Dieser Artikel befasst sich mit den Jacobischen Thetafunktionen. Für weitere Bedeutungen des Begriffs siehe Thetafunktion (Begriffsklärung).
In der Funktionentheorie, einem Teilgebiet der Mathematik, bilden die Jacobischen Thetafunktionen, benannt nach Carl Gustav Jakob Jacobi, eine spezielle Klasse holomorpher Funktionen zweier komplexer Variablen. Jacobi untersuchte sie als erster systematisch und entwickelte auf dieser Grundlage seine Theorie elliptischer Funktionen. Sie sind ein Spezialfall einer weitaus größeren Klasse von Thetafunktionen mehrerer Veränderlicher, die allgemein aus Gittern in den Räumen konstruiert werden können.
Die Thetafunktionen bilden elliptische Gegenstücke der Exponentialfunktionen bzw. trigonometrischen Funktionen. Wie es für elliptische Funktionen typisch ist, weisen sie eine Art doppelter Periodizität auf entlang der reellen und der imaginären Richtung der komplexen Ebene (Gitterstruktur). Zugleich sind sie als unendliche Reihe sowie als unendliches Produkt darstellbar, deren Summanden beziehungsweise Faktoren in einer Vielzahl von Varianten aus Produkten von Exponential- und Cosinus- oder Sinusfaktoren bestehen.
Die Jacobischen Thetafunktionen spielen eine wichtige Rolle in der Theorie der elliptischen Funktionen, Modulformen, quadratischen Formen und der Modulräume. In der Physik sind sie zudem bei der Lösung der Diffusionsgleichung und bei der Lösung der Wärmeleitungsgleichung, dem sogenannten Wärmeleitungskern, von Bedeutung.
Eingeführt wurden die Thetafunktionen 1829 von Carl Gustav Jacobi, der diese Funktionen in seinem Buch Fundamenta nova theoriae functionum ellipticarum niederschrieb. Jacobi verwendete für diese Funktionengruppe den griechischen Buchstaben und gab ihr den Namen Thetafunktion. Sie ist bei Jacobi die Grundlage seiner Behandlung elliptischer Funktionen. Jacobi behandelte die Thetafunktionen, die elliptischen Amplitudenfunktionen und andere mehrfach periodische komplexe Funktionen in seinen Vorlesungen[1] an der Albertus-Universität Königsberg und entwickelte diese systematisch. Die Bedeutung der Thetafunktion für die Theorie elliptischer Funktionen erkannte schon Carl Friedrich Gauß insbesondere im Zusammenhang mit dem arithmetisch-geometrischen Mittel (AGM), er veröffentlichte aber nicht darüber. Die Thetafunktion selbst war in Spezialfällen schon Leonhard Euler und Johann I Bernoulli bekannt[2] und wurde von diesen beiden Mathematikern insbesondere in Bezug auf die Thematik der Summenreihen und Produktreihen behandelt. Weitere Beiträge zur Theorie der Thetafunktion stammten im 19. Jahrhundert insbesondere von Karl Weierstraß, Bernhard Riemann, Ferdinand Georg Frobenius und Henri Poincaré, der die Thetafunktionen in seinen Forschungen über die verallgemeinerten Eisenstein-Reihen analysierte.
Die klassische Jacobische Thetafunktion ist definiert durch:
Dabei ist und mit der oberen Halbebene. Somit ist die klassische Thetafunktion nach Jacobi als Aufsummierung unendlich vieler Potenzen zur Basis der Eulerschen Zahl und in Abhängigkeit vom Kreisbogenmaß und vom imaginären Halbperiodenverhältnis definiert (der Name Halbperiodenverhältnis stammt aus der Theorie elliptischer Funktionen). Dabei verhält sich der Exponent in Beziehung zum Summenindex quadratisch. Die Reihe ist in normal konvergent. Sie stellt eine in ganz holomorphe Funktion dar. Insbesondere ist für festes , also , eine ganze Funktion, und für festes ist eine auf holomorphe Funktion.
Verallgemeinert wird die Thetafunktion so definiert:
Neben der klassischen Thetafunktion findet man in der Literatur vor allem drei weitere Thetafunktionen, die als Spezialfälle der klassischen Thetafunktion aufgestellt werden können. Diese drei weiteren Thetafunktionen entstehen, wenn die Parameter und spezielle Werte erhalten:
Die jacobische Thetafunktion wird in dieser Schreibweise als Θ₃(z,𝜏) bzw. Θ₀,₀(z,𝜏) bezeichnet.
Das Theta-Symbol trägt bei diesen Definitionen unten rechts von sich zwei Indizes, die stets die Werte Null und Eins sind. Der linke Theta-Index bewirkt die Verschiebung des Exponentenindex um den Wert 1/2. Der rechte Theta-Index kündigt die Periodenverschiebung des Kreisbogenmaßes um den Wert π/2 an. Bei diesen unendlichen Produkten verlaufen bezüglich des Produktindex alle Potenzsummanden in exponentieller Abnahme, sodass alle drei gezeigten Produkte für alle reellen Werte und für alle Werte konvergieren. Das elliptische Nomen in Abhängigkeit zum imaginären Halbperiodenverhältnis erfüllt die Gleichung und stellt als rechter Klammereintrag in der Thetafunktion nach Whittaker und Watson die Beziehung zu den großen Thetafunktionen her.
Dabei gilt dieser Zusammenhang:
Im Folgenden werden die Funktionen aus jeweils zwei Abszissen und einer Ordinate graphisch abgebildet:
Funktion - ϑ₁₁
Funktion ϑ₁₀
Funktion ϑ₀₀
Funktion ϑ₀₁
An diesen dreidimensionalen Graphenbildern ist die Tatsache erkennbar, dass die Funktionen ϑ₀₀ und ϑ₀₁ für Nomina 0 ≤ q < 1 stets positive Ordinatenwerte ergeben.
Unter dem Theta-Nullwert versteht man jeweils die Thetafunktion für den Wert , also beispielsweise für die jacobische Thetafunktion die Reihe:
Analog gilt mit der Definition nach Whittaker und Watson:
Durch Annullierung des Kreisbogenmaßes im linken Klammereintrag der allgemeinen Thetafunktion entstehen die drei sogenannten standardisierten Theta-Nullwertfunktionen. Bei diesen drei Funktionen hängt die Thetafunktion nur noch vom Nomen ab und somit zählen sie zu den Funktionen aus jeweils nur einer Variablen. Wenn der linke Klammereintrag auf Null gesetzt wird, so wird dieser bei den so entstehenden Theta-Nullwertfunktionen nicht mitgeschrieben und nur der rechte Klammereintrag wird als einziger Eintrag in der Klammer genannt. Durch Einsetzen des annullierten Bogenmaßwertes in die Summendefinition ergeben sich folgende drei Definitionsformeln[6] für die Theta-Nullwertfunktionen:
Bei dieser Schreibweise gibt analog zu den obigen Formeln über die Produktreihendefinitionen die erste tiefgestellte Zahl nach dem Theta die Verschiebung der Exponentenbasis um 1/2 in der Summendarstellung an. Die zweite tiefgestellte Zahl entscheidet über die Alternierung der Vorzeichen in der Summendarstellung. Im Werk Theta Functions and the Arithmetic-Geometric Mean Iteration von den Gebrüdern Borwein wurden die soeben gezeigten Summendefinitionen der drei grundlegenden Theta-Nullwertfunktionen auf der Seite 33 beschrieben. Außerdem gelten für die Quadrate der Thetafunktionen diese Beziehungen unter der Bedingung :
Die Thetafunktion ist periodisch in beiden Variablen, es gilt:
Dies ist eine Folgerung aus der 1-Periodizität der komplexen Exponentialfunktion . Darüber hinaus gilt die wichtige Transformationsformel
Diese lässt erkennen, dass die Variable modular ist, da sie neben der 2-Periodizität noch ein Gesetz unter der Stürzung erfüllt. Speziell für den Theta-Nullwert ist dies von zentraler Bedeutung, denn dort reduziert sich dies auf
Bei der Wurzel ist dabei jeweils der Hauptzweig zu nehmen, also jener Zweig, der positive Zahlen auf positive Zahlen abbildet.
anzugeben. Ist eine glatte Funktion, deren sämtliche Ableitungen für schnell abklingen, etwa mit exponentieller Geschwindigkeit, so ist diese Reihe absolut konvergent und stellt eine Funktion dar. Für diese offenbar 1-periodische Funktion besagt dann die Poissonsche Summationsformel
wobei
die Fourier-Transformation von ist. Wegen des Erscheinens beider Terme und in einer Formel ist dies von besonderer Bedeutung, wenn eine Funktion ist, die ihre eigene Fourier-Transformierte ist. Dies trifft zum Beispiel auf die Glockenkurve zu. Zusammen mit der allgemeinen Formel , wenn und , die sich schnell durch Substitution ergibt, findet man damit via und ( rein imaginär)
Die Poissonsche Summenformel wird vor allem zu Fourier-analytischen Untersuchungen verwendet. Neben Siméon Poisson erforschten insbesondere Bernhard Riemann und der US-amerikanische Mathematiker Harold Mortimer Edwards Junior diese Thetafunktionsformel.
Die Theta-Nullwerte erfüllen die sogenannte Jacobi-Identität:
Für die analogen Klein-Thetafunktionen gilt dieselbe Identität:
Verallgemeinert[8] kann die Jacobi-Identität auf folgende Theoreme erweitert werden:
Diese Identitäten wurden insbesondere durch Whittaker und Watson erforscht. Exemplarische Abwandlungen dieser beiden Formeln wurden von den Autoren Irene Stegun und Milton Abramowitz in ihr weltbekanntes Handbuch der mathematischen Funktionen eingetragen.
Die grundlegenden modulären Identitäten der Theta-Nullwertfunktionen in Abhängigkeit von der Funktion des elliptischen Nomens[10] beziehungsweise der Jacobischen Entwicklungsgröße lauten so:
An der Gegenüberstellung dieser drei Formeln ist die Jacobische Identität erkennbar. Der Kleinbuchstabe q steht für das elliptische Nomen und diese Funktion wird so definiert:
Der in der Exponentialfunktionsklammer der Definition des elliptischen Nomens gezeigte Quotient aus dem K-Integral des pythagoräisch komplementären Moduls dividiert durch das K-Integral des Moduls selbst wird als reelles Viertelperiodenverhältnis oder auch als reelles Halbperiodenverhältnis bezeichnet. Der Großbuchstabe K selbst bringt das vollständige elliptische Integral erster Art beziehungsweise die jacobische Viertelperiode zum Ausdruck. Das vollständige elliptische Integral erster Art ist eine Funktion in Abhängigkeit von exakt einer Variable. Und diese Variable wird elliptischer Modul oder auch numerische Exzentrizität genannt. Das mit dem großen K bezeichnete vollständige elliptische Integral erster Art kann nach Adrien Marie Legendre mit folgender Summe und mit folgenden Integralen in Abhängigkeit vom Modul ε oder k definiert werden:
für ein festes , so ist die zweite logarithmische Ableitung eine elliptische Funktion zum Gitter . Beispielsweise gilt für die Weierstraßsche ℘-Funktion:
Wenn zu einer gegebenen Zahl alle Partitionen so aufgestellt werden, dass die Summandengröße niemals steigt, und bei jeder so beschaffenen Partition all diejenigen Summanden markiert werden dürfen, die keinen gleich großen Summanden links von sich haben, dann wird die sich dadurch ergebende Anzahl[12] der markierten Partitionen in Abhängigkeit von durch die Oberpartitionsfunktion beschrieben.
Erstes Beispiel:
Diese 14 Möglichkeiten der Partitionsmarkierungen existieren für die Summe 4:
Die reguläre Partitionsfolge selbst gibt die Anzahl der Möglichkeiten an, auf wie viele Weisen eine positive, ganze Zahl insgesamt in positive, ganze Summanden zerlegt werden kann. Für die Zahlen bis sind die zugehörigen Partitionszahlen mit allen zugehörigen Zahlpartitionen in folgender Tabelle aufgelistet:
Beispielwerte von P(n) und zugehörige Zahlpartitionen
Und die strikte Partitionsfolge gibt die Anzahl der Möglichkeiten an, auf wie viele Weisen eine solche Zahl so in positive ganze Summanden zerlegt werden kann, dass jeder Summand höchstens einmal[13] auftaucht beziehungsweise kein Summandenwert wiederholt vorkommt. Exakt die gleiche Folge[14] entsteht auch dann, wenn in den Partitionssummen nur ungerade Summanden[15] enthalten sind, aber diese auch mehrfach vorkommen dürfen. Beide Darstellungen für die strikte Partitionszahlenfolge werden in der nachfolgenden Tabelle gegenübergestellt:
Beispielwerte von Q(n) und zugehörige Zahlpartitionen
In der Online-Enzyklopädie der Zahlenfolgen beziehungsweise Online Encyclopedia of Integer Sequences (OEIS) ist die Folge der regulären Partitionszahlen unter dem Code A000041, die Folge der strikten Partitionen unter dem Code A000009 und die Folge der Oberpartitionen unter dem Code A015128 verzeichnet. Alle Oberpartitionen ab Index sind gerade.
Die Folge der Oberpartitionen kann mit der regulären Partitionsfolge P[16] und der strikten Partitionsfolge Q[17] so erzeugt werden:
In der folgenden Tabelle der Zahlenfolgen soll diese nun gezeigte Formel exemplarisch angewendet werden:
n
P(n)
Q(n)
0
1
1
1 = 1·1
1
1
1
2 = 1·1 + 1·1
2
2
1
4 = 2·1 + 1·1 + 1·1
3
3
2
8 = 3·1 + 2·1 + 1·1 + 1·2
4
5
2
14 = 5·1 + 3·1 + 2·1 + 1·2 + 1·2
5
7
3
24 = 7·1 + 5·1 + 3·1 + 2·2 + 1·2 + 1·3
Mit dieser Eigenschaft zusammenhängend kann über die Funktion ϑ₀₁ auch folgende Kombination zweier Summenreihen aufgestellt werden:
Für folgendes unendliche Produkt in Darstellung mit dem Pochhammer-Symbol gilt diese Identität:
Dieses Produkt ist zugleich der Kehrwert von der erzeugenden Funktion der strikten Partitionszahlenfolge Q(n) und hat die genannte Identität zu den Theta-Nullwertfunktionen. Srinivasa Ramanujan entdeckte diese Identität zu den Thetafunktionen und schrieb sie in seinem berühmten Werk Modular Equations and Approximations to π nieder.[18] Ebenso wurde dieser Zusammenhang von Julius Wilhelm Richard Dedekind erkannt[19] und in seiner Theorie über die Etafunktion behandelt. Eng verwandt mit dem genannten Produkt ist das Eulersche Pochhammer-Produkt, das der Kehrwert der erzeugenden Funktion von der regulären Partitionszahlenfolge P(n) ist. Für das Eulersche Produkt gilt folgende Identität:[20][19]
Es gilt für die beiden zuletzt genannten Formeln der Gültigkeitsbereich für alle reellen -Werte.
Das Produkt aus diesen beiden Pochhammer-Produkten liefert direkt das Resultat einer Definition:
Mit Hilfe der Thetafunktion und deren Produktdarstellung lässt sich der Pentagonalzahlensatz beweisen. Der Pentagonalzahlensatz hat diese definierende[21] Identität:
Hierbei gelten für die Fünfeckszahlen und die Kartenhauszahlen diese grundlegenden Definitionen:
Als weitere Anwendung[22] erhält man eine Formel für die dritte Potenz des Euler-Produktes:
Diese wichtigen Werte hat die elliptische Nomenfunktion:
Für den Beweis der Richtigkeit dieser Nomenwerte siehe den Artikel Elliptisches Nomen!
Basierend auf diesen Integralidentitäten und den oben genannten Modulidentitäten der Thetafunktionen im gleichnamigen Abschnitt dieses Artikels sollen nun exemplarische Theta-Nullwerte ermittelt werden:
Diese beiden Werte können direkt mit der Poissonschen Summenformel ermittelt werden:
Wenn der Kehrwert der Gelfondschen Konstante mit dem Kehrwert einer ungeraden Zahl potenziert wird, dann entstehen Werte mit zugehörigen Thetafunktionswerten, die mit Hilfe des hyperbolisch lemniskatischen Sinus stark vereinfacht dargestellt werden können: