Kleines Nacktschwanzgürteltier – Wikipedia
Kleines Nacktschwanzgürteltier | ||||||||||||
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Kleines Nacktschwanzgürteltier (Cabassous chacoensis) | ||||||||||||
Systematik | ||||||||||||
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Wissenschaftlicher Name | ||||||||||||
Cabassous chacoensis | ||||||||||||
Wetzel, 1980 |
Das Kleine Nacktschwanzgürteltier oder Chaco-Nacktschwanzgürteltier (Cabassous chacoensis) ist der kleinste Vertreter der Nacktschwanzgürteltiere und lebt überwiegend in trockenen Landschaften des Gran Chaco in Südamerika. Über seine Lebensweise ist nur sehr wenig bekannt. Die Art ist laut IUCN nur gering gefährdet.
Merkmale
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Habitus
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Das Kleine Nacktschwanzgürteltier erreicht eine Kopf-Rumpf-Länge von 31 cm, hinzu kommt ein langer und schmaler Schwanz von durchschnittlich 9,3 cm Länge. Das Gewicht liegt bei 1,5 bis 1,6 kg.[1] Der Kopf ist kurz und breit, die Augen sind charakteristisch klein. Die kleinen und weit auseinanderstehenden Ohren werden nur 1,4 cm lang und sind dadurch deutlich kleiner als bei den anderen Nacktschwanzgürteltieren. Markant ist der Kopfschild, der aus 25 bis 29 Knochenplättchen besteht und eine dreieckige Form aufweist. Der Rückenpanzer bedeckt sowohl die Schulter- als auch die Beckenregion und reicht bis zu den Gliedmaßen hinab. Er ist dunkelbraun gefärbt, etwas heller an den Seiten. Aufgebaut ist er aus einzelnen Bändern aus Knochenplättchen, wobei im Schulterbereich 16 bis 27 Plättchen eine Reihe bilden, im Beckenbereich 25 bis 5 (jeweils von vorne nach hinten gezählt). Zwischen den festeren Schulter- und Beckenpanzern befinden sich zwölf bewegliche Bänder mit durchschnittlich je 28 bis 29 Plättchen. Der Schwanz weist keine Knochenplättchen auf und ist nackt. Haare, die mitunter recht lang sind, finden sich nur an den Seiten des Körpers unterhalb des Rückenpanzers, der Bauch ist aber weitgehend unbehaart. Die sehr kurzen Gliedmaßen enden vorne und hinten in jeweils fünf Krallen. Dabei sind jene des Vorderfußes lang, vor allem am mittleren (dritten) Strahl. Beim Laufen nutzt das Tier die vollständige Sohle der Hinterfüße, während bei den Vorderfüßen die Krallen aufsetzen. Der Hinterfuß wird 6,1 cm lang.[2][3][4]
Skelettmerkmale
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Der Schädel ist 6,8 cm lang und an den Jochbeinen bis zu 4 cm breit, die Höhe liegt bei 3 cm. Das Rostrum ist vergleichsweise kürzer und breiter als bei anderen Nacktschwanzgürteltieren. Der Unterkiefer hat eine schmale Form. Die Zähne entsprechen nicht jenen, die üblicherweise bei Säugetieren ausgebildet sind. Sie ähneln ein wenig den Molaren, sind breiter als lang durchschnittlich 2,5 mm groß. Im Oberkiefer sind jeweils acht bis neun, im Unterkiefer acht dieser Zähne pro Kieferbogen ausgebildet, insgesamt besteht das Gebiss also 32 bis 34 Zähnen. Die Länge der Zahnreihe im Oberkiefer misst 2,6, im Unterkiefer 2,4 cm.[2] Bemerkenswert an den Vorderbeinen ist die Ulna, die 4,8 cm lang wird, deren oberes Gelenkende (Olecranon), davon allein 2,2 cm einnimmt. Ein derartig groß ausgeprägtes Gelenk ist typisch für Säugetiere mit grabender Lebensweise.[1][3]
Sinnesleistungen und Lautäußerungen
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Lediglich ein an Schweine erinnerndes Quieken ist von männlichen Tieren bekannt. Weibliche Tiere scheinen kaum Laute von sich zu geben.[2][3]
Verbreitung und Lebensraum
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Das Verbreitungsgebiet umfasst den westlichen Teil Paraguays und das nördliche Argentinien. Angaben aus Bolivien und dem südlichen Brasilien konnten bisher nicht bestätigt werden. Das Besiedlungsgebiet wird mit 438.000 km² angegeben, allerdings ist die Populationsdichte unbekannt. Dabei lebt das Kleine Nacktschwanzgürteltier vorwiegend in trockenen Gebieten des Gran Chaco, der aus offenen Landschaften und Trockenwäldern mit dornigen Gebüschen besteht. Hier kommt es häufig in Arealen mit dichtem Bewuchs durch Prosopis- und Quebrachobäumen vor. Zudem bestehen die Böden aus lockeren, nichttonigen Sedimenten. Das Kleine Nacktschwanzgürteltier meidet bewirtschaftete Flächen.[2][5][4]
Lebensweise
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Das Kleine Nacktschwanzgürteltier wird nur äußerst selten beobachtet, in dem Zeitraum seit Ende der 1980er Jahre sind nur sehr wenige durch Wissenschaftler dokumentierte Sichtungen bekannt geworden, über die Lebensweise ist dadurch so gut wie nichts bekannt. Es wird angenommen, dass die Gürteltierart nachtaktiv ist,[6] einige Sichtungen erfolgten aber auch tagsüber.[7][8] Sie lebt weiterhin unterirdisch in wohl selbst gegrabenen Höhlen. Berichten zufolge verlässt sie diese bei aufziehenden Gewitterstürmen. Die Hauptnahrung umfasst Ameisen und Termiten, deren Baue das Kleine Nacktschwanzgürteltier mit seinen Krallen aufbricht. Außerdem scheint das Tier Wasser sehr gut aufspüren zu können. Weibchen bringen während der Fortpflanzung in der Regel ein Jungtier zur Welt.[2][9][3][4]
Systematik
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten] Innere Systematik der Gürteltiere nach Gibb et al. 2015[10]
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Das Kleine Nacktschwanzgürteltier gehört zur Gattung der Nacktschwanzgürteltiere (Cabassous), der weitere drei Arten zuzurechnen sind. Diese wiederum werden alle zur Gruppe der Gürteltiere (Dasypoda) und zur Familie der Chlamyphoridae verwiesen. Innerhalb der Familie ist die Gattung Cabassous ein Mitglied der Unterfamilie der Tolypeutinae, die nächsten verwandten Formen stellen das Riesengürteltier (Priodontes) und die Kugelgürteltiere (Tolypeutes) dar. Die Tolypeutinae bilden das Schwestertaxon der Chlamyphorinae, welche die beiden Gürtelmullarten einschließen. Die Unterfamilie der Euphractinae mit den Borstengürteltieren (Chaetophractus) und dem Sechsbinden-Gürteltier (Euphractus) sind etwas entfernter verwandt. Die Chlamyphorinae und die Tolypeutinae trennten sich gemäß molekulargenetischen Untersuchungen bereits im Oligozän vor 33 Millionen Jahren, danach unterlagen die Tolypeutinae seit dem frühen Miozän einer stärkeren Aufspaltung.[11][12][10] Fossile Nachweise vom Kleinen Nacktschwanzgürteltier sind nicht bekannt.[13]
Es sind keine Unterarten des Kleinen Nacktschwanzgürteltiers bekannt, so dass die Art monotypisch ist. Beschrieben wurde es 1980 von Ralph Martin Wetzel im Zuge einer Revision der Gattung Cabassous, als Typusregion gab er das Gebiet 5 bis 7 km westlich von Estancia Juan de Zalazar im paraguayischen Departamento Presidente Hayes an. Der Artname chacoensis verweist auf die Gran-Chaco-Region als Lebensraum.[2][3]
Bedrohung und Schutz
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Das Kleine Nacktschwanzgürteltier kommt in Regionen mit einer durchschnittlich sehr dünnen menschlichen Besiedlung vor, größte Bedrohung ist der Verlust des Lebensraumes durch Landwirtschaft, vor allem durch den verstärkten Anbau von Erdnüssen, Sorghumhirse und Sesam, für die die weichen Böden prädestiniert sind. Zudem wird es häufig von freilaufenden Haushunden in seinen Wohnhöhlen aufgespürt. Teilweise dient es auch als Nahrung für den Menschen. Von der IUCN wird die Tierart momentan als „gering gefährdet“ (near threatened) eingestuft,[14] einige Forscher nehmen durch die zunehmende Landwirtschaft in der Gran Chaco-Region einen Rückgang von bis zu 25 % der Gesamtpopulation an und plädieren für eine höhere Gefährdungseinstufung.[9] In Argentinien ist sie in einigen Nationalparks, wie dem Nationalpark Talampaya heimisch.[7][2]
Literatur
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- Virginia Hayssen: Cabassous chacoensis (Cingulata: Dasypodidae). Mammalian Species 46 (908), 2014, S. 24–27
- Mariella Superina und Agustín Manuel Abba: Chlamyphoridae (Chlamyphorid armadillos). In: Don E. Wilson und Russell A. Mittermeier (Hrsg.): Handbook of the Mammals of the World. Volume 8: Insectivores, Sloths and Colugos. Lynx Edicions, Barcelona 2018, S. 48–71 (S. 70–71) ISBN 978-84-16728-08-4
Einzelnachweise
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- ↑ a b S. F. Vizcaíno und N. Milne: Structure and function in armadillo limbs (Mammalia: Xenarthra: Dasypodidae). Journal of Zoology 257, 2002, S. 257, 117–127
- ↑ a b c d e f g Paul Smith: Chaco naked-tailed armadillo Cabasssous chacoensis Wetzel, 1980. Mammals of Paraguay 25, 2008, S. 1–7
- ↑ a b c d e Virginia Hayssen: Cabassous chacoensis (Cingulata: Dasypodidae). Mammalian Species 46 (908), 2014, S. 24–27
- ↑ a b c Mariella Superina und Agustín Manuel Abba: Chlamyphoridae (Chlamyphorid armadillos). In: Don E. Wilson und Russell A. Mittermeier (Hrsg.): Handbook of the Mammals of the World. Volume 8: Insectivores, Sloths and Colugos. Lynx Edicions, Barcelona 2018, S. 48–71 (S. 70–71) ISBN 978-84-16728-08-4
- ↑ Anteater, Sloth and Armadillo Specialist Group: Cabassous chacoensis. Edentata 11 (2), 2010, S. 140–141
- ↑ Dennis A. Meritt Jr.: Xenarthrans of the Paraguayan Chaco. In: Sergio F. VizcaínoW. J. Laughry (Hrsg.): The Biology of the Xenarthrans. University Press of Florida, Gainesville, 2008, S. 294–299
- ↑ a b Julio C. Monguillot und Rodolfo Miatello: Presencia de Cabassous chacoensis en el Parque Nacional Talampaya, La Rioja, Argentina. Edentata 8-10, 2009, S. 56–57
- ↑ Daniela María Tamburini und Cecilia Verónica Briguera: Nuevo registro del cabasú chaqueño, Cabassous chacoensis Wetzel, 1980 para la Provincia de Córdoba, Argentina. Edentata 13, 2012, S. 69–71
- ↑ a b Paul Smith: Assessing the assessment, the relevance of the 2006 Paraguayan mammal Red List to the reality of Xenarthra conservation in 2012. Edentata 13, 2012, S. 18–28
- ↑ a b Gillian C. Gibb, Fabien L. Condamine, Melanie Kuch, Jacob Enk, Nadia Moraes-Barros, Mariella Superina, Hendrik N. Poinar und Frédéric Delsuc: Shotgun Mitogenomics Provides a Reference Phylogenetic Framework and Timescale for Living Xenarthrans. Molecular Biology and Evolution 33 (3), 2015, S. 621–642
- ↑ Maren Möller-Krull, Frédéric Delsuc, Gennady Churakov, Claudia Marker, Mariella Superina, Jürgen Brosius, Emmanuel J. P. Douzery und Jürgen Schmitz: Retroposed Elements and Their Flanking Regions Resolve the Evolutionary History of Xenarthran Mammals (Armadillos, Anteaters and Sloths). Molecular Biology and Evolution 24, 2007, S. 2573–2582
- ↑ Frédéric Delsuc, Mariella Superina, Marie-Ka Tilak, Emmanuel J. P. Douzery und Alexandre Hassanin: Molecular phylogenetics unveils the ancient evolutionary origins of the enigmatic fairy armadillos. Molecular Phylogenetics and Evolution 62, 2012, 673–680
- ↑ Frédéric Delsuc, Sergio F Vizcaíno und Emmanuel JP Douzery: Influence of Tertiary paleoenvironmental changes on the diversification of South American mammals: a relaxed molecular clock study within xenarthrans. BMC Evolutionary Biology 4 (11), 2004, S. 1–13
- ↑ Mariella Superina und Augusín M. Abba: Cabassous chacoensis. In: IUCN 2012. IUCN Red List of Threatened Species. Version 2012.2. ([1]) zuletzt abgerufen am 2. Januar 2013
Weblinks
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- Cabassous chacoensis in der Roten Liste gefährdeter Arten der IUCN 2006. Eingestellt von: Abba & Superina, 2006. Abgerufen am 2. Januar 2013.