München Sammlungsbeginn 1558; jetziges Gebäude erbaut von 1832 bis 1843 verfügt über eine der wichtigsten Handschriftensammlungen der Welt und die umfangreichste Sammlung von Inkunabeln in Deutschland, darunter die Inkunabel Sammlung des Hartmann Schedel
Biblioteca Ambrosiana Mailand 1602 Umfangreiche Sammlung von Codices, darunter griechische und orientalische Handschriften, 35.000 Manuskripte und über 2.100 Inkunabeln, Ilias Ambrosiana, Itinerarium Alexandri
Biblioteca Angelica Rom 1604 2664 Hss., Codex Angelicus, De Balneis Puteolanis
Reichsstädtische Bibliothek Lindau Lindau (Bodensee) 1538 140 Wiegendrucke vermutlich aus der alten Klosterbibliothek des Franziskanerklosters Lindau
Universitätsbibliothek Basel Basel 1471 (ca.) rund 20'000 mittelalterliche Handschriften und Inkunabeln, vieles aus den Basler Klöstern und der Basler Universität, sowie die umfangreichste Sammlung von Basler Frühdrucken
Stadtbibliothek Schaffhausen Schaffhausen 1636 160 mittelalterliche Handschriften unter anderem aus dem Kloster Allerheiligen darunter die Vita s. Columbae (7. Jahrhundert), 260 Inkunabeln
Dombibliothek Freising Freising 2. Hälfte des 8. Jahrhunderts, 1732 Barockbau, säkularisiert, im Aufbau 345 Handschriften, 222 Inkunabeln
Stadtbibliothek Trier Trier 1560 2.600 Handschriften und 2.500 Inkunabeln
Bibliothek des Escorial San Lorenzo de El Escorial Errichtet 1563 bis 1584 40.000 Bücher; Crónica Albeldense, Speyerer Evangeliar
British Library London 1753 als Bibliothek des Britischen Museums, 1973 mit anderen Bibliotheken zur BL zusammengefasst Stundenbuch von Saint-Omer, Book of Lindisfarne, Beowulf, Melisende-Psalter
Bibliothèque Mazarine Paris 1691 400.000 Werke, darunter 4.600 Manuskripte, 2.300 Inkunabeln und 1 Gutenberg-Bibel
Bibliothèque nationale de France Paris 1461 14 Millionen Werke, darunter 250.000 Manuskripte, 12.000 Inkunabeln und 2 Gutenberg-Bibeln
Herzog August Bibliothek Wolfenbüttel 1572 1.000.000 Medieneinheiten, darunter ca. 11.800 Handschriften, fast 3.000 Inkunabeln und das Evangeliar Heinrichs des Löwen
Library of Congress Washington, D.C. 1800 31 Millionen Bücher, 50 Millionen Handschriften und die Weltkarte Martin Waldseemüllers
Staats- und Stadtbibliothek Augsburg Augsburg 1537 540.000 Bände, darunter 1.000 mittelalterliche Kodizes und 2.800 Inkunabeln

Bibliotheken, Archive und Museen mit mittelalterlichen Werken

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Karolingischer Buchmaler um 820, Schatzkammer-Evangeliar
Turnierbuch, Archiv Burg Hornberg
Sakramentar Karls des Kahlen in der Bibliothèque nationale de France in Paris
Codex aureus Epternacensis, Bildseite: Reicher Mann und armer Lazarus, Germanisches Nationalmuseum in Nürnberg
Book of Lindisfarne, London, British Library
Miniatur, Schlacht von Azincourt in Enguerrand de Monstrelet: Chronique de France, Königliche Bibliothek, Brüssel
Weltkarte von Martin Waldseemüller und Johannes Schöner in der Library of Congress in Washington, D.C.
Prädikantenbibliothek Isny
Gerold Edlibach: Wappenbuch, Staatsarchiv des Kantons Zürich
Stift Lilienfeld, Bibliotheksaal
Württembergische Landesbibliothek: Zimmerische Chronik

Ehemalige mittelalterliche Bibliotheken

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Handschrift aus dem Kloster Salem: Abt Johannes Stantenat von Salem mit Mönchen und Musikern auf einem Weidling im Bodensee, Handschrift von 1494. Codex Salemitanus IX d, Bl. 152R., Heidelberg, Universitätsbibliothek
Ulrich Taler: Kreuzigung, Buchmalerei der Renaissance aus dem Missale des Konstanzer Bischofs Hugo von Hohenlandenberg, Freiburg, Diözesanarchiv
Hitda-Evangeliar, ehemals Stift Meschede heute Universitäts- und Landesbibliothek Darmstadt
Ehemals Wiesbaden, Hessische Landesbibliothek, Ms. I (Original verschollen), Faksimile, Weltall im Liber Scivias der Hildegard von Bingen

Universitätsbibliotheken mit mittelalterlichen Beständen

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Seite mit Silberschrift aus dem Codex Argentus, dem Hauptbestandteil der Wulfilabibel, aufbewahrt in Uppsala

Sammler, Antiquare oder sonstige Besitzer von mittelalterlichen Handschriften

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  • Bernhard Bischoff, Die südostdeutschen Schreibschulen und Bibliotheken in der Karolingerzeit. Teil I: Die bayrischen Diözesen. Leipzig 1940 (2. Auflage: Wiesbaden 1960, 3. Auflage: Wiesbaden 1974); Teil II: Die vorwiegend österreichischen Diözesen, Wiesbaden 1980
  • Hedwig Röckelein: Medizin und Astronomie in der Karolingerzeit. Bibliotheken als Speicher antiken Wissens. Mohr Siebeck, Tübingen 2023, ISBN 978-3-16-161085-1.
  • Armin Schlechter, Die Bibliothek als Sammlung. In: Wolfenbütteler Notizen zur Buchgeschichte in Zusammenarbeit mit dem Wolfenbütteler Arbeitskreis für Bibliotheks-, Buch- und Mediengeschichte herausgegeben von der Herzog August Bibliothek, 1999, S. 67–78
  • Peter Vodosek (Hrsg.): Bibliotheksgeschichte als wissenschaftliche Disziplin. Beiträge zur Theorie und Praxis. Referate des siebten Fortbildungsseminars für Bibliothekare vom 23. bis 25. Januar 1979 in der Herzog August Bibliothek Wolfenbüttel. Hauswedell, Hamburg 1980, ISBN 3-7762-0204-1.
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Einzelnachweise

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  1. Bibliothek | Theologisches Seminar Herborn. Abgerufen am 21. August 2019.