Kloster St. Ulrich und Afra (Augsburg) – Wikipedia
Territorium im Heiligen Römischen Reich | |
---|---|
Reichsstift St. Ulrich und Afra | |
Wappen | |
Karte | |
Lage des Klosters und Sitz der Reichsabtei im Süden der Stadt (dunkelrot links neben dem Buchstaben "S" von "AUGSPURG") Karte von Johann Andreas Pfeffel, 1746. | |
Lage im Reichskreis | |
Karte von um 1680 | |
Alternativnamen | Reichsabtei |
Entstanden aus | bischöflichem Eigenkloster; Reichskloster |
Herrschaftsform | Ständestaat; Wahlmonarchie |
Herrscher/ Regierung | Reichsabt |
Heutige Region/en | DE-BY |
Reichstag | Im Reichsfürstenrat vertreten durch 1 Kuriatsstimme auf der Rheinischen Prälatenbank |
Reichsmatrikel | zeitweise (17./18. Jahrhundert) 5 Fußsoldaten oder 20 Gulden |
Reichskreis | Schwäbischer Reichskreis |
Kreistag | nicht vertreten |
Hauptstädte/ Residenzen | Augsburg, St. Ulrich und Afra |
Konfession/ Religionen | römisch-katholisch |
Sprache/n | Deutsch, Lateinisch |
Aufgegangen in | 1802/03 an Reichsstadt Augsburg und Kurfürstentum Bayern; 1805/05 mir Augsburg ganz an das Königreich Bayern |
Das Kloster Sankt Ulrich und Afra war eine Reichsabtei des Benediktinerordens in der südlichen Altstadt von Augsburg in Bayern auf dem Gelände des heutigen Hauses Sankt Ulrich.
Geschichte
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Vom Kloster zur Reichsabtei
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Die Anfänge des geistlichen Lebens werden in einer benediktinischen Mönchsgemeinschaft nach 743 vermutet. Besser belegt ist, dass ein hier bestehendes Kollegiatstift St. Afra zwischen 1006 und 1012 (nach Klostertradition 1012) durch Bischof Brun, Bruder Kaiser Heinrichs II., in ein Benediktinerkloster umgewandelt und unter einem ersten Abt Reginbald neu mit Mönchen aus der Abtei Tegernsee besetzt wurde. Die Kanoniker gingen an die Domkirche. 1323 nahm der spätere Kaiser Ludwig IV. der Bayer das Kloster in Schutz. Im Jahr 1410 erlangte Abt Johannes Kissinger (1403–1428) die Pontifikalien. Die heutige 1474 begonnene[1] ehemalige Abteikirche wurde 1500 bei der Grundsteinlegung des Chores von Kaiser Maximilian I. zum „Reichsgotteshaus“ erklärt. Trotz päpstlicher und kaiserlicher Privilegien konnte sich das Kloster bis zum Ausgang des Mittelalters nicht von der bischöflichen Abhängigkeit befreien.
Berühmtheit erlangte das Kloster durch seine umfangreiche Bibliothek. So entstanden dort in den Schreibstuben Chroniken, Heiligenviten und Notenschrifte. Noch kurz vor ihrer Auflösung verfügte die Abtei über 689 Handschriften und 1000 Frühdrucke. Die meisten Werke sind bis heute erhalten.[2] Durch die Melker Reform im 15. Jahrhundert gelangte das Kloster zu einer zweiten Blüte und war zeitweise eines der bedeutendsten Stifte Süddeutschlands.[3] Auch für die Entwicklung der Kalligrafie und Typografie spielte das Kloster eine prägende Rolle: Mit Beginn des Buchdrucks wurde Günther Zainer 1468 der erste Drucker der Inkunabelzeit in Augsburg. Er leitete die Druckerei des Klosters und schuf gedruckte Bücher von hoher Qualität und Schönheit nach dem Vorbild mittelalterlicher Handschriften. Der Schreiber und Subprior Pater Leonhard Wagner war der bedeutendste Kalligraph der deutschen Renaissance, er entwickelte auch eigene Schriftarten.
In der Reformationszeit, mit dem Verbot der katholischen Messe 1537 in Augsburg, entschlossen sich die Mehrzahl der Benediktiner für ein konfessionelles Exil in Unterwittelsbach. Nach der Rückkehr 1548 begann unter Abt Jakob Köplin ein Kampf um die weltliche Unabhängigkeit vom Hochstift Augsburg. 1577 erlangte das Kloster schließlich den Rang einer freien Reichsabtei. Auch nach Erwerb der Reichsunmittelbarkeit galt das Stift in Schwaben nur als Insasse. Das Hochgericht behielt sich die Markgrafschaft Burgau vor.[4] Mit dem Hochstift Augsburg wurde ein Streit um die Reichsstandschaft geführt und erst 1643/44 von Bischof und Kaiser endgültig anerkannt. Obwohl nicht in der Reichsmatrikel verzeichnet, wurde St. Ulrich und Afra im Schwäbischen Reichskreis zur Gestellung von Soldaten herangezogen.
Säkularisation
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Das Kloster wurde 1802 im Zuge der Säkularisation aufgelöst. Bereits im September 1802 hatten Soldaten der kurbayerischen Infanterie die Reichsabtei besetzt. Um wenigstens den Fortbestand seines Konvents zu sichern, bat der letzte Reichsabt Gregor Schäffler noch am 20. Oktober 1802 das Kurfürstentum Bayern um die Umwandlung in ein landsässiges Kloster. Mit dem Verzicht des Kurfürstentums Bayern auf das Areal ging die Landeshoheit auf die Reichsstadt Augsburg über.[5] Noch bis 1805 verblieben die Mönche im aufgehobenen Kloster. Der Besitz wurde dann zwischen der Stadt und dem Staat aufgeteilt. Die Abteikirche wurde 1810 zur Stadtpfarrkirche.
1805 wurden ein Militärspital und eine Kaserne für die Kavallerie unter dem Namen Ulrichskaserne in der Klosteranlage eingerichtet. Eine neue Benediktinergemeinschaft in Augsburg wurde 1835 als Abtei St. Stephan gegründet. Die Kaserne blieb bis zum Zweiten Weltkrieg bestehen, als im Februar 1944 bei einem Luftangriff große Teile der Stadt zerstört wurden. Nachdem die Trümmer erst 1968–1971 beseitigt wurden, steht das Tagungshotel Sankt Ulrich der Diözese Augsburg seit 1975 an dieser Stelle.
Territorium
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Dem Stift gehörten zeitweise mehr als 300 Siedlungen. Diese waren seit dem 15. Jahrhundert in Baudingbezirke unterteilt, wie Bonstetten, Reinhartshofen, Häder und Erkhausen. Zu den weiteren Besitzungen gehörten die Hofmarken Dasing und Unterliezheim sowie die Herrschaft Finningen. Für Unterliezheim, das unter pfalz-neuburgischer Landeshoheit stand, war der Abt von St. Ulrich und Afra pfalz-neuburgischer Landstand. Wegen hoher Schulden verlor das Stift zwischen 1755 und 1788 einen großen Teil seines Grundbesitzes. 1802 besaß St. Ulrich und Afra in und um Augsburg neben 100 Häusern, Gärten, Wiesen, Änger, Mühlen und die obere Lechbrücke samt Zollhaus.[6]
Liste ehemaliger Besitzungen
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- Landkreis Aichach-Friedberg: Haunsried; Haunswies; Obermauerbach, Oberschneitbach, Untergriesbach; Arnhofen, Eisingersdorf, Gaulzhofen, Stotzard, Wachenhofen; Bitzenhofen, St. Franziskus, Laimering, Tattenhausen, Unterzell, Wessiszell; Ganswies; Friedberg, Hügelshart, Ottmaring, Rederzhausen, Wiffertshausen; Hirschbach, Hollenbach, Igenhausen, Schönbach; Mangelsdorf, Mittelham, Unterschönbach; Hochdorf, Merching, Steinach; Mering; Gebersdorf, Hohenried; Allmering, Rehling, Rohrbach; Hörmannsberg, Sirchenried, Zillenberg; Allenberg, Bergen; Tödtenried; Eresried, Steindorf; Sand, Todtenweis
- Landkreis Augsburg: Eppishofen, Unterschöneberg; Bobingen, Burgwalden; Bonstetten; Häder, Lindach, Neuhäder, Schempach; Ellgau; Aretsried, Fischach, Reitenbuch; Gablingen; Edenbergen, Gersthofen; Albachried, Wollishausen; Ahlingen; Buch, Maingründel; Langenreichen; Rielhofen; Oberottmarshausen; Erkhausen, Hilpoldsberg; Wehringen; Vallried; Stadt Augsburg, Bergheim, Göggingen, Haunstetten, Inningen
- Landkreis Dachau: Schielach; Dirlesried; Pfaffenhofen an der Glonn, Wagenhofen, Unterumbach
- Landkreis Dillingen an der Donau: Dietenheimerwörth, Unterglauheim, Wolpertstetten; Oberfinningen, Unterfinningen; Deisenhofen; Bocksberg, Laugna, Modelshausen; Lutzingen, Unterliezheim; Beurerhof, Beurermühle, Demharthöfe, Riedsend, Wengen; Hirschbach, Wertingen; Marzelstetten
- Landkreis Fürstenfeldbruck: Mittelstetten; Steinbach
- Landkreis Günzburg: Nachstetten; Hellersberg, Schönebach
- Landkreis Landsberg am Lech: Egling, Hattenhofen; Holzhausen; Stoffen
- Landkreis Neuburg-Schrobenhausen: Aresing, Rettenbach; Birglbach, Gachenbach, Hardt, Westerham
- Landkreis Ostallgäu: Hermanstetten; Lamerdingen; Stöttwang
- Landkreis Unterallgäu: Kirchheim; Schöneberg; Salgen[7]
Wappen mit Bezug zum Stift
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- Bonstetten
- Häder
- Haunstetten
- Hirblingen
- Kissing
- Merching
- Reinhartshofen
- Reitenbuch
- Scherstetten
Liste der Äbte
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Siehe auch
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Literatur
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- Michael Hartig: Das Benediktiner-Reichsstift Sankt Ulrich und Afra in Augsburg (1012–1802), Augsburg 1923.
- Josef Hemmerle: Die Benediktinerklöster in Bayern (= Germania Benedictina, Bd. 2), Ottobeuren 1970, S. 45–50.
- Norbert Hörberg: Libri sanctae Afrae. St. Ulrich und Afra im 11. und 12. Jahrhundert. Studien zur Geschichte des Augsburger Benediktinerklosters unter besonderer Berücksichtigung der bibliothekarischen Überlieferungen, Göttingen 1981.
- Wilhelm Liebhart: Die Reichsabtei St. Ulrich und Afra zu Augsburg. Studien zu Besitz und Herrschaft (1006–1803), München 1982.
- Wilhelm Liebhart: Die Reichsstifte – St. Ulrich und Afra in Augsburg in: Kraus, Andreas (Hrsg.): Geschichte Schwabens bis zum Ausgang des 18. Jahrhunderts; 3. Auflage, München 2001, S. 320–325, in: Spindler, Max (Begründer): Handbuch der bayerischen Geschichte, Band III, Teilband 2
- Rolf Schmid: Reichenau und St. Gallen. Ihre literarische Überlieferung zur Zeit des Klosterhumanismus in St. Ulrich und Afra zu Augsburg um 1500 (= Konstanzer Arbeitskreis für Mittelalterliche Geschichte: Vorträge und Forschungen, Sonderband 33 ISSN 0933-4467), Thorbecke, Sigmaringen 1985, ISBN 3-7995-6693-7 (Dissertation Universität Augsburg 1982, 211 Seiten Volltext online PDF, kostenfrei, 211 Seiten, 124 MB)
- Manfred Weitlauff (Hrsg.): Benediktinerabtei St. Ulrich und Afra in Augsburg (1012–2012). Geschichte, Kunst, Wirtschaft und Kultur einer ehemaligen Reichsabtei. Festschrift zum tausendjährigen Jubiläum. I. Textband (= Jahrbuch des Vereins für Augsburger Bistumsgeschichte, Band 45), Augsburg 2011, DNB 1021065684.
Weblinks
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- Kloster St. Ulrich und Afra (Augsburg), Basisdaten und Geschichte:
Christian Lankes: St. Ulrich und Afra – Keimzelle des Christentums in Augsburg in der Datenbank Klöster in Bayern im Haus der Bayerischen Geschichte - Katholische Stadtpfarrei St. Ulrich und Afra – (2. Georg Rendl Symposion "Priester-Mistbeete")
Einzelnachweise
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- ↑ Baugeschichte - Katholische Stadtpfarrei St. Ulrich und Afra, 86150 Augsburg. Abgerufen am 28. Dezember 2018.
- ↑ Alois Knoller: Ein Kloster durch 1000 Jahre. Abgerufen am 27. Dezember 2018.
- ↑ Augsburg, Benediktinerkloster St. Ulrich und Afra | MRFH 165. Abgerufen am 27. Dezember 2018.
- ↑ Pötzl, Walter (Hrsg.): Der Landkreis Augsburg, Band 3, Herrschaft und Politik. Vom Frühen Mittelalter bis zur Gebietsreform. Augsburg 2003, S. 195.
- ↑ Haus der Bayerischen Geschichte - Klöster in Bayern. Abgerufen am 27. Dezember 2018.
- ↑ Alle Lexikonartikel. Abgerufen am 28. Dezember 2018.
- ↑ Wilhelm Liebhart: ¬Die¬ Reichsabtei Sankt Ulrich und Afra zu Augsburg (= [Historischer Atlas von Bayern / Teil Schwaben / 2]). 1982, ISBN 978-3-7696-9931-9 (bib-bvb.de [abgerufen am 28. Dezember 2018]).
Koordinaten: 48° 21′ 41″ N, 10° 54′ 1,4″ O